Im Garten des Geistes - Die Neue Platonische Akademie

Interview mit dem Philosophen Christoph Quarch

Mit der Neuen Platonischen Akademie möchte der Philosoph Christoph Quarch zusammen mit engagierten Mitstreitern die Begeisterung für ein neues Denken in Europa wecken. Fritz Lietsch sprach mit dem engagierten Philosophen. Wie kommt der Wandel in die Welt? Was muss geschehen, damit sich wirklich etwas ändert? Wie kann es gelingen, doch noch das Ruder herumzureißen und die Menschheit davon abzuhalten, auf den Abgrund zuzutreiben? Viele Menschen stellen sich in diesen Tagen solche Fragen. Manche sogar von Berufs wegen. Philosophen zum Beispiel. Einer von ihnen ist Christoph Quarch. Das Besondere an ihm: Er ist kein Universitätsprofessor. Seiner philosophischen Profession geht er als selbstständiger Unternehmer nach, berät Firmen im In- und Ausland, veranstaltet philosophische Reisen und unterrichtet an verschiedenen Hochschulen angehende Betriebswirte, Mediziner und Sozialarbeiter. Doch die eine Frage, die ihn wirklich umtreibt, lautet: Was muss geschehen, damit das Blatt der Menschheit sich zum Guten wendet?

"Es gibt so viel Aufbruch in der Welt, so viele großartige Initiativen und so viele kreative Menschen …."
 
© Christoph QuarchEr weiß es aus eigener Erfahrung als ehemaliger Journalist und Kirchentagsmacher, der vom World Wisdom Council über das Spirit of Humanity Forum bis zum Weltparlament der Religionen gepilgert ist – immer in der Hoffnung, den Impulsgebern für eine nachhaltige Transformation zu begegnen. Bis er zu einer für ihn bahnbrechenden Einsicht kam: Nachhaltige Veränderung ist niemals das Werk einzelner Menschen. Die Welt wird sich erst wandeln, wenn Menschen gemeinschaftlich von einem Geist ergriffen sind, der sie in eine neue Richtung weist. "Wirklicher Wandel geschieht, wenn es zu einer geistigen Disruption kommt", sagt der Philosoph und erklärt: "Das lehrt die Geschichte. Alle großen Transformationen kamen dadurch zustande, dass Menschen sich für eine neue Idee oder Vision begeisterten. Und davon abgesehen, wissen wir alle, dass wir immer erst dann bereit sind, etwas in unserem Leben zu ändern oder über unsere Grenzen zu gehen, wenn die Begeisterung uns treibt." Wie also kommt der Wandel in die Welt? "Indem man dem Geist die Tür öffnet; indem man einen Garten pflanzt, worin der Geist wachsen kann; indem man Segel schneidert, in die der Geist fahren kann." Quarch zögert keinen Augenblick mit seinen Antworten. Und er geht noch weiter: "Nichts braucht die Welt von heute so sehr wie den Geist." Egal wo er hinschaue: in die Politik, in die Wirtschaft, in die Hochschulen und Schulen, in die Kirchen, in die sozialen Medien, in die Gesichter der Menschen – er vermisse die Begeisterung, das Feuer, die Leidenschaft, den Eros. Und er fährt fort:

 "Wenn wir wirklich etwas ändern wollen in der Welt, dann müssen wir dem Geist eine Plattform schaffen,
auf der er wirken kann."

Welchem Geist, möchte ich wissen, und erhalte prompt die Antwort: "Dem Geist, der schon mehrfach in der Geschichte seine Wirksamkeit gezeigt hat: als im alten Griechenland die Demokratie erfunden wurde, als sich in der Renaissance Europa von den Fesseln der Kirche befreite, als am Ende des 18. Jahrhunderts die Menschen gegen die Technisierung und Ökonomisierung der Welt rebellierten." Quarch nennt ihn am liebsten den "Geist der Lebendigkeit". Warum? "Weil seine Kraft darin besteht, Menschen und Kulturen zur vollen Schönheit und Blüte der Lebendigkeit zu entfalten." Um diesen Geist der Lebendigkeit zu entfesseln, haben er und seine Frau Christine Teufel die Akademie 3 gegründet.

Jetzt sind wir bei dem Thema, über das ich mit ihm reden wollte: die Akademie 3. Und jetzt ist Gelegenheit, die Frage loszuwerden, mit der er offensichtlich schon gerechnet hatte: "Wieso ,3‘?" – "Weil es die dritte Akademie sein soll", lautet die etwas unbefriedigende Antwort, der Quarch aber sogleich eine Erklärung hinterherschickt: "Die erste Akademie wurde von dem Philosophen Platon im Jahre 387 v. Chr. in einem Garten vor den Toren von Athen gegründet. Diesem Beispiel folgte 1463 der italienische Humanist Marsilio Ficino, der mit Unterstützung der Medici in der Villa Careggi bei Florenz die Nuova Acedemia Platonica etablierte. In diese Reihe stellt sich unsere Gründung als Neue Platonische Akademie."

Auf die Frage, ob das nicht ein wenig hochgegriffen ist, erklärt der Philosoph, worum es bei den "Vorgängerakademien" ging. Platon habe an einer historischen Schwelle die Weisheit der verblassenden Welt des Mythos in die neue Sprache des Logos übersetzen wollen, um so den Geist, der Hellas im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. erblühen ließ, in eine neue Zeit zu retten. Und als das christliche Mittelalter zu Ende ging, hätten Ficino und seine Mitstreiter diesen Geist durch ihre humanistischen Studien wiederentdeckt und durch eine Wiedergeburt – eine Renaissance – neu zur Geltung bringen wollen.

"Jetzt stehen wir wieder an einer weltgeschichtlichen Schwelle: vom analogen zum digitalen Zeitalter.

Da scheint es uns nötig zu sein, neuerlich einen Garten des Geistes zu pflanzen, um den Geist der Lebendigkeit nicht nur zu retten, sondern neu zu entfesseln", sagt Quarch und ergänzt: "Ich wüsste nicht, was es Sinnvolleres zu tun gäbe, als sich in den Dienst dieses Geistes zu stellen und nach Mitteln und Wegen zu fahnden, wie er im digitalen Zeitalter wiedergeboren werden kann." Die historische Referenz ist wichtig für den Philosophen, weil die Akademien Platons und Ficinos etwas über die Methode verraten, kraft derer die erhoffte Re-Renaissance des Geistes erfolgen soll. "Platon und Ficino versammelten um sich Männer und Frauen mit unterschiedlichen Kompetenzen: nicht nur Philosophen, sondern auch Künstler, Politiker, Rechtsgelehrte, Theologen und (zumindest in der Renaissance) Unternehmer. Gemeinsam schufen sie eine Art Experimentierfeld, in dem sie neue Sprach- und Ausdrucksformen für den Geist erprobten." Herausgekommen seien dabei der Platonismus, eine einflussreiche Philosophie, und dasjenige, was wir Renaissance nennen.

Und was soll bei der Neuen Platonischen Akademie herauskommen? "Eine Woge der Begeisterung", lautet die Antwort. – Begeisterung wofür, möchte ich wissen. Wieder kommt die Antwort postwendend: "Für das Sein dieser Welt, für die Natur, für das Leben!"

„Denn nur, wenn wir von der Natur begeistert und ergriffen sind, werden wir als Menschheit die Kraft finden, dem Klimawandel, Krisen und Kriegen zu begegnen. Liebe und Leidenschaft für das lebendige Sein der Welt werden uns retten – nicht moralische Imperative oder Aktivisten."

Aber wie soll das gehen? Wie will ein kleines Team von Enthusiasten die Welt retten? Doch wohl nicht mit einer Internetseite und ein paar Podcasts? "Jedenfalls nicht nur damit", meint Quarch lächelnd und erklärt, dass er und seine Frau zunächst einmal eine gemeinnützige Gesellschaft gegründet haben, um operativ arbeiten zu können: die Stiftung Neue Platonische Akademie gGmbH. Sie stellt die Plattform bereit, auf der sich die rund 25 Mitglieder der Akademie begegnen – virtuell, denn sesshaft geworden ist die Akademie noch nicht; nicht, weil sich noch nicht der passende Garten dafür gefunden hätte, sondern weil der digitale Raum vielleicht am ehesten den Forderungen unserer Zeit genügt. "Die Mitglieder der Akademie sind ehrenamtlich dabei", erklärt Quarch weiter, "das sind Leute, die von einer gemeinsamen Vision beseelt sind und sich bereitgefunden haben, gemeinsame Projekte zu entwickeln." Konkret geht es dabei um eine bunte Palette von Angeboten. Sie reicht von digitalen Curricula für junge Erwachsene zu Themen wie "Die Säulen der Demokratie" oder "Die Werte und Tugenden Europas" über den Podcast "Philosophie, die dich begeistert" und regelmäßige Posts in sozialen Medien bis zu Vortragsreihen an Hochschulen oder in Unternehmen. Im Augenblick konzentriert sich die Arbeit der Akademiker vornehmlich auf eine Sommerakademie, die im Juni dieses Jahres im Herzen Deutschlands, nahe bei Bamberg, stattfinden wird. Unter der Überschrift "Dreaming Europe" werden Akademiemitglieder und junge Erwachsene, deren Teilnahme ein Sponsor ermöglicht, in einen kreativen und multiperspektivischen Prozess einsteigen, um eine gemeinsame Vision für ein künftiges, politisches Europa zu entwickeln.

"Der Geist der Lebendigkeit, der im alten Hellas und in der Renaissance wehte, hat Europa auf den Weg der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gebracht",

erklärt Quarch die Idee der Sommerakademie. "Es ist ein Geist der Einheit in der Vielfalt; ein Geist, der das Bunte, Individuelle und gerne auch Konträre liebt, weil gerade aus der Vielfalt die Schönheit des Lebens erwächst; zumal, wenn es in aller Unterschiedlichkeit doch stimmig und friedlich zusammenfindet." Diesen Geist in eine begeisterungsfähige Vision zu übersetzen und dem politischen Europa anzubieten, sei das Ziel der Sommerakademie und die politische Vision der Akademie 3. Deswegen ist beabsichtigt, am Ende der Tagung ein Papier zu erstellen und einer Repräsentantin der Europäischen Union zu übergeben.

Von der Sommerakademie zu berichten, ist Quarch ein Anliegen, weil an ihr erkennbar wird, was es in seinem Verständnis heißt, einen Geistesgarten anzulegen. "Wir sehen uns als Gärtnerinnen und Gärtner", erklärt er, "die Beete anlegen und in der Begegnung miteinander und mit anderen Interessierten Samen pflanzen, die hoffentlich aufgehen, aussäen und sich in der Welt verbreiten. Das können wir unmöglich selbst leisten. Dafür braucht es den Wind des Geistes. Wenn der nur einmal weht, ist alles möglich", zeigt er sich gewiss.

Überhaupt ist erstaunlich, mit welcher Zuversicht der Philosoph sein Projekt der Neuen Platonischen Akademie schildert. "Es ist meine Mission – es ist unsere Mission", bekennt er. Die Zuversicht schöpft er aus der Resonanz, die ihm begegnet: "Immer, wenn ich vor Menschen von der Akademie 3 rede, merke ich, dass meine Begeisterung überspringt. Egal ob vor Unternehmern, Investoren, Studierenden oder Freunden:

"Die Leute sehnen sich nach etwas, das ihnen Mut macht, nach einer Idee, einer Perspektive, was sie unternehmen können, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen."

Sie verstehen sofort, dass wir dafür die Ressource des Geistes erschließen müssen. Man muss nur den Mut finden, darüber zu reden.

Wer sich von der Vision der "geistigen Disruption", wie Quarch es gerne nennt, angesprochen fühlt, ist eingeladen mitzumachen. "Wir sind eine Mitmach-Organisation", sagt er. Man kann sich inhaltlich einbringen, indem man in die Akademie berufen wird, man kann sich aber auch finanziell beteiligen, indem man eine Fellowship erwirbt oder eines der Akademie-Projekte finanziert. Solches Engagement ist gerade in der Anfangsphase sehr willkommen, sagt Quarch – und erzählt stolz, dass sich schon eine stattliche Zahl von Fellows gefunden hat, die über die Arbeit der Akademie informiert und zu besonderen Veranstaltungen eingeladen werden. Davon abgesehen können Neugierige und Interessierte über die Webseite der Akademie deren digitale Angebote abonnieren. „Wir haben uns entschieden, nichts gewaltsam zu forcieren", sagt Quarch. "So wie die alten Akademien in Gärten zuhause waren, haben wir uns entschieden, den Garten zu unserer Leitmetapher zu machen. Wir glauben an ein organisches Wachstum." Deshalb, so sagt er, gehe manches nicht so schnell, wie sich die Gründer anfangs gewünscht hatten, aber voran gehe es gleichwohl. Und wenn er zurückschaut, reibe er sich verdutzt die Augen, wie viel doch schon gewachsen ist. "Wir bestellen unseren Garten und laden ein, ihn zu besuchen", sagt er.

"Gerne stehen wir auch Unternehmen als Thought Garden zur Seite" – nicht nur als Think Tank, was in seinen Ohren viel zu kalt und technisch klingt.
 
Gärten sind Orte des Lebens. Sicher ein passendes Bild für ein Projekt, das sich dem Geist der Lebendigkeit verschrieben hat. Was er sich für den Geistesgarten der Akademie 3 am meisten wünsche, frage ich Quarch zum Ende unseres Gesprächs. Dieses Mal zögert er mit seiner Antwort: "Dass in ihm ein Schmetterling geboren wird, dessen Flügelschlag die Welt verändert", sagt er lächelnd, und ergänzt: "Weißt du, das Schöne an unserem Projekt ist, dass wir nicht scheitern können. Wenn wir erfolgreich sind, dann, weil der Geist durch unsere Kanäle wehen wollte. Wenn wir nicht er­folgreich sind, dann hat er sich wohl doch von dieser Erde abgewandt – was ich nicht glaube."
 
Von Fritz Lietsch

DIE AKADEMIE 3 wird betrieben von der Stiftung Neue Platonische Akademie gGmbH mit Sitz in Fulda. Wer als Gast an der Sommerakademie "Dreaming Europe" vom 15. bis 18. Juni 2023 in Bamberg teilnehmen möchte oder weitere Informationen wünscht, wendet sich an die Geschäftsführerin der Akademie: christine.teufel@akademie-3.org. In den Social Media finden Sie die Akademie auf Linkedin, Facebook und Instagram.

Gesellschaft | Bildung, 01.03.2023
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2023 mit dem Schwerpunkt: Zukunft gestalten - Krieg & Klimakatastrophe erschienen.
     
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