Projekt B

„Best for the World“ – Unternehmer starten durch

Vor zehn Jahren wurde in den USA die gemeinnützige Organisation „B Lab" gegründet, die ein Online Tool zur Wirkungsanalyse von Unternehmen entwickelt und kostenfrei ins Netz gestellt hat. Inzwischen ist hieraus eine weltweite Bewegung für eine menschenfreundliche und gesellschaftsfähige Wirtschaft entstanden. Herzstück ist die Zertifizierung als Benefit Corporation. Am schnellsten wächst die Initiative derzeit in Europa.

Was haben Unternehmen wie die europäische Nachhaltigkeitsbank Triodos, der Wasch- und Reinigungsmittelhersteller Ecover, der Outdoor-Bekleidungshersteller Patagonia oder die Crowdfunding-Plattform Startnext gemeinsam? Sie sind alle Certified B Corporations. Das B steht in diesem Falle für „Benefit". Die Firmen lassen sich daran messen, wie groß der Nutzen ist, den sie für die Gesellschaft stiften. Ihr gemeinsames Ziel: eine Welt, in der Unternehmen weniger darum wetteifern, die besten in der Welt, als vielmehr die besten für die Welt zu sein.

Wirkung und Werte!
Marcello Palazzi, Gründer der europäischen Dachorganisation B Lab Europe Foundation in Amsterdam, kommentiert dies so: „Die meisten Unternehmer haben ein festes Wertegerüst. Mit unseren Tools, der Zertifizierung und dem Netzwerk gleichgesinnter CEOs helfen wir Unternehmern, diese Werte zu leben und für alle Stakeholder sichtbar zu machen. Wir möchten einen Scheinwerfer auf alle Unternehmen lenken, die Gutes für die Gesellschaft, die Umwelt oder die Mitarbeiter bewirken."

Offensichtlich mit Erfolg: Das kostenlose Online Tool B Impact Assessment nutzen heute bereits mehr als 40.000 Unternehmen weltweit. Es referenziert dabei auf alle einschlägigen Metriken und Standards wie der Global Reporting Initiative (GRI), den Impact Reporting and Investment Standards (IRIS) oder dem Global Impact Investing Reporting Standard, der inzwischen mit B Lab fusioniert hat und unter dem Label B Analytics Wirkungsanalysen und Benchmarks für Investoren entwickelt.
 
In das Assessment fließt auch der größte Teil des Budgets von B Lab, das sich zu circa Zweidritteln aus Stiftungsgeldern und einem Drittel aus den Mitgliedsbeiträgen der Certified B Corps speist. Alle zwei Jahre wird das Assessment auf Empfehlung einer unabhängigen Fachkommission und auf Basis der Nutzerrückmeldungen überarbeitet. Ende Januar erst wurde die Version 5 lanciert. Seit Mitte März werden schrittweise eine neue Benutzeroberfläche und Tools eingeführt, die es Unternehmen leichter machen sollen, das Assessment als Management Tool zu nutzen. Auch die Mehrsprachigkeit wird ausgebaut. Heute stehen neben Englisch auch Spanisch und Französisch zur Verfügung. Eine deutsche Übersetzung folgt voraussichtlich 2017, aber bereits heute können alle Fragen auf Deutsch beantwortet und der sich anschließende Review Call auf Deutsch gehalten werden.

Das B Impact Assessment führt die Unternehmen in einer 360-Grad-Rundumschau durch alle Bereiche, in denen Unternehmen Positives für ihre Mitarbeiter, die Gesellschaft oder die Umwelt bewirken können. Unternehmen, die mit ihrem Kerngeschäft soziale oder ökologische Probleme gezielt lösen oder hierfür Mittel generieren, punkten ganz besonders. Wer die Hürde von 80 Punkten schafft, kann sich als Benefit Corporation zertifizieren lassen und das B Corp-Logo nutzen.

Die Community von Certified Benefit Corporations
Das Berliner Startup Soulbottles möchte Menschen dazu verführen, wieder vermehrt Leitungswasser zu trinken. 'Soulbottles will die Welt grüner, schöner und sauberer machen. Foto © soulbottlesDas Online Assessment ist weit mehr als ein Gratisangebot für alle Interessierten, so Andreas Renner, B Lab-Länderpartner für Deutschland.  Es ist das Wirkungszentrum für circa 1.600 Unternehmen weltweit, die sich als Vorreiter einer neuen Wirtschaft verstehen. Sie sind „Certified Benefit Corporations", kurz „B Corps". Hier finden sich als Überzeugungstäter die Unternehmer, die neue, ungewohnte Wege gehen und neue soziale Geschäftsmodelle oder neue Formen der Unternehmensführung ausprobieren. „Es ist unglaublich, was für eine Anziehungskraft das B Corp-Siegel gerade für den Social Enterprise-Sektor hat", so Andreas Renner. „Immer mehr Sozialunternehmen gründeten sich als gewinnorientierte Gesellschaft, etwa als GmbH, und suchten ein weithin sichtbares Signal, um an ihre Kunden, Investoren oder auch (künftigen) Mitarbeiter zu kommunizieren, dass ihre Unternehmen nicht nur Profit, sondern vor allem auch gesellschaftlichen Mehrwert generieren wollen. Da kommt B Corp genau zur richtigen Zeit", so Renner.

