"Die Richtung stimmt, aber das Tempo ist zu schnell"

Umweltmanagement-Experte über EEG-Reform

Die Regierung zieht jetzt die Notbremse, um die Kostenexplosion bei den Subventionen zu stoppen. Das ist richtig, doch die Reaktion fällt zu stark aus und kommt zu abrupt", attestiert Dr. Martin Kreeb, Forscher am Lehrstuhl für Umweltmanagement an der Universität Hohenheim. Dies führe zu Verwerfungen in der Wirtschaft, die Arbeitsplätze kosten und Unternehmen in die Insolvenz treiben könnten.

Die EEG-Reform bügelt alte Fehler aus, geht dabei jedoch zu weit. Verwerfungen in der Wirtschaft sind vorprogrammiert und gefährden Arbeitsplätze, so Kreeb zur Energiepolitik.
Foto by pixabay.com
Am Mittwoch, 22. Januar, wollte Sigmar Gabriel seine Pläne für die EEG-Reform auf der Kabinettsklausur in Meseberg verabschieden lassen. Darin vorgesehen ist die Ökostrom-Hilfe zu kappen von jetzt durchschnittlich 17 Cent auf nur noch zwölf Cent im kommenden Jahr. Zudem soll es für Windkraft-, Photovoltaik- und Biogasanlagen eine Mengenbegrenzung beim Ausbau geben.

"Die Vorregierung hat die energiereiche Industrie ausgenommen und die Kosten der Energiewende damit auf andere abgewälzt. Momentan belaufen diese sich auf 220 Euro pro Jahr pro Haushalt. Das ist zu viel. Dieser Kardinalfehler kann jetzt allerdings nur noch sehr schwer ausgebügelt werden", urteilt Dr. Martin Kreeb, Wissenschaftler am Lehrstuhl Umweltmanagement an der Universität Hohenheim.

"Die Unberechenbarkeit der Politik schadet der Wirtschaft und der Energiewende"

Prinzipiell seien die Vorschläge von SPD-Wirtschaftsminister Gabriel richtig. Die Fördersätze müssten angepasst werden. Die Frage sei nur, in welchem Zeitraum. Der momentane Plan sei zu kurzfristig, bewertet Dr. Martin Kreeb. "Die an sich gesunde Industrie der Windkraft und Solarenergie kommt in Turbulenzen, weil die Unternehmen so schnell kaum auf die extrem veränderten Rahmenbedingungen reagieren können. Diese Unberechenbarkeit schadet dem gesamten politischen Vorhaben erneuerbare Energien zu fördern. Besser wäre es, die Subventionen stufenweise abzubauen."

Ungelöste Probleme gebe es außerdem noch immer bei den energiereichen Unternehmen, die bisher von der Umlage befreit sind: "Wir brauchen eine europäische Lösung. So kann die Marktsituation harmonisiert werden, um den Standort Deutschland nicht zu benachteiligen. Schließlich bringt es der Umwelt wenig, wenn beispielsweise ein energieintensives Stahlwerk aus Baden ins Elsass ziehen würde", so Dr. Kreeb.

Der Umweltmanagement-Experte vermutet, dass die EEG-Umlage durch die Senkung der Fördersätze höchstens in ihrem Wachstum begrenzt werde. "Die EEG-Umlage wird weniger stark anwachsen. Am Ende des Tages steht allerdings die Frage, auf wessen Schultern die Energiewende ausgetragen wird. Ob das die kleineren und mittleren Unternehmen sowie die Bürger sind oder die großen Industrien - das muss die Politik entscheiden."

Kritik für Mengenbegrenzung, Lob für Prämienmodell bei Eigenstromanlagen

Auch die Mengenbegrenzung beim Ausbau der Windkraft, Solar- und Bioenergie bewertet der Wissenschaftler der Universität Hohenheim als kritisch: "Der Markt wird dadurch schrumpfen, genauso die volkswirtschaftliche Effizienz. Insbesondere die alten Argumente gegen die Ausweitung der Bioenergie, die eine verstärkte Konkurrenz zwischen Tank und Teller befürchten, gelten heute so nicht mehr. Denn moderne Anlagen setzen verstärkt auf alternative Ausgangsstoffe wie Küchenabfälle, Pferdemist oder Gülle."

Lob des Experten gibt es dagegen für das Prämienmodell bei Eigenstromanlagen, das heißt kleineren Photovoltaikanlagen auf Wohnhäusern. "Die Kleinanlagenstruktur wird damit nicht weiter beschädigt, das ist ein vernünftiger Weg", so Dr. Kreeb.

Wichtige Probleme bleiben ungelöst

Nach Einschätzung des Experten würden die wirklich großen Problemfelder der Energiewende nach wie vor nicht in der Öffentlichkeit diskutiert. Als Beispiel nennt der Wissenschaftler das Subventionssystem für fossile Kraftwerke oder das Leitungsrecht. "Die Politik muss sich Gedanken machen, wie sie die Planungskosten der Energiewende senken kann, insbesondere, wenn es darum geht den Strom aus Windkraftanlagen vom Norden in den Süden zu bekommen. Dazu müsste die Regierung zum Beispiel das Planfeststellungsverfahren optimieren. Wenn eine - vielleicht auch nur kleine - Bürgerinitiative den Bau von ein bis zwei Kilometer Leitung blockiert, dann ist die ganze Leitung von vielen hundert Kilometern betroffen. Das kann auf Dauer so nicht bleiben."

Im Profil

Dr. Martin Kreeb arbeitet im Fachgebiet Umweltmanagement am Institut für Marketing & Management unter Prof. Dr. rer. oec. Werner F. Schulz. Der 45-Jährige ist Mitglied bei Greening Hohenheim, deren Ziel eine Umsetzung des nachhaltigen Resourcenmanagements an der Universität Hohenheim ist. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement. Des Weiteren ist Kreeb Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Hochschule Fresenius in München sowie Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stifung Düsseldorf. Er leitet die Forschungsgruppe Nachhaltigkeit am Institut für Marketing & Management der Universität Hohenheim. Zudem ist Kreeb Jurymitglied bei der Stiftung "Energie & Klimaschutz Baden-Württemberg", der Jury "Aviation Award 2014" und engagiert sich als Personalrat in der Universität Hohenheim.

Quelle:
Technik | Energie, 26.01.2014

     
        
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