Songs of the T-Shirt
Eine Theaterperformance über den Konflikt Mode und Nachhaltigkeit
Vorbemerkung: Die Serie „NachhaltigKunst" stellt in jeder Ausgabe einen Künstler, eine Künstlergruppe und/oder ein Kunstwerk vor, welche die Sphären Nachhaltigkeit und Kunst interessant verbinden. Das soll Sie als Leser berühren und für Kunst begeistern. Es darf aber auch als Inspiration für Unternehmen, Institutionen und NGOs dienen, sich mit den Potenzialen von Kunst für die Nachhaltigkeitskommunikation auseinanderzusetzen.
„Du trägst ein T-Shirt auf deiner nackten
Haut. Es ist ‚Made in Bangladesh‘. Seit das Rana Plaza Gebäude in Dhaka
2013 eingestürzt ist und über 1000 Textilarbeiter/innen starben, plagt
dich ein diffus schlechtes Gewissen. 32 Paar Hände sind es, die dein
T-Shirt anfassen, bis es fertig ist. Shilpi kann sich durch die Arbeit
an der Nähmaschine bald ihre eigene Hochzeit finanzieren, hat aber vom
Einatmen der Fusseln Tuberkulose. Obwohl Naila zur Aufseherin befördert
wurde, hat sie gerade gekündigt. Ein Star-Ökonom sieht im hochwertigen
Textil-Export die Zukunft für ein stolzes und selbstständiges
Bangladesch. Eine Fabrikbesitzerin versteht die Arbeit an der
Nähmaschine als Quelle von Unabhängigkeit und Würde der Frauen."
Sklavinnen der Mode
So beschreibt das 1992 in Kassel gegründete
Flinntheater in der Pressemitteilung das Gefühlsbad, welches die
Zuschauer des collagenartigen Theaterstückes „Songs of the T-Shirt"
erleben. Die drei Schauspielerinnen Lisa Stepf, Lea Whitcher und Sonata
unter der Regie von Sophia Stepf bieten keine wohlklingenden Rezepte zur
Lösung der Nachhaltigkeitsproblematik in einer globalisierten
Modeindustrie, die von Fast-Fashion-Konzernen wie Primark, H&M und
Zara dominiert wird, an, sondern lassen den Zuschauer die Komplexität
der Problemstellung intensiv erleben. Kaum hat sich der Zuschauer eine
eigene Lösung zurechtgelegt, da wird diese Option auch schon wieder
zerstört. Sind die Arbeiterinnen in Bangladesch nur ausgenutzte
Sklavinnen oder trägt die Bekleidungsindustrie zum Glück des Landes bei?
Sollen wir auf fair produzierte und hippe Designermode aus
Berlin-Neukölln umsteigen und Mode aus Bangladesch boykottieren? Helfen
strengere Richtlinien und Gesetze oder wird der Markt das schon richten?
Zahlen Sie wirklich fair?
Die kleine, aber grandiose und eindrückliche
Produktion basiert auf einer rund einjährigen Recherche mit Interviews
unter anderem von Journalisten, NGOs und Designern von Upcycling-Mode
sowie einem 14-tägigen Dhaka-Besuch der drei Performerinnen. Das von den
drei Schauspielerinnen getragene Stück bietet den Zuschauern nur wenig
Kulisse und sparsame Requisiten an, aber es erzeugt starke Bilder in den
Köpfen der Zuschauer. Und diese Kopfbilder sind deutlich stärker und
langfristig wirksamer als einfach konsumierbare und eindeutige
Häppchen. Das macht anspruchsvolles Theater aus und passt auch besser zu
der aufgeworfenen Problemstellung. „Songs of the T-Shirt" gipfelt im
Verkauf von fair hergestellten T-Shirts entweder zu „Dumpingpreisen" (5 €
bei Einstandspreisen von rund 17 €), zu fairen oder zu hohen Preisen
(60 €) an die Zuschauer der Vorstellung. Da zeigt sich dann, ob der
Zuschauer als Käufer nur theoretisch über Konsum und Ethik nachdenkt und
gerne Sonntagsreden schwingt oder auch entsprechend handelt. Bislang
wurden in den knapp 20 Aufführungen rund 270 T-Shirts verkauft. Keine
der aufgeworfenen Fragen wird in der Performance von den
Schauspielerinnen beantwortet, keine fertige Lösung angeboten.
