Wasserstoff

Der Stoff, aus dem Träume sind

Schon vor 30 Jahren machte ein Mann Furore, der das Zeitalter des solaren Wasserstoffs vorhersagte und propagierte: Ludwig Bölkow. Er schlug vor, in Wackersdorf anstelle der von der Bevölkerung verhinderten Atom-Wiederaufbereitungsanlage eine Produktionsanlage für Wasserstoff zu bauen. Der Strom für die Elektrolyse sollte aus Photovoltaik-Anlagen gewonnen werden. Damals ob der hohen Kosten der technischen Komponenten als Spinnerei verlacht, ist das Verfahren heute in aller Munde. Der „grüne Wasserstoff" soll gar der Missing Link der Energiewende werden.
 
© pplum
Seit Bölkows Zeiten hat zumindest die Photovoltaik, was technischen Fortschritt und Kosten betrifft, einen unglaublichen Skaleneffekt bei der Verminderung der Produktionskosten hingelegt. Solarstrom ist heute – nicht zuletzt durch das EEG – nur noch mit sehr niedrigen Herstellungskosten verbunden, und auch Windstrom ist in großen Mengen zu günstigen Preisen erhältlich, sowie in manchen Zeiten im Übermaß vorhanden. Was jetzt fehlt, ist ein ähnlicher Innovationswettlauf im Bereich der Wasserstoffherstellung durch Elektrolyse. Skaleneffekte und fallende Preise für die Anlagen sind nötig um „grünem Wasserstoff" wirklich den Weg zu bereiten.
 
Zum Start der „Energiewende" zerlegen wir den neuen Hype rund um den Wasserstoff in seine Bestandteile – und setzen auch die Moleküle wieder zusammen, um zu verstehen wie aus Wasser und Strom Gas entstehen und daraus anschließend wieder Strom produziert werden kann. Wir erfahren, dass Wasserstoff bisher fast ausschließlich aus Erdgas hergestellt und dabei große Mengen klimaschädliches CO2 freigesetzt wird.

Auf einer Reise per Wasserstoffauto nach Österreich – entdecken Sie die wunderbare Welt der Mobilität mit Wasserstoff. Und Sie erfahren, wie überschüssiger Strom als Gas gespeichert und Erdgas umweltfreundlich zu „grünem" Wasserstoff verwandelt werden kann.

Problemlöser Wasserstoff?
Das Röntgenbild des Toyota Miraii zeigt den Aufbau der neuen Antriebstechnologie: Wasserstofftanks, Brennstoffzelle, Kraftfluss und Elektromotor. © Toyota
Nationale Initiativen und EU-Konsortien überbieten sich gegenwärtig im Lobpreis des Wasserstoffs in Sachen Klimaschutz. Das deutsche Clean Energy Project (CEP) etwa schreibt: „Die moderne Mobilität legt uns die Welt zu Füßen und wir wollen sie weiterhin erobern. Wir wollen mobil sein – wir wollen dasselbe, nur in Grün und Clever. Wir haben Leidenschaft im Herzen und Wasserstoff im Tank." Und laut CEP ist „die Verkehrswende keine Frage von morgen, sie ist eine Aufgabe von heute!" Vollmundig geht es weiter: „Unser Weg ist daher ein aktiver: Wir nehmen die Herausforderung an, stellen uns den unbequemen Fragen und finden gemeinsam Lösungen. Wir sind Macher. Wir machen mobil mit Wasserstoff." Na, wenn das nicht gut klingt: Eine Mobilmachung in Sachen Klimaschutz. Das CEP und viele andere Akteure wollen also dafür sorgen, dass wir weiterhin mit gutem Gewissen ins Auto steigen und fröhlich zur „EverydayforFuture-Demo" fahren können.

