Christoph Quarch

Vernetzt denken lernen

In einer digitalen Welt müssen Entscheider mehr denn je in Zusammenhängen denken.

Egal was man liest, hört oder sieht – es gibt zwei Themen unserer Zeit, an denen kein Unternehmen, keine Institution und auch keine Regierung mehr vorbeikommt: digitale Transformation und Nachhaltigkeit. Neue Studiengänge wollen dieser Entwicklung Rechnung tragen.

Ein von der Hamburg School of Business Administration (HSBA) entwickeltes Studienprogramm soll diesen beiden Herausforderungen und den notwendigen Veränderungen Rechnung tragen. Frontalunterricht. Stattdessen werden fünf verschiedene Projekte im Verlauf des Studiums bearbeitet. © HSBADigitale Transformation und Nachhaltigkeit – das klingt zunächst nur nach zwei modischen Begriffen oder Schlagwörtern. Doch bei näherem Hinsehen erkennt man rasch, dass ihre Relevanz und Tragweite viel größer sind, als einem manchmal lieb ist. Denn tatsächlich zwingen sie zum Umdenken in vielerlei Hinsicht und tagtäglich erleben wir, wie sehr die Digitalisierung unser aller Privat- und Arbeitsleben verändert. Technologien wie Robotik, Virtual Reality, Big Data und künstliche Intelligenz stehen dabei im Mittelpunkt. Vielfach ist aber unklar, welche Technologie sinnvoll ist, welche Geschäftsmodelle zukünftig funktionieren und wie sich Unternehmen weiterentwickeln müssen. Die Verunsicherung ist groß, denn die Digitalisierung beschleunigt längst notwendige Entwicklungen um ein Vielfaches. So werden ganze Branchen durch disruptive Innovationen auf den Kopf gestellt, indem über Nacht neue Wettbewerber auf den Markt kommen oder durch den Rohstoff Daten neue, dominierende Monopole entstehen.

Digitale Transformation bedeutet deshalb mehr als bestehende analoge Prozesse zu digitalisieren oder gar zu ersetzen. In einer digital vernetzten Welt müssen Entscheider mehr denn je lernen, in Zusammenhängen zu denken. Nachhaltiges Wirken und Wirtschaften für eine globale Welt setzt voraus, die Auswirkungen individuellen und unternehmerischen Handelns in einen globalen Kontext zu stellen.

Neue Kompetenzen sind gefragt
Gerade diese globale Perspektive ist es, die die zweite große Herausforderung für Unternehmen und Gesellschaft ausmacht und den externen Druck erhöht. Hinweise darauf, dass ein einfaches „Weiter-So" nicht mehr lange funktioniert, gibt es zuhauf. Klimawandel, Ressourcenausbeutung, soziale Spaltung, Armutslücke und Kriege zwingen uns, unser Denken und Handeln zu verändern. Auch wenn oder weil es eben unbequem und ungewohnt ist. Wir sollten uns klar darüber werden, wie sehr wir alle voneinander abhängen. Wir müssen lernen, wie wir mit unseren Ökosystemen und unseren Lebensgrundlagen sinnvoll umgehen. Wir alle brauchen mehr Wissen, Kompetenzen und ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit von Veränderungen.

So gesehen haben die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit viel miteinander zu tun. Am Energieverbrauch zum Beispiel wird deutlich, dass Digitalisierung einerseits durch Ressourcenschonung zur Nachhaltigkeit beiträgt. Andererseits erweist sich das Internet als Energiefresser der Gegenwart. So verbraucht allein die Bitcoin-Technologie so viel Energie wie ganze Volkswirtschaften. Gerade weil Digitalisierung die grundlegendste Veränderung der Gegenwart ist, gilt es jetzt, diese Entwicklung nachhaltig und verantwortungsbewusst zu gestalten.