Das sich immer wieder verändernde Stück mit Improvisationsmomenten feierte am 21. Mai 2015 in den Sophiensälen in Berlin Premiere. Mittlerweile wurde es auch in Kassel, Bern und Aarau gezeigt. Die nächste Möglichkeit, die sehenswerte und im besten Sinne nachhaltig wirkende Performance live zu erleben, findet am 26.2. und 27.2.2016 im Rahmen der Ausstellung „Fast Fashion" – noch ein Tipp zum Thema nachhaltige Mode – statt, die vom 5.12.2015 bis 3.6.2015 im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden gezeigt wird. „Songs of the T-Shirt" wird, wie auch andere Produktionen des Flinntheaters, auch für Jugendliche ab 15 Jahren gezeigt.
Background & Links:
- Deutsches Hygiene-Museum Dresden: www.dhdm.de
- Flinntheater: www.flinntheater.com
- fair hergestellte T-Shirts: www.aluc.eu; www.oporajeo.com
Professor für Marketing, insbesondere Markenführung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin beschäftigt sich seit Jahren mit Marketing, Marke und Nachhaltigkeit sowie den Verknüpfungen zur Kunst. www.cbaumgarth.net; www.arts-push-business.de
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2016 - Herausforderung Migration und Integration erschienen.
Weitere Artikel von Carsten Baumgarth:
Der Plastikmaler aus Südafrika
Plastikabfälle sind hässlich, verschandeln unsere Umwelt und gefährden die Weltmeere. Aber sie können auch eine politische, ökologische und ästhetische Funktion übernehmen. Der südafrikanische Künstler Mbongeni Buthelezi verwandelt die Abfälle einfach in großformatige und aussagekräftige „Gemälde".
NachhaltigKunst in Berlin
Die zunehmende Elektrisierung der Haushalte und die vollständige Digitalisierung unseres Lebens führen zu immer mehr kaputten Elektrik- und Elektronikprodukten. Diese kann man entweder reparieren oder auch zu Kunst verwandeln. Und genau diese zwei Lösungswege realisiert der türkischstämmige Künstler und Betreiber eines Reparaturladens in Berlin-Neukölln Muharrem Batman.
Der Cola-Dosen-Künstler
Coca-Cola ist eine Markenikone, die wie kaum eine andere Marke für Globalisierung und moderne Konsummuster steht. Der in Russland geborene Künstler Andrei Krioukov nutzt diese Markenikone als Stellvertreter in seinen überwiegend großformatigen Ölbildern, um unsere Welt zu beschreiben.
Collagen aus Müll
Mit rund 213 kg Verpackungsmüll pro Kopf ist Deutschland trauriger Europameister in der Müllproduktion. Auch die USA sind in diesem Bereich „führend“. Diese zunehmende Masse an Verpackungsmüll war für den US-amerikanischen Künstler Michael Albert der Startpunkt für seine Collagen-Kunst. Er verwandelt Verpackungsmüll durch Reduktion und Neuanordnung in witzige, bedeutungsvolle und interessante Kunstwerke.
forum zeigt, welche Inspiration nachhaltige Marken aus der Kunst ziehen können
Nachhaltigkeitsbasierte Marken können von
Kunst in dreifacher Form profitieren: als Seismograph, als Inspiration und in der direkten Zusammenarbeit.
forum future economy
forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.
- Mit diesem Schritt markiert der Verlag bewusst eine Zeitenwende – hin zu einer Wirtschaft, die Zukunft schafft, statt nur Probleme zu verwalten.
Kaufen...
Abonnieren...
DEZ
2025
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht
Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
LOHAS & Ethischer Konsum
"Du sollst konsumieren!"Für Christoph Quarch ist der Black Friday ein schwarzer Tag
Jetzt auf forum:
The GREEN MONARCH Awards 2025 Verleihung in Berlin
forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy
future economy: Regeneration als neue Fortschrittserzählung
Für Hobby- und professionellen Gartenbau: Label kennzeichnet nachhaltige Substratherstellung
"Was heute vermieden wird, muss später unter massivem Zeit- und Kostendruck nachgeholt werden."