Ein gesundes Wachstum
Die Community der Certified B Corps wächst seit zwei bis drei Jahren exponentiell. Das Wirtschaftsmagazin Fast Company hat die B Corp-Bewegung sogar als eine von 20 Wendepunkten der Geschichte der letzten 20 Jahre ausgerufen, welche die Welt positiv verändert haben. Viele der B Corps sind auch wirtschaftlich erfolgreich. So finden sich 25 B Corps auf der Liste der 5.000 weltweit am schnellsten wachsenden Unternehmen.

In Europa ist die B Corp-Bewegung noch jung, aber rasch wachsend. In Deutschland sind derzeit gut 30 B Corps präsent, sei es über ihren Firmensitz oder eine Zweigniederlassung. Die Mehrzahl ist derzeit noch in Berlin, nicht zuletzt aufgrund der starken Sozialunternehmerszene in der Hauptstadt. Europaweit sind es deutlich über 200 Unternehmen, angeführt von Großbritannien und den Niederlanden mit jeweils mehr als 50 Mitgliedsunternehmen, gefolgt von Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Italien und Spanien.

Die von Tino Kreßler und Denis Bartelt gegründete Crowdfunding-Plattform Startnext ist – wie auch Soulbottles – seit Anfang des Jahres eine Certified Benefit Corporation. Foto © StartnextDer Fokus auf die Werteorientierung und damit auf die ganzheitliche Sicht auf ein Unternehmen ist eine Chance, verschiedene Communities zusammenzubringen. Denn gleich, ob wir uns in der CSR-, der Nachhaltigkeits- oder der Social Business-Szene bewegen: Letztlich geht es jeweils um die Stärkung von Werten, um eine Wirtschaft für den Menschen.

B Corp & Gemeinwohlökonomie
B Corp und Gemeinwohlökonomie sind zwei komplementäre Angebote für ambitionierte, werteorientierte Unternehmen. "Wir kämpfen für die gleiche Sache, haben jedoch leicht unterschiedliche Zielgruppen und Angebote", so Andreas Renner. Tendenziell hat die B Corp-Bewegung größeren Zulauf bei Unternehmen, die ihre Peer Groups im internationalen Umfeld sehen oder international expandieren wollen. Auch dürften B Corps noch mehr als eine Bewegung "von Unternehmern für Unternehmer" wahrgenommen werden als die zuweilen eher idealistisch auftretende GWÖ, schätzt Ulf Brandes, Autor des Organisationshandbuchs "Management Y", der sich für beide Initiativen stark macht; "andererseits kommt der Zertifizierungprozess der GWÖ mit seinen 'Peer-to-peer'-Ansätzen der Grundidee dezentraler Selbstorganisation nach wie vor deutlich näher". Zudem hat die Gemeinwohlökonomie immer noch den Vorsprung größerer lokaler Netzwerke und Aktivitäten. Dass es um eine gemeinsame größere Vision geht, sehen auch die Verantwortlichen der beiden Initiativen. "Wir denken bereits über Angebote wie Doppelmitgliedschaften nach", so Marcello Palazzi von B Lab Europe.

Regionale Besonderheiten
Die B Corp-Bewegung ist zwar inzwischen weltumspannend und mit der Gründung von B Lab Europe und ihrer Schwesterstiftung B Lab UK jetzt auch in Europa als eigenständige Organisation aufgestellt. Es gibt aber auffällige regionale Besonderheiten, welche die einzelnen Ländergruppen unterscheiden:
  • In den USA spielt die rechtliche Dimension eine erhebliche Rolle. In vielen Bundesstaaten wäre es dem Management gar nicht möglich, eine B Corp-Firmenphilosophie zu leben ohne zu riskieren, von den eigenen Gesellschaftern wegen Amtsmissbrauchs verklagt zu werden. Für die meisten Europäer eine bizarre Vorstellung, in den USA ist dies jedoch eine reale Bedrohung, allen voran für Unternehmen, die mehrheitlich im Besitz von Private Equity Fonds oder anderen stark renditegetriebenen Investoren sind. Die Dachorganisation B Lab hat sich daher parallel zu ihrem Netzwerk der von B Corp zertifizierten Unternehmen aktiv für einen Gesetzgebungsprozess eingesetzt. Mit Erfolg: Inzwischen gibt es in 31 Bundesstaaten der USA eine eigene Rechtsform der „Benefit Corporation", die dem Management für eine soziale Unternehmensführung den Rücken stärkt.

  • In Lateinamerika hat die B Corp-Bewegung, die unter dem Begriff „Sistema B" fungiert, eine eigene Dynamik entwickelt. Die Sistema B Initiative möchte viel stärker das Thema der Rolle von Unternehmen für die Gestaltung unserer Zukunft in die Gesellschaft tragen. Das führt dann schon mal dazu, dass ein Musikfestival mit mehreren zehntausend Besuchern organisiert wird, wie dem jährlichen Festival de Innovacion Social, auf dem sich Konzerte mit Diskussionsrunden abwechseln.

