Christoph Quarch
Umwelt | Klima, 12.11.2025

Wenn Klimaschutz nur der Ökonomie schadet...

Christoph Quarchs Überlegungen zur Generationengerechtigkeit

In Belém tagt seit Montag die Weltklimakonferenz COP30. Bei ihren Eröffnungsreden waren sich alle Sprecher einig: Unternimmt die Weltgemeinschaft nicht mehr als bisher gegen den Klimawandel, gerät unser Überleben auf diesem Planeten immer mehr in Gefahr. Ob die angereisten Vertreter und Repräsentanten aus über 190 Ländern zu konstruktiven Ergebnissen kommen, ist allerdings fraglich. Mit den USA, China und Indien sind drei der größten CO2-Emittenten nicht anwesend. Derweil wird hierzulande der Klimaschutz zunehmend den mutmaßlichen Interessen der Wirtschaft untergeordnet. Aber kann man wirklich das eine gegen das andere ausspielen? Ist es moralisch vertretbar, den heutigen Wohlstand höher zu gewichten als die Bewahrung von Klima und Umwelt? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.

Die Weltklimakonferenz findet in diesem Jahr am Rande des Amazonas statt. © jusuf111, pixabay.comHerr Quarch, welche Verantwortung haben die heute politisch Verantwortlichen gegenüber zukünftigen Generationen?
Sie stehen in der vollen Verantwortung und werden sich daran messen lassen müssen, ob und wie sie dafür gesorgt haben, dass künftige Generationen menschenwürdig auf Erden leben können. Man nennt das Generationengerechtigkeit - eine Tugend, die zunehmend in Vergessenheit gerät. Nicht nur in den USA, wo Donald Trump eine "Nach-mir-die-Sintflut-Politik" betreibt, sondern auch in Deutschland, wo sich Unions-Politiker darin gefallen, den Green-Deal der EU zu torpedieren oder die Energiewende aufzuhalten; und das mit der Begründung, Klimaschutz schade der Ökonomie. Dabei ist seit den Tagen von Carl von Carlowitz, der Ende des 17. Jahrhundert in der Sächsischen Forstwirtschaft das Nachhaltigkeitsprinzip einführte, bekannt, dass es ökonomisch dumm ist, an dem Ast zu sägen, auf dem man sitzt. Genau das aber tut, wer den Klimaschutz seinen kurzfristigen ökonomischen Interessen unterordnet.
 
Man muss sich Klimaschutz aber auch leisten können. Ist es nicht ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit, wenn man sich dafür stark macht, dass erstmal die Wirtschaft wieder in die Gänge kommt?
Im Prinzip ja, aber de facto dient dieses Argument allzu oft dazu, es sich in der Gegenwart auf Kosten der Zukunft bequem zu machen. Das geschieht immer dann, wenn es dafür genutzt wird, die eigenen Interessen hier und heute durchzusetzen. Das heißt: Man dient seinem eigenen Vorteil und redet sich ein, dass zukünftige Generationen davon profitieren werden. Aber dieses Verhalten ist töricht und eigentlich auch unwürdig. Denn uns Menschen zeichnet es aus, über den Tag hinausblicken und unseren Horizont auf künftige Generationen ausweiten zu können. Anders als die Tiere verfügen wir über Zukunft, und es liegt in unserer Verantwortung, unsere Gegenwart von der möglichen Zukunft her zu denken, d.h. zu fragen: Was brauchen die Künftigen von uns heute, damit es ihnen morgen gut geht.
 
Ist es aber nicht verständlich, dass die Menschen, denen es heute nicht gut geht, erst einmal auf eine Verbesserung ihrer Lage drängen, bevor sie sich um zukünftige Generationen kümmern.
Verstehen kann man vieles, aber moralisch ist es nicht in Ordnung. Denn eine solche Haltung widerspricht der Realität. Sie verkennt, dass wir Menschen nie allein sind, sondern immer Teil eines größeren Ganzen, dem sich unsere Existenz verdankt und für das wir in der Verantwortung stehen: der Natur, der Gesellschaft, der Familie - um ein paar Beispiele zu nennen. Und ebenso verkennt sie die Tatsache, dass wir Menschen aufgrund unserer Fähigkeit, Zukunft zu antizipieren - die wir uns ansonsten gerne zunutze machen - nicht nur für das Heute in der Verantwortung stehen, sondern auch für die Menschen von Morgen. Frühere Kulturen wussten das. Noch unsere Großeltern lebten in der Haltung: Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir. Heute denken die meisten: Ich habe mir meinen Wohlstand verdient. Sollen die Jungen doch sehen, wo sie bleiben.
 
