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Songs of the T-Shirt

Eine Theaterperformance über den Konflikt Mode und Nachhaltigkeit

Der erste Teil der forum-Serie „NachhaltigKunst" porträtiert eine Theaterperformance, die keine einfachen Rezepte für die Lösung des Konfliktes Mode und Nachhaltigkeit liefert, aber zum intensiven Nachdenken anregt.

Vorbemerkung: Die Serie „NachhaltigKunst" stellt in jeder Ausgabe einen Künstler, eine Künstlergruppe und/oder ein Kunstwerk vor, welche die Sphären Nachhaltigkeit und Kunst interessant verbinden. Das soll Sie als Leser berühren und für Kunst begeistern. Es darf aber auch als Inspiration für Unternehmen, Institutionen und NGOs dienen, sich mit den Potenzialen von Kunst für die Nachhaltigkeitskommunikation auseinanderzusetzen.

Lisa Stepf, Lea Whitcher und Sonata erzeugen eindrückliche Bilder und verwirrende Gefühle rund um das Thema Mode. Foto: ©Flinntheater, Alex Barta„Du trägst ein T-Shirt auf deiner nackten Haut. Es ist ‚Made in Bangladesh‘. Seit das Rana Plaza Gebäude in Dhaka 2013 eingestürzt ist und über 1000 Textilarbeiter/innen starben, plagt dich ein diffus schlechtes Gewissen. 32 Paar Hände sind es, die dein T-Shirt anfassen, bis es fertig ist. Shilpi kann sich durch die Arbeit an der Nähmaschine bald ihre eigene Hochzeit finanzieren, hat aber vom Einatmen der Fusseln Tuberkulose. Obwohl Naila zur Aufseherin befördert wurde, hat sie gerade gekündigt. Ein Star-Ökonom sieht im hochwertigen Textil-Export die Zukunft für ein stolzes und selbstständiges Bangladesch. Eine Fabrikbesitzerin versteht die Arbeit an der Nähmaschine als Quelle von Unabhängigkeit und Würde der Frauen."

Sklavinnen der Mode
So beschreibt das 1992 in Kassel gegründete Flinntheater in der Pressemitteilung das Gefühlsbad, welches die Zuschauer des collagenartigen Theaterstückes „Songs of the T-Shirt" erleben. Die drei Schauspielerinnen Lisa Stepf, Lea Whitcher und Sonata unter der Regie von Sophia Stepf bieten keine wohlklingenden Rezepte zur Lösung der Nachhaltigkeitsproblematik in einer globalisierten Modeindustrie, die von Fast-Fashion-Konzernen wie Primark, H&M und Zara dominiert wird, an, sondern lassen den Zuschauer die Komplexität der Problemstellung intensiv erleben. Kaum hat sich der Zuschauer eine eigene Lösung zurechtgelegt, da wird diese Option auch schon wieder zerstört. Sind die Arbeiterinnen in Bangladesch nur ausgenutzte Sklavinnen oder trägt die Bekleidungsindustrie zum Glück des Landes bei? Sollen wir auf fair produzierte und hippe Designermode aus Berlin-Neukölln umsteigen und Mode aus Bangladesch boykottieren? Helfen strengere Richtlinien und Gesetze oder wird der Markt das schon richten?

Zahlen Sie wirklich fair?
Wer ist bereit, wirklich fair zu bezahlen? Der Verkauf von T-Shirts ist Teil der Theaterperformance. Foto: ©Flinntheater, Alex BartaDie kleine, aber grandiose und eindrückliche Produktion basiert auf einer rund einjährigen Recherche mit Interviews unter anderem von Journalisten, NGOs und Designern von Upcycling-Mode sowie einem 14-tägigen Dhaka-Besuch der drei Performerinnen. Das von den drei Schauspielerinnen getragene Stück bietet den Zuschauern nur wenig Kulisse und sparsame Requisiten an, aber es erzeugt starke Bilder in den Köpfen der Zuschauer. Und diese Kopfbilder sind deutlich stärker und langfristig wirksamer als einfach konsumier­bare und eindeutige Häppchen. Das macht anspruchsvolles Theater aus und passt auch besser zu der aufgeworfenen Problemstellung. „Songs of the T-Shirt" gipfelt im Verkauf von fair hergestellten T-Shirts entweder zu „Dumpingpreisen" (5 € bei Einstandspreisen von rund 17 €), zu fairen oder zu hohen Preisen (60 €) an die Zuschauer der Vorstellung. Da zeigt sich dann, ob der Zuschauer als Käufer nur theoretisch über Konsum und Ethik nachdenkt und gerne Sonntagsreden schwingt oder auch entsprechend handelt. Bislang wurden in den knapp 20 Aufführungen rund 270 T-Shirts verkauft. Keine der aufgeworfenen Fragen wird in der Performance von den Schauspielerinnen beantwortet, keine fertige Lösung angeboten.

Das sich immer wieder verändernde Stück mit Improvisationsmomenten feierte am 21. Mai 2015 in den Sophiensälen in Berlin Premiere. Mittlerweile wurde es auch in Kassel, Bern und Aarau gezeigt. Die nächste Möglichkeit, die sehenswerte und im besten Sinne nachhaltig wirkende Performance live zu erleben, findet am 26.2. und 27.2.2016 im Rahmen der Ausstellung „Fast Fashion" – noch ein Tipp zum Thema nachhaltige Mode – statt, die vom 5.12.2015 bis 3.6.2015 im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden gezeigt wird. „Songs of the T-Shirt" wird, wie auch andere Produktionen des Flinntheaters, auch für Jugendliche ab 15 Jahren gezeigt.

Background & Links:

Prof. Dr. Carsten Baumgarth,
Professor für Marketing, insbesondere Markenführung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin beschäftigt sich seit Jahren mit Marketing, Marke und Nachhaltigkeit sowie den Verknüpfungen zur Kunst. www.cbaumgarth.net; www.arts-push-business.de

Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 01.01.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2016 - Herausforderung Migration und Integration erschienen.
     
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