  • In England fand der offizielle Launch von B Lab UK letzten September statt. Erstaunlich: Bei den ersten 60 B Corp-Unternehmen in England sind etliche Finanz­marktakteure mit an Bord, die signifikant zur Transformation unseres Wirtschaftssystems in Richtung Nachhaltigkeit beitragen möchten: London Social Stock Exchange, Charity Bank, Bridges Ventures, Big Issue Capital oder die von Al Gore und David Blood gegründete milliardenschwere Invest­mentfirma Generation Investment Management.
B Corp und die multinationalen Konzerne
Das Interesse von großen Unternehmen ist eine für B Lab neue und damit noch ungewohnte Entwicklung. Den ersten Schritt machte Paul Polman, Vorstandsvorsitzender von Unilever, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im vergangenen Januar mit der Ansage überraschte, dass er den Konzern so umbauen möchte, dass dieser auch B Corp werden kann. Eine Ankündigung, die gleichermaßen Begeisterung wie Besorgnis auslöste: Denn die B Corp-Bewegung ist im Kern eine Bewegung von Firmengründern oder von Firmen, die sich im weiteren Wachstumsprozess eine besondere Werteorientierung haben halten können. Social Ventures sowie Familienunternehmen sind zahlreich vertreten. Börsennotierte Unternehmen gab es bis letztes Jahr nicht. Mit Natura und ETSY sind inzwischen zwei börsennotierte Unternehmen an Bord. Danone hat im Dezember ein Commitment abgegeben, dass es eine Mitgliedschaft des Konzerns oder ausgewählter Tochterunternehmen ernsthaft prüfen wird.

foto: © patagoniaDie Hürden für Großunternehmen sind allerdings hoch gesteckt. Denn neben der Wirkungsanalyse über das B Impact Assessment gibt es eine zweite Anforderung für die Zertifizierung: die Aufnahme einer Formulierung in den Gesellschaftsvertrag, die sicherstellt, dass die Gesellschafter die B Corp-Vision teilen und das Management ermächtigen, die Belange weiterer Stakeholder in ihr Handeln zu integrieren – eine Anforderung, die für die meisten börsennotierten Unternehmen mit einem Streubesitz der Aktien alles andere als leicht zu schaffen ist.

B Lab arbeitet daher mit Hochdruck an Angeboten für Firmen, welche die ganz hohen Anforderungen nicht schaffen können. Der wahrscheinlich erfolgreichste Pfad läuft dabei über die Politik: Kurz vor Weihnachten hat das Italienische Parlament als erstes in Europa die Rechtsform einer Società Benefit beschlossen, die allen Unternehmen offen steht, die breitere Stakeholder-Interessen berücksichtigen wollen. Eine Zertifizierung auf Basis der Messlatte von 80 B Corp-Punkten ist dabei nicht nötig. Eine Diskussion über die Chancen neuer hybrider Rechtsformen steht in Deutschland bislang noch aus.

Wie kann ich B Corp werden?
Die einzelnen Ländergruppen (Chapter) in Europa werden von Unternehmen geleitet, die selbst Teil der B Corp-Bewegung sind. Für Deutschland ist dies der Impact Investing Think Tank GEXSI in Berlin, für die Schweiz der Zertifizierungsspezialist Codethic in Genf und für Österreich die Nachhaltigkeitsberatung Plenum in Wien. Sie sind die direkten Ansprechpartner für Unternehmen, machen Presse- und Medienarbeit sowie Veranstaltungen und koordinieren die Aktivitäten der Mitglieder. Die Zertifizierung selbst wird, weltweit einheitlich, durch die Dachorganisation B Lab durchgeführt.

Die Mitgliedschaft mit der Nutzung des Certified B Corp-Logos basiert auf einer umsatzabhängigen Jahresgebühr, die mit 500 Euro pro Jahr startet und dann in Stufen bis auf mehrere zehntausend Euro für internationale Konzerne ansteigt. Eine Zertifizierung ist auch für Start-ups möglich, als Pending Certified B Corporation. Die Rezertifizierung steht alle zwei Jahre an.

Weiterführende Informationen geben die offiziellen Webseiten www.bcorporation.net (Welt) beziehungsweise www.bcorporation.eu (Europa). Die Seite www.goodbusiness.news ist das aktuelle Sprachrohr der B Corp-Bewegung für den deutschsprachigen Raum. Das kostenfreie Online Assessment kann über die oben genannten B Corp-Webseiten oder direkt über folgenden Link angesteuert werden: www.bimpactassessment.net

Die Gemeinwohlökonomie präsentiert sich auf den Seiten von www.ecogood.org
 Von Fritz Lietsch

Wirtschaft | Führung & Personal, 24.04.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2016 - Zukunft gestalten erschienen.
     
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