Meinen Sie, wir würden uns mehr um Klimaschutz kümmern, wenn es nicht die Senioren, sondern die Jungen wären, die bei uns die Wahlen entscheiden?
Ich bin mir da nicht sicher. Auch in der jungen Generation ist die "Nach-mir-die-Sintflut"-Mentalität verbreitet. Die große Zeit von Fridays-for-Future scheint vorbei. Diejenigen, denen Klimaschutz und Energiewende ein Gräuel sind, haben ganze Arbeit geleistet. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir unversehens in einen Krieg gegen die Natur geraten sind - als ob die Menschheit endgültig René Descartes These umsetzen wolle, dass der Mensch zum "Herrn und Meister über die Natur" berufen sei. Ob KI oder Verbrennungsmotoren - wir entfernen uns immer mehr von unseren natürlichen Grundlagen und verleugnen sogar die Natur in uns. Aber das ist eine Sackgasse. Am Ende wird die Natur obsiegen. Die unnötigen Opfer, die wir bis dahin unserer Ignoranz bringen, sind unsere Kinder und Kindeskinder.

Der Philosoph Christoph Quarch schreibt regelmäßig für forum Nachhaltig Wirtschaften. © Christoph Quarch

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
 
 
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org


Weitere Artikel von Christoph Quarch:

Großzügigkeit und Wohlwollen
Christoph Quarch wünscht sich einen Relaunch des Nikolaus-Festes
Alle Jahre wieder... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der Nikolaus. Am 6. Dezember ist es wieder so weit. Vielerorts finden die Kinder dann in ihren eigens vor der Tür deponierten Schuhen kleine Geschenke, und in den Kitas und Kindergärten tummeln sich zumeist rot kostümierte, bärtige Gestalten, die den Kids kleine Präsente überreichen. Was es ursprünglich mit dem Nikolausfest auf sich hat, wissen allerdings nur noch die wenigsten.


"Du sollst konsumieren!"
Für Christoph Quarch ist der Black Friday ein schwarzer Tag
Wenn der Dezember naht, beginnt die schwarze Zeit. Nein, nicht von den trüben ersten Wintertage ist die Rede, sondern von der Black Week, der Woche vor dem Black Friday, in der all überall die Preise purzeln und die Konsumenten darauf hoffen, rechtzeitig vor Weihnachten noch das eine oder andere Schnäppchen zu ergattern.


Selbstgewählte Einsamkeit
Christoph Quarch analysiert den Trend und empfiehlt, Komfortzonen zu verlassen
In dieser Woche sprechen wir über das Thema Einsamkeit. Ein Aspekt, der dabei noch nicht so viel Beachtung gefunden hat, ist die selbstgewählte Einsamkeit bzw. das selbstgewählte Allein-Sein. Und das liegt im Trend: Jüngsten Erhebungen zufolge legen vor allem ältere Frauen immer weniger Wert auf ein Leben zu zweit.


Die Wahrheit in der Politik
Christoph Quarch betrachtet die aktuellen Realitätsverweigerungen mit Sorge
Der Außenminister war sichtlich geschockt. Unter dem Eindruck eines völlig zerstörten Vororts der syrischen Hauptstadt Damaskus, sagte Johann Wadephul, eine kurzfristige Rückkehr dorthin sei nicht möglich. Kaum waren seine Worte verklungen, brach ein Sturm der Entrüstung los - vor allem bei Wadephuls Parteifreunden in CDU und CSU.


Wohlstandsverlust - und die Angst vor Veränderung
Christoph Quarch stellt die Frage, welche Art von Wohlstand wir wirklich brauchen
Düstere Prognosen machen in diesen Tagen die Runde: Die deutsche Wirtschaft ist im Niedergang, unser Wohlstand ist in Gefahr - so die Hiobsbotschaften von Wirtschaftsforschungsinstituten und Politikern. Die Medienresonanz ist groß. Wer vor Wohlstandsverlust warnt, darf damit rechnen, Gehör zu finden.




     
        
Cover des aktuellen Hefts

forum future economy

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.

  • Mit diesem Schritt markiert der Verlag bewusst eine Zeitenwende – hin zu einer Wirtschaft, die Zukunft schafft, statt nur Probleme zu verwalten.
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
08
DEZ
2025
Seeds of Hope
Lichtblicke am Jahresende
80336 München
09
DEZ
2025
Club of Rome Salon: Building the City of the Future (in English)
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Alle Veranstaltungen...
Anzeige

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Sport & Freizeit, Reisen

Es ist Volksfest-Zeit
Christoph Quarch erklärt, warum sich Volksfeste hierzulande trotz Inflation und steigender Preise großer Popularität erfreuen
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

Ökologische Stromproduktion aus Fließgewässern

Ab 14.12.2025 gilt der neue Fahrplan der Deutschen Bahn für 2026

EMAS-Validierung für ein transparentes, europäisches Umweltmanagement der LaSelva Bio-Feinkost Unternehmensgruppe

Schulen stärken Bildung für nachhaltige Entwicklung

Seit 15 Jahren: faire und umweltbewusste Beschaffung mit dem Kompass Nachhaltigkeit

Blue Green FUTUREventura

Nachhaltigkeit in der Cloud

The GREEN MONARCH Awards 2025 Verleihung in Berlin

  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • Global Nature Fund (GNF)
  • circulee GmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • toom Baumarkt GmbH
  • Engagement Global gGmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • TÜV SÜD Akademie
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • NOW Partners Foundation
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen