Allwissenheit, Allmacht und Unsterblichkeit - wird KI zum Gott-Ersatz?
Christoph Quarch überlegt, was wir dem Kult um die KI entgegensetzen können
Mit Künstlicher Intelligenz wird unser Alltag einfacher, sie wird sogar manche großen Probleme der Menschheit lösen und sie kann für uns auch emotional eine Stütze sein. KI-Entwickler und Enthusiasten versprechen so einiges. Sie schreiben ihr sogar manchmal eine Art göttliche Superkraft zu. Eine Kraft die unsere Beziehungen, unseren Glauben, unsere ganze Art zu leben, verändern wird. Wird KI für manche zum Gott-Ersatz? Welche geistigen Grundlagen sollten wir bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz beachten? Darüber sprechen wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.

Wenn der Mensch sich damit zufriedengäbe, Gott zu spielen, wäre ich weniger besorgt. Tatsächlich aber er scheint auf dem Weg zu sein, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen. Darauf hat schon vor einigen Jahren der Historiker Yuval Noah Harari in seinem Weltbestseller "Homo Deus" aufmerksam gemacht. Er vertritt die These, das zentrale Projekt der Menschheit des 21. Jahrhunderts sei es "Göttlichkeit" zu erlangen – und zwar mit Hilfe avanciertester Technologien, zu denen auch KI gehört. Er spricht dabei von einer neuen Religion, die er Dataismus nennt. Ihre Verheißung sei es, dem Menschen genau die Eigenschaften zu verschaffen, die bislang für Gott reserviert waren: Allwissenheit, Allmacht und Unsterblichkeit.
Gesetzt Hararis These trifft zu: Was wird dann aus den bekannten und bewährten Religionen wie Christentum, Islam oder Judentum?
Wenn sie sich nicht radikal verändern, werden sie über kurz oder lang verschwinden; oder sie werden versuchen – was schon jetzt erkennbar ist –, durch Konservativismus und Fundamentalismus ihren Niedergang aufzuhalten. Das wird aber nicht funktionieren, weil der Dataismus genau die Sehnsucht bedient, die immer schon von den angestammten Religionen adressiert wurde: die Sehnsucht nach einer Macht, die den Menschen von seinen Gebrechen und seiner Endlichkeit erlöst. Wenn man diese Sehnsucht teilt: Warum sollte man sich noch auf einen Gott verlassen, den niemand je gesehen hat, wenn man sich mit Hilfe technologischer Innovation selbst erlösen kann? Bei Lichte besehen haben die Religionen mit ihren Gottesbild und ihren Erlösungsversprechen dem neuen Glauben an die KI allererst den Boden bereitet.
Sie sagen, die Religionen könnten ihren Abstieg in die Bedeutungslosigkeit vermeiden, indem sie sich radikal verändern. Was müsste Ihrer Ansicht nach geschehen?
Nach meinem Dafürhalten zwingt die Heraufkunft dieser – ich würde sagen – Pseudoreligion des Dataismus zu einem radikalen religiösen Paradigmenwechsel. Es ist das große Verdienst von Harari, mit seiner These die richtige Flughöhe benannt zu haben: Wir werden den Heilsversprechen von KI, Gentechnologie, Nano-Technologie, Bio-Technologie etc. nur angemessen begegnen können, wenn wir sie durch eine neue Art der Religion entzaubern bzw. einhegen. Wenn ich von einer neuen Art der Religion rede, dann denke ich dabei an eine Religion, die eben gerade nicht eine Macht anbetet und durch sie die Erlösung von allen Gebrechen verheißt, sondern ich denke an eine Religiosität, die uns auf andere Weise eine Sinndimension erschließt und dadurch unsere Werte und Ziele neu definiert: weg von Erlösung, Optimierung und Macht – hin zu Liebe, Leidenschaft, und Lebendigkeit.
Aber das ist doch genau das, worum es auch dem Christentum geht.
Es ist das, worum es vermutlich diesem Wanderrabbi aus Nazareth ging, den wir Christus nennen. Aber die Religion, die sich auf ihn beruft, hat über Jahrhunderte nicht die Liebe angebetet, sondern die Macht. Deshalb sage ich, dass diese Religion sich radikal verändern muss – weg von einer Machtreligion hin zu einer Seinsreligion: einer Religion, die das Göttliche im Diesseits verehrt: in der Natur, in der Schönheit, in der Menschlichkeit. Die von der frühen Kirche bekämpfte heidnische Religion der Antike war eine solche Religion, ebenso wie viele indigene Religionen. Daran können wir anknüpfen, wenn wir dem Kult um die KI etwas entgegensetzen wollen. Solange wir nach Macht gieren, werden wir uns von den Technikaposteln verführen lassen – wenn wir aber dahin kämen, die Heiligkeit des Lebens und der Natur neu zu erfahren, würde sich unsere ganze Werteskala ändern und die KI würde zu dem werden, was ihr gemäß ist: zum Instrument im Dienst des Lebens von Natur und Mensch.

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
Aktuelle Bücher von ihm sind „Wacher Geist und fester Schritt. The Donkey School for Leadership" (2024), „Schönheit rettet die Welt” (2024) und "Der Club der alten Weisen" (2023).
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org
Technik | Digitalisierung, 16.06.2025

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