Eine H2-Probefahrt nach Österreich
Nach Angaben der Werbetexter ist Wasserstoff die Option für eine klimaschonende Mobilität der Zukunft und ermöglicht Langstrecken E-Mobilität bei vergleichbaren Betriebskosten und dem gewohnten Fahrkomfort bisheriger Fahrzeuge mit Benzin oder Dieselmotor. Das neue Antriebskonzept bedeutet laut deren Befürwortern einen entscheidenden Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und schadstofffreier Mobilität (Zero Emission Vehicle) ohne lokale CO2- und NOx-Emissionen. Die Betonung liegt hier allerdings auf dem Wort „lokale", denn die Emissionen entstehen zwar nicht im Fahrbetrieb, dafür aber dort, wo und in Abhängigkeit davon, wie der Wasserstoff hergestellt wird. Doch dazu später.

Wer mag, kann also schon heute mit einem Wasserstoff-Auto fahren und mit Begeisterung erleben, wir nur Wasserdampf aus dem „Auspuff" kommt. Auf der Website von CEP gibt es Anlaufstellen für Probefahrten. Wir holen uns also ein Testfahrzeug und machen uns auf Einladung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technik (BMVIT) auf nach Österreich und schauen, was uns dort in Sachen Wasserstoff ins Auge fällt.
 
Wir wollen mehr erfahren von der „grünen" Gas-Erzeugung über die schnelle und sichere Betankung bis zum Betrieb wasserstoffbetriebener Fahrzeuge mit Brennstoffzellen und last, but not least zur sicheren Lagerung des Energiebündels unter den Gasen. Damit wir nicht ohne Kraftstoff liegen bleiben, informieren wir uns vor Abfahrt, wie weit das Projekt COHRS (Connecting Hydrogen Refueling Stations) fortgeschritten ist und suchen auf deren Website nach Tankmöglichkeiten auf der geplanten Strecke.

Graz gibt Gas
Endlich: Die Wasserstofftankstelle ist in greifbarer Nähe. Graz als erstes Etappenziel unserer Exkursion in Sachen Wasserstoffentwicklung in Österreich haben wir geschafft. Wir fragen uns: Wird das Tankstellennetz schnell genug wachsen? © forum Archiv
Wir starten also von München Richtung Wien und diskutieren schon auf der Fahrt die Rolle der Mobilität am Beispiel Österreichs. Der Verkehrssektor ist dort mit aktuell 45 Prozent an den Gesamtemissionen im Nichtemis- sionshandel einer der größten Verursacher von Treibhausgasen. Zusätzlich ist der Verkehrssektor für 80 Prozent des österreichischen Erdölverbrauchs verantwortlich und trägt maßgeblich zu gesundheitsgefährdenden Feinstaub- und Stickoxidemissionen (NOx) bei.

Trotz aller Zielsetzungen, Verkehr zu vermeiden und auf die Schiene zu verlagern, ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Verkehrsmenge zu reduzieren und vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Der Verkehr wächst nach wie vor überproportional stark an, und Österreich ist als Transitland besonders betroffen. Das BMVIT plant deshalb eine Dekarbonisierung im Verkehrs- und Transportbereich bis 2050 und diskutiert sowie forscht daran, wie man fossile Energieträger durch emissionsfreie Elektro-Fahrzeuge ersetzen kann. Zusätzlich zur Elektrizität soll für schwer elektrifizierbare Anwendungen Wasserstoff zum Einsatz kommen – selbstredend hergestellt mit erneuerbarer Energie. Insgesamt stellt sich die Frage, wie und zu welchen Kosten ein CO2-neutraler Personen- und Güterverkehr erreicht werden und welche Antriebstechnologie in welchem Ausmaß dazu beitragen kann.

Infrastruktur, Technik und Reichweite
Je länger wir diskutieren, und je weiter wir uns dabei von München und der sicheren Wasserstofftankstelle entfernen, umso mulmiger wird das Gefühl. Auf dem Weg nach Graz gibt es keine einzige Tankstelle. 417 km beträgt die Distanz und erst als wir in Graz die Tankstelle in der Ostbahnstraße erreichen, beruhigen sich die Nerven. Mit vollem Tank lassen wir uns vor Ort die geplanten Maßnahmen vorstellen.

Nachdem Graz bereits österreichweit die erste Modellregion für Elektromobilität ist, folgt jetzt der nächste energiepolitische Schritt. Und wie immer in Österreich ist das BMVIT involviert, wenn es darum geht, Zukunftstechnologien Flügel zu verleihen. In Graz etwa fördert das Ministerium im Rahmen seiner Vision „Zero Emission Mobility" das Projekt „move2zero" mit 3,3 Mio. Euro. Damit werden der Demobetrieb einer Buslinie mit nachhaltigem Wasserstoffantrieb sowie Ausbau und Betrieb von Lade- und Tankinfrastruktur finanziert. Ziel ist die vollständige Dekarbonisierung des städtischen Bussystems in Graz. „Wir wollen", so Holding Graz-CEO Wolfgang Malik, „neben E-Bussen auch Wasserstoffbusse mit Brennstoffzellen auf ihre Alltagstauglichkeit testen, damit bei der nächsten Busanschaffung die ökologisch beste Technologie zum Zug kommt." 

Im Praxiseinsatz konnte der Wasserstoff-Bus restlos überzeugen. Betreiber, Fahrer und Fahrgäste waren rundum zufrieden. Als nächstes geht der Bus bei den Vienna Airlines in den Alltagstest. Bleibt die Frage: Wie wird der Wasserstoff in großen Mengen erzeugt? © ÖBB, PostbusDabei ist zunächst die Anschaffung von sieben Wasserstoffbussen sowie Treibstofflogistik und Druckreduktionsstation geplant. Für batterieelektrische Busse stehen eine ONC (Overnight Charging) und/oder eine OPC (Opportunity Charging) Ladeinfrastruktur in der Auswahl. Um einen optimalen Mix aus alternativen Antriebstechnologien bei vollständiger Dekarbonisierung der Busflotte zu ermitteln, wird der Demonstrationsbetrieb durch Monitoring, Datenauswertung und mathematische Modellierung begleitet. Für den Betrieb einer größeren Flotte von Brennstoffzellen-Bussen soll langfristig eine größere Wasserstofftankstelle samt Elektrolyse vor Ort in Graz errichtet und betrieben werden. Um eine möglichst effiziente Wasserstoffgewinnung sicherzustellen und den hohen Energieaufwand bei herkömmlicher mechanischer Kompression zu vermeiden, wird im Zuge des Projektes an elektrochemischen Kompressionstechnologien geforscht.

Wien auf dem Weg zum Wasserstoffantrieb
© Felix Krumbholz Photography
Unser Testfahrzeug bringt uns ganz entspannt von Graz nach Wien. Hier wurde von der ÖBB-Tochter Postbus ein Wasserstoffbus im Linienbetrieb getestet. Im Gespräch erfahren wir, wie der Antrieb im Bus genau funktioniert. Das Fahrzeug fährt mit einem Elektromotor und wird mit Wasserstoff betankt. In der im Bus verbauten Brennstoffzelle erfolgt dann durch Sauerstoffzufuhr eine chemische Reaktion, bei der Energie erzeugt wird. 

Ein wesentlicher Unterschied zu batteriebetriebenen Bussen ist, dass die Stromerzeugung direkt im Fahrzeug passiert. Einen großen Vorteil liefert der Wasserstoffbus im Winterbetrieb: Bei der chemischen Reaktion in der Brennstoffzelle entsteht auch Wärme, die im Winter für die Beheizung genutzt werden kann. Um die Technologie zu testen, wurde der Wasserstoffbus per Tieflader aus den Niederlanden geliefert, da es auf der Strecke keine geeigneten Tankstellen gibt. Das Tanken mit Wasserstoff dauert im Normalbetrieb, bei einer fix installierten Tankstelle, nur rund 15 Minuten (für 30 bis 35 kg Wasserstoff). Für den Testbetrieb hat Postbus eine mobile Tankstelle von der Firma Linde aus Deutschland geliefert bekommen. Die Betankung benötigt hier etwas mehr Zeit, in etwa drei Stunden. 

Der Wasserstoffbus wird im Oktober für weitere drei Wochen auf den Linien der Vienna Airport Lines im Einsatz sein. Bereits nach Abschluss des ersten Tests zogen die Verantwortlichen in Wien ein positives Fazit: Fahrgäste und Fahrer waren durchwegs zufrieden, der Betrieb einwandfrei. Die Reichweite des wasserstoffbetriebenen Busses lag bei rund 400 Kilometern pro Tankfüllung und ermöglicht damit auch den Überlandverkehr. Ein Problem sind die fehlenden Wasserstoff-Tankstellen für Busse in Österreich und noch gravierender: Wasserstoff-Busse kosten heute noch mehr als doppelt so viel wie herkömmliche, da sie nur in Kleinserien hergestellt werden.

Tirol – Verbindungsglied am grünen Korridor
Unser Weg führt uns weiter von Wien nach Tirol. Wir wollen zum dortigen Green Energy Center. Jetzt heißt es no risk, no fun: bei 480 km Distanz in Linz zwischentanken oder nicht? Wir entscheiden uns für Risk. Schließlich sind wir ja auf einer Testfahrt. Ein weiterer Grund für die Fahrt nach Innsbruck: Stadt und Region sind wesentlicher Teil des europaweit größten Wasserstoff-Forschungsprojekts „HyFIVE" (Hydrogen For Innovative Vehicles). Im Projekt wird zum einen die Alltagstauglichkeit der Wasserstofftechnologie für Autos erforscht und weiterentwickelt, zum anderen die dafür nötige Infrastruktur geschaffen. Seit 2015 verstärkt dort eine Wasserstofftankstelle die wichtige Nord-Süd-Verbindung am „Green Corridor", der Wasserstoffautobahn von Kopenhagen bis Verona. 

Doch in Tirol geht noch mehr: Im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten Projekts „Demo4Grid" errichtet die österreichische Supermarktkette MPreis mit Unterstützung des Tiroler Green Energy Center Europas größten Elektrolyseur zur Umwandlung von grünem Strom in Wasserstoff. Auf dieses Projekt schaut ganz Europa, wird doch diese Anlage unter wirtschaftlichen Aspekten realisiert, um zu beweisen, dass die Umstellung von fossiler auf saubere Energie auch ein absoluter Business-Case für die Zukunft ist. 

Der Single-Stack-Alkali-Druck-Elektrolyseur dient der Erzeugung von grünem Wasserstoff und gleichzeitig zur Regelung des Stromnetzes. Und hier liegt auch die Ursache für den neuen Hype um den Wasserstoff: In Zeiten, wo durch Laufwasser-, Photovoltaik- und Windkraftwerke zu viel Strom ins Netz eingespeist wird, kann dieser mittels der Elektrolyse-Anlage in grünen Wasserstoff umgewandelt und zur weiteren Verwendung in Drucktanks zwischengespeichert werden. Die Technologie für den Elektrolyseur mit einer maximalen Leistungsaufnahme von 4 Megawatt kommt vom Schweizer Partner IHT. Der mit Ökostrom erzeugte Wasserstoff wird in MPREIS-Produktionsbetrieben als Brennstoff thermisch verwertet und ersetzt dort fossiles Erdgas für die Beheizung der Backöfen. In weiterer Folge soll der grüne Wasserstoff als Diesel-Ersatz für die MPREIS-Logistikflotte eingesetzt werden. Darüber hinaus schafft diese Anlage auch die Möglichkeit, Brennstoffzellen-Busse für den lärm-, CO2- und feinstaubfreien öffentlichen Nahverkehr mit grünem Wasserstoff zu beliefern. Damit sollen regionale Ressourcen und regionale Wertschöpfung Hand in Hand gehen.
 
Der Preis für Wasserstoff
Der „Demo-4Grid"-Business-Case zur Wasserstoffherstellung sieht den Bezug von elektrischer Energie aus Stromnetzregelung und die Einbindung eines regionalen Laufwasserkraftwerkes mit Direktleitung ohne Netzgebühren vor. Der produzierte Wasserstoff kann somit nicht nur als Brennstoff, sondern auch als Speicherstoff verstanden werden. Die Speicherfähigkeit erlaubt es zusätzlich, sehr günstigen Strom für die Elektrolyse einzukaufen. Der Zukauf günstiger elektrischer Energie auf der Strombörse zu Schwachlastzeiten (z. B. in der Nacht) bedeutet jedoch, dass dessen Herkunft nicht zwingend regenerativ ist. 


 
Wasserstoff treibt Züge an
Wasserstoff ist ein idealer Treibstoff für Schienenfahrzeuge, die keine Stromversorgung durch Oberleitungen haben. Eine hohe Energiedichte, Heizung im Winter und CO2-freie Abgase sprechen für eine Weiterentwicklung in diesem Transportsegment. © Alstom, Michael WittwerDoch der regionale, grüne Wasserstoff kann nicht nur Häuser und Backöfen beheizen sowie Autos, Busse und LKWs bewegen, ab Dezember 2022 soll auch die Tiroler Zillertalbahn mit Wasserstoff angetrieben werden. Auf der 32 km langen Schmalspurstrecke zwischen Jenbach und Mayrhofen werden bereits heute 2,46 Mio. Fahrgäste (2017) befördert und aufgrund der hohen Verkehrsdichte im stark frequentierten Alpental ist die Tendenz stark steigend! Das vom BMVIT geförderte Projekt „Zillertalbahn 2020+ Energieautonom mit Wasserstoff" dient der Erhöhung der Transportkapazität und beinhaltet die Erneuerung von Teilen der Bahnanlagen und der Zuggarnituren. Kernkomponente ist die Elektrifizierung des Bahnbetriebes, die eine Einsparung von 800.000 l Diesel und eine Reduktion von 2,2 Mio kg CO2-Ausstoß im Jahr bringt.

Um die touristische Attraktivität des Tals zu erhalten, soll weitgehend auf stromführende Oberleitungen verzichtet werden. Stattdessen produziert eine Brennstoffzelle im Zug den Strom für die den Antrieb der Elektromotoren. Der dafür notwendige grüne Wasserstoff soll in Mayrhofen mittels Elektrolyse erzeugt und über Nacht in die Züge der Bahn gefüllt werden. Der Wegfall der Oberleitungen ist nicht nur aus optischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht ein Gewinn, denn die Einsparungen können in die Erprobung der neuen Technologie investiert werden. Zudem tragen die neuen Fahrzeuge mit 250 Sitzplätzen – gegenüber 130 bisher – den steigenden Fahrgastzahlen Rechnung und bieten wesentlich mehr Komfort.
 
Neue Technologien sind mit hohem Aufwand verbunden, und es ist wichtig, dass solche Initiativen auf nationaler und EU-Ebene unterstützt werden."
Silvia Kaupa-Götzl, Geschäftsführerin von Postbus
 
Pipeline, LKW oder Schiene?
Transport: Wasserstofftransport und -lagerung sind die großen Herausforderungen beim Aufbau der Infrastruktur für eine flächendeckende Versorgung. Das Gas ist sowohl in gasförmiger als auch in flüssiger Form verfügbar. © Linde AGDie Bahn ist jedoch nicht nur interessiert an der Nutzung von Wasserstoff als Energieträger – insbesondere dort, wo eine Elektrifizierung der Strecke zu aufwändig ist – sondern auch am Geschäft mit dem Transport von Wasserstoff. Bisher wird dieser auf kurzen Strecken per Pipeline und ansonsten per LKW transportiert oder vor Ort, wo er gebraucht wird, produziert. 

Wasserstoffverwender wie etwa die Stahl- und chemische Industrie erzeugen ihren Bedarf direkt am Werk und benutzen dabei das Verfahren der Gasreformation. Hier wird aus Erdgas Wasserstoff gewonnen, mit der aus Klimasicht höchst bedenklichen Freisetzung hoher CO2-Anteile. Die Elektrolyse ist aufgrund der Stromkosten bzw. der Volatilität des regenerativ erzeugten Stroms für diese Anwender aus Kostengründen noch keine Option. Eine Änderung könnte hier nur die Bepreisung des an die Umgebung abgegebenen CO2s sein. Dies erklärt, warum eine Wasserstofflogistik im größeren Ausmaß bisher nicht entwickelt ist. Das unterscheidet die konventionelle von der "grünen" Wasserstoffproduktion.

Mit der Nutzung von Stromspitzen aus Solar- oder Windstrom für die Elektrolyse wendet sich das Blatt: Grüner Wasserstoff profitiert von fast kostenlosem Strom, den zunehmenden Skaleneffekten der Elektrolyse und könnte bei einem Preisanstieg von CO2-Zertifikaten einen rasanten Durchbruch erreichen. Obwohl bisher nicht verfolgt, erscheint es logisch, den Schienenpfad für Wasserstoff als Transportweg zu untersuchen, da er aus Sicht des Energieverbrauchs attraktiv ist und somit ein Potenzial als Brückenlösung zwischen Straßen-LKW-Transport und Pipeline darstellt.
 
Das BMVIT unterstützt daher das Projekt „Bulk H2 onRail" und damit die umfassende Untersuchung der Möglichkeit, Wasserstoff auf der Schiene und im Kombiverkehr zu distribuieren. Dazu gehört einerseits die technische Machbarkeit für eine breite Selektion heutiger und zukünftig wahrscheinliche Wasserstoff-Speichertechnologien. Des Weiteren sind die sicherheitstechnischen Rahmenbedingungen zu analysieren. Zusammen mit einer Wirtschaftlichkeitsrechnung soll somit eine komplette Beurteilung der technoökonomischen Machbarkeit der Wasserstofflogistik auf der Schiene erfolgen. In Anbetracht des Klimawandels selbstverständlich unter Bevorzugung von Energieszenarien mit hohem erneuerbaren Anteil.

Tourismus-Projekt „HySnow"
Wer an Österreich denkt, denkt an schneebedeckte Berge und an Skifahren. Hinterstoder im Traunviertel ist ein Zentrum des oberösterreichischen Wintersports und will Schneemobilen einen sauberen Antrieb verpassen. Unter Leitung des HyCentA (Hydrogen Center Austria) und der TU Graz wird in Hinterstoder im Rahmen der Leuchtturmprojekte Elektromobilität des Klima- und Energiefonds das gesamter Potenzial solcher Schneemobile erforscht und die Serienproduktion vorbereitet. Mit finanzieller Unterstützung des BMVIT entwickeln die beteiligten Projektpartner das gesamte Anwendungsszenario von der Photovoltaikanlage über die Hochdruck-Elektrolyse-Wasserstoffproduktion (inklusive Betankungsanlage) bis zu den Fahrzeug-Prototypen. Damit können diese unter realen Betriebsbedingungen getestet werden. Skifahrer werden den Pistenfahrzeugen verwundert nachblicken, da die übliche Geräuschkulisse gänzlich fehlt. Die Zielsetzung: Viel Leistung bei wenig Gewicht, problemloser Einsatz auch bei tiefen Temperaturen, Vermeidung von Lärm, Schadstoffen und Treibhausgasen. Damit ist dieses Projekt auch Testlauf für eine zukünftige Massenproduktion von brennstoffzellenbasierten Fahrzeugen und Vorstufe einer hauptsächlich in Österreich entwickelten und produzierten, umweltfreundlichen Serienproduktion.

Wasserstoffkompetenz in Österreich
ITankstelle: Vor Ort komprimiert ein ionischer Kompressor den Wasserstoff auf bis zu 900 Bar. Fahrzeuge werden dann mit standardisiertem Druck betankt. © Philipp Plumm Zuge des vom BMVIT invitierten Programms „Mobilität der Zukunft", der Plattform „open4innovation" und anderer Innovationsförderungen werden eine Vielzahl verschiedenster Projekte rund um die Anwendung von H2 verwirklicht. Von besonderer Bedeutung sind dabei Wasserstoffspeicher. Gegenwärtig erfolgen Lagerung und Transport in der Regel in Systemen mit sehr hohem Druck. Die Analyse einer konventionellen Kraftstoffversorgungsanlage für gasförmigen Wasserstoff (GH2-KVA) zeigt, dass der Speicherbehälter maßgeblich für die Kosten und das Gewicht der GH2-KVA verantwortlich ist. Der Anteil der restlichen Komponenten der GH2-KVA ist gering.
 
Die Firmen HypTec und Magna Steyr optimieren deshalb im Projektverbund insbesondere Speicherbehälter und Ventiltechnik, durch Schnittstellenoptimierung, funktionale Integration und Bauteiloptimierung. Im BMVIT-Projekt proionic ist es dagegen gelungen, flüssige und stabile Speichermedien mit hohen Speicherdichten chemisch zu synthetisieren. Diese Wasserstoffspeicherdichten in ionischen Flüssigkeiten sind vergleichbar mit der Speicherkapazität von H2-Druckspeichern. Lagerung/ Transport erfolgen jedoch drucklos bei Umgebungstemperatur und somit nahezu verlustfrei. Durch die erfolgreiche Entwicklung eines edelmetallfreien Katalysators kann die Freisetzung des Wasserstoffs aus dem Speicher bedarfsgerecht gesteuert werden und bei Raumtemperatur ablaufen. Das Speichermedium ist chemisch regenerierbar und kann stets neu mit Wasserstoff beladen werden, wobei noch Entwicklungsbedarf besteht, die Kosten der Regenerierung zu reduzieren.

Messen kommt von Mist
Nicht zuletzt die großen Skandale in der Automobilindustrie zeigen die Relevanz von verlässlichen Messmethoden zur Beurteilung und Optimierung von Motoren. Mit der dynamischen Entwicklung von Brennstoffzellen wird es notwendig, die Gas-Konditionierung und den Durchfluss der Gase auf dem Prüfstand zu messen. Der Betrieb eines Brennstoffzellen-Prüfstandes erfordert eine hochdynamische Versorgung mit den Betriebsmedien Wasserstoff und Luft sowie die messtechnische Erfassung von deren Durchflüssen.
 
Der Einsatz von Brennstoffzellen und Elektromotoren ist sinnvoll, da die Umwandlung von chemischer in elektrische Energie in der Brennstoffzelle effizienter ist, als die Verbrennung des Treibstoffs in der Verbrennungskraftmaschine. © H2 Mobility
Diese hochdynamische Regelung mit entsprechender Konditionierung von Luft und Wasserstoff ist derzeit nicht am Markt verfügbar. Zur Durchflussmessung von Gasen wird zwar bereits eine Vielzahl von Sensoren eingesetzt, derzeit sind aber für Wasserstoff weder ein eichfähiger Sensor noch ein entsprechendes Kalibrierverfahren bekannt. Deshalb werden in einem Forschungsprojekt geeignete Regelungsstrategien und Komponenten untersucht, um das dynamische Verhalten von Brennstoffzellensystemen in den unterschiedlichen Zeitskalen bzw. physikalischen Domänen (elektrisch, thermodynamisch, strömungsmechanisch...) darzustellen und entsprechende Regelungsfunktionen bzw. Optimierungsstrategien abzuleiten. Bereits bestehende Durchflussmess- und Kalibrierverfahren werden auf ihre eichfähige Anwendbarkeit für Wasserstoff analysiert und auf bestehenden Wasserstoff-Prüfständen evaluiert. 
 
Ein Beitrag von Fritz Lietsch  

Dieser Beitrag ist mit der freundlichen Unterstützung des Österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie entstanden. Entgeltliche Einschaltung.

Umwelt | Ressourcen, 01.09.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2019 - Social Business beseitigt Plastik-Müll und schafft neue Jobs erschienen.
     
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