Christoph Quarch
Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 24.11.2025
"Du sollst konsumieren!"
Für Christoph Quarch ist der Black Friday ein schwarzer Tag
Wenn der Dezember naht, beginnt die schwarze Zeit. Nein, nicht von den trüben ersten Wintertage ist die Rede, sondern von der Black Week, der Woche vor dem Black Friday, in der all überall die Preise purzeln und die Konsumenten darauf hoffen, rechtzeitig vor Weihnachten noch das eine oder andere Schnäppchen zu ergattern. Ursprünglich war in den USA der Black Friday eine Offerte an Eltern, die den freien Tag nach Thanksgiving dafür nutzten, sich mit Weihnachtsgeschenken für die Familie einzudecken. Mit der Zeit ist dann aus dem einen Tag eine ganze Woche geworden, auf die Konsumenten und Einzelhändler gleichermaßen hin fiebern. Wie erklärt sich dieser Erfolg des Black Friday? Und was verrät er über unsere Gesellschaft? Das sind Fragen für den Philosophen und Bestseller-Autor Christoph Quarch.
Herr Quarch, gehen auch Philosophen in der Black Week auf Schnäppchenjagd?
Ausschließen will ich das nicht, denn auch Philosophen sind Kinder ihrer Zeit. Was Ihren aktuellen Gesprächspartner angeht, kann ich jedoch versichern, dass er von so profanen Angelegenheiten Abstand nimmt. Und zwar vor allem deshalb, weil ich ein gewisses Unbehagen gegenüber dem Black Friday nicht leugnen kann. Mir geht es hier wie Goethes Tasso: "Man spürt die Absicht und man ist verstimmt". Zu offensichtlich ist, dass es an Black Friday ausschließlich ums Geschäft geht. Vielleicht auch wegen der Nähe zu Weihnachten kommt er mir vor wie der höchste Feiertag der Pseudo-Religion des Konsumismus. Damit meine ich ein Mindset, das uns Menschen Glück und Erfüllung durch Konsum in Aussicht stellt und uns zugleich einen kategorischen Imperativ vorschreibt, der da lautet: "Du sollst konsumieren!"
Sie wollen unseren Hörerinnen und Hörern doch nicht etwa die Shopping-Laune verderben? Es ist doch nichts falsch daran, auf den Black Friday zu warten und Sonderangebote abzugreifen - vor allem, wenn es um Dinge geht, die man sich sonst gar nicht leisten könnte.
Klar, mein Unbehagen richtet sich ja auch nicht gegen die Käufer, sondern gegen den Tag als solchen. Und das heißt auch nicht, dass ich ihn abschaffen würde, wenn ich könnte. Es ist gut, dass es ihn gibt, denn er verrät viel über die Welt, in der wir leben – vor allem über uns selbst und unsere Sehnsüchte. Denn es scheint, dass das Gros der Menschen überhaupt kein Problem damit hat, den Imperativ "Du sollst konsumieren!" zu befolgen und tatsächlich daran glaubt, durch den Konsum bestimmter Güter glücklich zu werden. Ja, mehr noch, mir scheint, dass die meisten Zeitgenossen auch gar kein Problem damit haben, sich selbst als Konsument zu sehen bzw. sich gemeint zu fühlen, wenn von "den Konsumenten" die Rede ist. Dabei ist das bei Lichte besehen keine schöne Bezeichnung. Konsument heißt "Verbraucher", und ich fühle mich offen gestanden in meiner Würde als Mensch verletzt, wenn ich von Ökonomen und Marktstrategen lediglich als "Verbraucher" wahrgenommen werde.
Könnte das mit Ihrer persönlichen Eitelkeit zu tun haben?
Ich glaube nicht. Mich beunruhigt einfach, dass der ökomische Mindset uns Menschen darauf reduziert, Verbraucher zu sein - und dass uns diese Rolle von der Wirtschaft nachgerade aufgezwungen wird. Ich frage mich, was für ein Wirtschaftssystem das ist, von dem dieser - gerade an Black Friday so sichtbare - Zwang zum Konsum bzw. zum Verbrauchen ausgeht. Vor allem, weil der Verbrauch, von dem hier die Rede ist, meistens nicht nachhaltig ist, sondern in einer Welt, in der die meisten Güter ohnehin im Überfluss vorhanden sind, immer mehr Müll produziert. Wenn ich erfahre, dass die jährlich nicht verkaufte Überproduktion von Kleidung ausreicht, um 40 Prozent der Weltbevölkerung einzukleiden, wird mir klar, dass unsere Konsumlust nicht nur falsche Glückserwartungen weckt, sondern auch einen enormen ökologischen Schaden hinterlässt.
Sie sagen "falsche Glückserwartungen". Aber wenn ich am Black Friday für meine Kinder die so sehnlich gewünschten Spielsachen erwerbe, kann das doch durchaus zu echten Glücksgefühlen führen.
Bei Kindern mag das funktionieren, aber bei Erwachsenen eher nicht. Konsumieren heißt ja nicht nur "verbrauchen", sondern auch eine bestimmte, uninteressierte Haltung anzunehmen. Da alle Güter "verbraucht" werden sollen, bindet man sich gar nicht erst an sie. Als Konsumgüter haben sie keinen emotionalen Wert und können jederzeit durch ein vergleichbares Stück ersetzt werden. Bei Geschenken ist das noch anders. Durch den Akt des Schenkens werden Objekte emotional aufgeladen. Sie sind dann keine bloßen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände und man tut sich schwer damit, sie wegzuschmeißen. Bevor wir allesamt zu Konsumenten wurden, hatten die Dinge noch einen höheren Wert - und oft auch eine höhere Wertigkeit. Dass all das auf dem Altar des Konsums geopfert wurde, stimmt mich traurig. Und deshalb ist der Black Friday in meinen Augen tatsächlich ein schwarzer Tag.

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
Aktuelle Bücher von ihm sind „Wacher Geist und fester Schritt. The Donkey School for Leadership" (2024), „Schönheit rettet die Welt” (2024) und "Der Club der alten Weisen" (2023).
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org
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