Zukunft will gelernt sein
Ein von der Hamburg School of Business Administration (HSBA) entwickeltes Studienprogramm soll diesen beiden Herausforderungen und den notwendigen Veränderungen Rechnung tragen. In seiner strukturellen Konzeption setzt es einen deutlichen Schwerpunkt auf Projektlernen und Forschendes Lernen, denn diese Ansätze stellen die besten Voraussetzungen zur Kompetenzentwicklung dar. Frontalunterricht und Klausuren gibt es in diesem Studiengang nicht. Stattdessen werden fünf verschiedene Projekte im Verlauf des Studiums bearbeitet. Es handelt sich sowohl um aktuelle Fragestellungen von und für Unternehmen zur Digitalisierung und Nachhaltigkeit als auch um wissenschaftliche Forschungsfragen. Im Rahmen des Projekts Sustainability Challenge engagieren sich die Teilnehmer bereits studienbegleitend bei Initiativen, Einrichtungen oder Projekten außerhalb der Hochschule. Gesellschaftliche Verantwortung ist von daher ein fester Bestandteil des Curriculums.

Praxisbezug und interdisziplinäres Lernen
Die Vielfalt und Komplexität der Herausforderungen in Unternehmen und Gesellschaft sind enorm. Deshalb werden Grenzen zwischen Fachdisziplinen, Strukturen und Denkweisen aufgebrochen. Ein interdisziplinäres Team aus Wirtschaftswissenschaftlern, Ingenieuren, Informatikern, Bildungsforschern, Medienexperten und Philosophen hat den Studiengang gemeinsam konzipiert. Charakteristisch dabei ist, dass die Lehrenden eine andere Rolle als gewöhnlich einnehmen. Sie verstehen sich nicht länger als Wissensvermittler, sondern als Lernbegleiter und Projektberater. In einem wachsenden interdisziplinären Netzwerk ermutigen sie dazu, Fragen zu stellen, und begeben sich gemeinsam mit den Studierenden auf die Suche nach Antworten.

Wir leben in einer Welt, deren Fragestellungen nicht mehr mit Musterlösungen beantwortet werden können. Vielmehr gilt es, Wissen fortwährend zu aktualisieren, in interdisziplinären Teams zusammenzuarbeiten, um sich kontinuierlich auf Neues einstellen zu können. Kollaboration, kritisches Denken und Co-Kreativität bei der Entwicklung neuer Lösungen zählen zu den zentralen Kompetenzen im 21. Jahrhundert. Notwendige Methoden werden von den Studierenden selbstverantwortlich und problemorientiert recherchiert; die Anwendung von den Lehrenden begleitet und gecoacht. Ganz im Sinne Goethes, der einst sagte: „Wenn man ins Wasser kommt, lernt man schwimmen."

Orientierung an den Sustainable Development Goals
Auch wenn die Perspektiven und Herangehensweisen der Beteiligten verschieden sein mögen, so stehen sie doch im Zeichen der gleichen Vision: Es gilt die Chancen der Digitalisierung verantwortungsvoll zu nutzen, und sich auf die damit verbundenen und notwendigen Veränderungen einzulassen und diese anzunehmen. Mutig Verantwortung übernehmen heißt dabei, bei allen Entscheidungen und Unternehmungen mit in Betracht ziehen, welche Konsequenzen dadurch für andere, an einem anderen Ort und zu einem späteren Zeitpunkt entstehen. Gelebte Nachhaltigkeit eben. Von daher dienen die siebzehn von den Vereinten Nationen formulierten Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDG) als positives Leitbild für Unternehmen und damit auch für die Akteure des Studienprogramms. Alle Absolventen und ein wachsendes Netzwerk sollen zu Botschaftern der SDGs werden und die Haltung und Werte als Multiplikatoren in Unternehmen, Organisationen und die Gesellschaft tragen.

Im forum-Interview mit Hensel-Börner, Leiterin des Studiengangs Digital Transformation and Sustainibility, sprachen wir über das Studium für Zukunftsgestalter.

Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen." Lesen Sie mehr von ihm unter www.christophquarch.de


Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2018 - Digital in die Zukunft? Tierische Geschäfte! erschienen.

Weitere Artikel von Christoph Quarch:

Großzügigkeit und Wohlwollen
Christoph Quarch wünscht sich einen Relaunch des Nikolaus-Festes
Alle Jahre wieder... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der Nikolaus. Am 6. Dezember ist es wieder so weit. Vielerorts finden die Kinder dann in ihren eigens vor der Tür deponierten Schuhen kleine Geschenke, und in den Kitas und Kindergärten tummeln sich zumeist rot kostümierte, bärtige Gestalten, die den Kids kleine Präsente überreichen. Was es ursprünglich mit dem Nikolausfest auf sich hat, wissen allerdings nur noch die wenigsten.


"Du sollst konsumieren!"
Für Christoph Quarch ist der Black Friday ein schwarzer Tag
Wenn der Dezember naht, beginnt die schwarze Zeit. Nein, nicht von den trüben ersten Wintertage ist die Rede, sondern von der Black Week, der Woche vor dem Black Friday, in der all überall die Preise purzeln und die Konsumenten darauf hoffen, rechtzeitig vor Weihnachten noch das eine oder andere Schnäppchen zu ergattern.


Selbstgewählte Einsamkeit
Christoph Quarch analysiert den Trend und empfiehlt, Komfortzonen zu verlassen
In dieser Woche sprechen wir über das Thema Einsamkeit. Ein Aspekt, der dabei noch nicht so viel Beachtung gefunden hat, ist die selbstgewählte Einsamkeit bzw. das selbstgewählte Allein-Sein. Und das liegt im Trend: Jüngsten Erhebungen zufolge legen vor allem ältere Frauen immer weniger Wert auf ein Leben zu zweit.


Wenn Klimaschutz nur der Ökonomie schadet...
Christoph Quarchs Überlegungen zur Generationengerechtigkeit
In Belém tagt seit Montag die Weltklimakonferenz COP30. Bei ihren Eröffnungsreden waren sich alle Sprecher einig: Unternimmt die Weltgemeinschaft nicht mehr als bisher gegen den Klimawandel, gerät unser Überleben auf diesem Planeten immer mehr in Gefahr. Ob die angereisten Vertreter und Repräsentanten aus über 190 Ländern zu konstruktiven Ergebnissen kommen, ist allerdings fraglich.


Die Wahrheit in der Politik
Christoph Quarch betrachtet die aktuellen Realitätsverweigerungen mit Sorge
Der Außenminister war sichtlich geschockt. Unter dem Eindruck eines völlig zerstörten Vororts der syrischen Hauptstadt Damaskus, sagte Johann Wadephul, eine kurzfristige Rückkehr dorthin sei nicht möglich. Kaum waren seine Worte verklungen, brach ein Sturm der Entrüstung los - vor allem bei Wadephuls Parteifreunden in CDU und CSU.




     
        
Cover des aktuellen Hefts

forum future economy

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.

  • Mit diesem Schritt markiert der Verlag bewusst eine Zeitenwende – hin zu einer Wirtschaft, die Zukunft schafft, statt nur Probleme zu verwalten.
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
09
DEZ
2025
Club of Rome Salon: Building the City of the Future (in English)
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Alle Veranstaltungen...
Anzeige

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Megatrends

Selbstgewählte Einsamkeit
Christoph Quarch analysiert den Trend und empfiehlt, Komfortzonen zu verlassen
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

Schulen stärken Bildung für nachhaltige Entwicklung

Seit 15 Jahren: faire und umweltbewusste Beschaffung mit dem Kompass Nachhaltigkeit

Blue Green FUTUREventura

Nachhaltigkeit in der Cloud

The GREEN MONARCH Awards 2025 Verleihung in Berlin

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy

Wie Unternehmen mit regionaler Aufforstung ihre ESG-Ziele stärken

forum future economy

  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • toom Baumarkt GmbH
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • NOW Partners Foundation
  • Global Nature Fund (GNF)
  • TÜV SÜD Akademie
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Engagement Global gGmbH
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • circulee GmbH