Lässt sich KI politisch einfangen?

Christoph Quarch ruft zum zeitnahen "Human Action Summit" auf

Europa hat sich einiges vorgenommen: 200 Milliarden Euro will die EU gemeinsam mit privaten Geldgebern locker machen, um bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz Schritt zu halten. So verkündete es Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Ende des AI Action Summit in Paris, der in dieser Woche zu Ende gegangen ist. Dabei ging es aber nicht nur um milliardenschwere Investitionen. Die 60 Teilnehmerstaaten bekundeten am Ende ihrem gemeinsamen Willen, den Zugang zu KI-Technologien für alle zu verbessern, eine offene, ethische und sichere KI zu fördern, faire Marktbedingungen zu gewährleisten und eine umweltfreundliche KI zu entwickeln. Nur Großbritannien und die USA haben nicht unterschrieben und warnten stattdessen davor, die KI-Entwicklung zu regulieren. Was soll der normale Bürger davon halten? Lässt sich KI überhaupt politisch einfangen? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.

© kalhh, pixabay.com 
Herr Quarch, sind wir gesellschaftlich und kulturell überhaupt darauf vorbereitet, mit der Entwicklung der KI Schritt zu halten?
Ein klares Nein. Wir sind es nicht. Weder können wir uns vorstellen, wohin die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz und anderer Zukunftstechnologien führen wird, noch verstehen wir die hinter dieser Entwicklung stehenden ökonomischen und politischen Dynamiken. Von daher ist es eine wirklich sehr gute Nachricht, dass Europa sich in der KI-Entwicklung nicht abhängen lassen möchte und darauf drängt, soziale, ökologische oder besser noch humane Leitplanken zu errichten. Gerade jetzt, da die Amerikaner unter Trump und Musk jede Regulierung abschaffen wollen. Wenn deren Beispiel Schule macht, müssen wir uns um den Fortbestand der Menschheit echte Sorgen machen.

Wieso das? Grundsätzlich bietet KI doch ein enormes Spektrum an sinnvollen und segensreichen Nutzungsmöglichkeiten: von der Medizintechnik über effizientere Industrien bis hin zur Unterstützung jedes einzelnen Menschen bei kreativen Prozessen.
Ja, aber KI bietet auch unendliche viele Möglichkeiten des Missbrauchs: von Deep-Fake-Videos über Waffentechnologie und Sozialkontrolle bis zur Massenmanipulation. Die Mächtigen dieser Welt wissen das genau. Vladimir Putin hat schon vor zehn Jahren gesagt: Wer bei der KI ganz vorne ist, wird die Weltherrschaft antreten. Von daher ist es kein Wunder, dass Trump jetzt jede Regulierung von KI aufgehoben hat. Aber das ist nicht nur geopolitisch gefährlich, sondern es betrifft uns Menschen in einer existenziellen Dimension. Denn die Dynamik der KI verfolgt die Tendenz, den Menschen überflüssig zu machen. KI läuft nicht nur Gefahr, uns die Jobs zu nehmen, sondern auch unsere Sinnhorizonte zu verwischen. Da sehe ich die größte Gefahr: dass wir im KI-Zeitalter unsere Menschlichkeit, Lebendigkeit und Freiheit einbüßen.

Aber können wir es uns überhaupt leisten, solche Bedenken zu tragen? Die Entwicklung in den USA und in China werden wir dadurch nicht aufhalten. Sind wir nicht dazu verdammt mitzuziehen?
Ja, das sind wir. Zumindest dann, wenn wir uns in Zukunftstechnologien nicht von zweifelhaften ausländischen Mächten abhängig machen wollen. Eben deshalb hat es ja jetzt diesen AI Action Summit gegeben; und eben deshalb begrüße ich, dass von dort ein klares Aufbruchsignal nach Europa ausgegangen ist. Nur denke ich, dass wir uns nicht ausschließlich darauf konzentrieren sollten, technologisch Schritt zu halten. Noch wichtiger ist, dass wir parallel dazu an einem menschlichen Betriebssystem arbeiten, das uns kulturell und gesellschaftlich in die Lage versetzt, auf die Entwicklung der KI so zu antworten, dass sie uns nicht überflüssig macht, sondern vielmehr unterstützt.

Wie soll das gehen? Sollten wir der KI ethische Algorithmen implementieren oder sie darin trainieren, unseren ethischen Ansprüchen zu genügen?
Das könnte ein Weg sein, ist mir am Ende aber doch zu technisch. Ich glaube, wichtiger noch als die KI zu ändern und auf bestimmte Weise zu programmieren, wird es sein, dass wir Menschen uns wandeln und irgendwie klar bekommen, worum es uns wirklich geht und was unserem Leben Sinn gibt. Solange wir auf diese Fragen keine Antworten haben, werden wir uns früher oder später dem Diktat der Künstlichen Intelligenz unterwerfen und von ihr die Denkweise derer aufzwingen lassen, die sie programmiert haben. Wenn wir das verhindern wollen – und das müssen wir –, brauchen wir einen neuen Humanismus: die Vision eines wirklich menschlichen Lebens, die uns die Kriterien dafür liefert, wie und wofür wir die KI verwenden wollen. Zu dieser Frage wünsche ich mir zeitnah einen Human Action Summit.
 
Der Philosoph Christoph Quarch schreibt regelmäßig für forum Nachhaltig Wirtschaften. © Christoph Quarch

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
 
 
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org

Technik | Digitalisierung, 10.02.2025

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Der Wert der Böden

forum 03/2025

  • Zukunftsfähig essen
  • Klima-Transitionsplan
  • Wasser in der Krise
  • Omnibus
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
25
JUN
2025
EUROBIKE 2025
Hello Future. Shaping Active Mobility.
60327 Frankfurt am Main
25
JUN
2025
FutureCamp Akademie
Update und Umsetzung EUDR
Webinar
26
JUN
2025
Von Lessons Learned zur Best Practice: ESG bei VAUDE
Holistische ESG-Transformation - Deep Dive bei Pionieren
Online-Event
07
JUL
2025
Grüner Wirtschaftstag 2025
Menschen, Ideen, Tatkraft
10117 Berlin
Alle Veranstaltungen...

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Digitalisierung

Allwissenheit, Allmacht und Unsterblichkeit - wird KI zum Gott-Ersatz?
Christoph Quarch überlegt, was wir dem Kult um die KI entgegensetzen können
B.A.U.M. Insights
Lassen Sie sich begeistern von einem Buch, das Hoffnung macht.

Jetzt auf forum:

DFGE Webinare & Trainings

Sondervermögen: Klimaschutz als gemeinsamer Nenner aller Investitionen

Green IT beim DRK Freiburg

Sondervermögen muss Klimaschutz und soziale Einrichtungen stärken

Zu wenig Klarheit fürs Klima, zu viel Spielraum für fossile Investitionen

Lösungen, die den Alltag einfacher und nachhaltiger machen

Ein historisches Drama mit zeitloser Relevanz

Kommission kapituliert beim Greenwashing

  • NOW Partners Foundation
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • toom Baumarkt GmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • Engagement Global gGmbH
  • Kärnten Standortmarketing
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • circulee GmbH
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • Global Nature Fund (GNF)
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen