Christoph Quarch
Technik | Digitalisierung, 19.09.2025
Smartphones und Philosophie
Werden Handy-Verbote in Schulen und Altersgrenze bei Social Media Nutzung die Probleme lösen?
Zwischen zwei und drei Stunden pro Tag beschäftigt sich der Durchschnittsdeutsche mit seinem Smartphone - mehr als die Hälfte davon in Social Media. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Zahl noch höher. Ob das immer zum Guten gereicht, ist jedoch die Frage. Die Quote der "problematischen Mediennutzung" – auch bekannt als Handy-Sucht – hat sich in den letzten 5 Jahren verdoppelt. Experten schlagen Alarm und die Politik reagiert: Einige Bundesländer haben Handy-Verbote in Schulen erlassen und die EU-Kommission votiert für eine Altersgrenze bei der Social Media Nutzung. Aber wird das die Probleme lösen – zumal auch viele Erwachsene betroffen sind? Braucht es womöglich ein radikales Umdenken bezüglich unseres Medienkonsums? Doch woher soll das kommen? Darüber unterhält sich forum mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, kann die Philosophie uns dabei helfen, dem toxischen Medienkonsum etwas entgegenzusetzen?

Martin Heidegger im Jahr 1966 vor dem Hintergrund der Nukleartechnik gesagt: "Die Philosophie wird keine unmittelbare Veränderung des jetzigen Weltzustandes bewirken können." Ich fürchte, so verhält es sich auch im Blick auf Smartphones und Social-Media. Die digitale Transformation hat unsere Welt nachhaltig verändert. Der Point of no return ist längst überschritten. Wir werden uns nicht mehr aus den Abhängigkeiten befreien, die durch die digitale Technologie erzeugt werden; zumal diese Abhängigkeiten von den Anbietern aus naheliegenden Gründen gewollt sind. Kurz: Es ist illusorisch zu glauben, dass man heute auf Dauer ohne Handy bestehen kann. Heidegger sagte: Nicht wir haben die Technik, sondern die Technik hat uns. Daran kann die Philosophie auf die Schnelle nichts ändern.
Sie sagen "auf die Schnelle". Wollen Sie damit andeuten, dass die Philosophie langfristig dann doch eine hilfreiche Wirkung entfalten kann?
Diese Hoffnung gebe ich jedenfalls nicht auf. Auch wenn sie vage ist. Denn wir wissen aus neurophysiologischen Studien, dass ein übermäßiger Smartphone-Konsum, gerade bei jungen Leuten, negative Auswirkungen auf dasjenige hat, was die Philosophie im Kern ausmacht: das Denken. Von daher fragt sich, wieviel Zeit uns noch bleibt, um die Kraft des Denkens zu aktivieren - denn genau das ist der Beitrag, den wir Philosophen leisten können, weil wir ohne ein radikales Umdenken der digitalen Technik nicht gewachsen sind. Ich rede in diesem Zusammenhang oft von einer mental disruption, um anzudeuten, worum es geht: Eine Neujustierung unseres geistigen Kompasses; eine Besinnung auf das, was uns wirklich wichtig ist - auf das Wesentliche; und vor allem: ein schonungsloses Aufdecken der Dynamiken, die unsere Welt gegenwärtig umkrempeln.
Ihr Kollege Immanuel Kant forderte vor 250 Jahren den "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit". Brauchen wir eine neue Aufklärung.
Ja, die brauchen wir. Wobei ich weniger an Kant denke als an Platon. Von ihm kommt das so passgenau auf die heutige Medienwelt anwendbare Höhlengleichnis: Mediennutzer gleichen Gefangenen, die in einer Höhle sitzen und Zeit ihres Lebens auf eine Wand starren, auf die die Schatten von Gegenständen projiziert werden, die hinter ihnen vorbeigetragen werden. Diese Leute sind davon überzeugt, dass diese Projektionen die Wirklichkeit sind - und sie sträuben sich mit Händen und Füßen, wenn man sie davon zu überzeugen versucht, dass es sich bloß um Schatten handelt. Das beschreibt das Problem, vor dem Philosophen stehen: Menschen sträuben sich dagegen, wenn man ihre Gewohnheiten - vor allem Denkgewohnheiten - in Frage stellt. Aber genau das muss passieren. Erst wenn wir begreifen, dass die Wirklichkeit nicht das ist, was auf dem Handy-Screen erscheint, haben wir eine Chance auf Veränderung.
Aber viele Menschen verstehen das sehr gut und kommen trotzdem nicht vom Handy los. Woran liegt das?
Ich glaube, sehr viele verstehen bei weitem nicht, was mit ihnen geschieht. Oder sie verdrängen es: z.B. dass sie durch die Handynutzung komplett kontrollierbar werden; dass sie leichtfertig ihre Daten preisgeben, die jederzeit gegen sie verwendet werden können; dass ihre Korrespondenz von KIs gelesen und ausgewertet wird. Und selbst wenn sie das wissen, bleiben sie dem Handy treu. Warum? Weil es so bequem ist. Solange uns Bequemlichkeit wünschenswert erscheint, werden wir weiter in Abhängigkeit geraten. Und das heißt: Nur wenn wir unsere Wertmatrix ändern, werden wir dieser Technik beikommen. Das ist, was ich mit mental disruption meine. Erst wenn wir die Erfahrung machen, dass Bewegung in der Natur oder Gespräche mit Anderen kostbarer sind als die verplemperte Zeit am Smartphone, wird es zu einer Änderung kommen, erst wenn wir Lebendigkeit höher achten als Bequemlichkeit. Dafür zu werben, ist die Aufgabe, die mir als einem Philosophen bleibt.

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
Aktuelle Bücher von ihm sind „Wacher Geist und fester Schritt. The Donkey School for Leadership" (2024), „Schönheit rettet die Welt” (2024) und "Der Club der alten Weisen" (2023).
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org
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