Corinna Stubendorff
Technik | Energie, 20.05.2025

Wärme aus der Wand

Solarthermisch aktivierte Fassaden

Erneuerbare Energien in Verbindung mit Effizienzmaßnahmen sind der Schlüssel für die erforderliche Senkung des Endenergiebedarfs und der CO2-Emissionen im Gebäudebereich. Um die anspruchsvollen nationalen und europäischen Ziele zu erreichen, sind neue architektonische und gebäudetechnische Konzepte gefragt.
 
Solarthermie kann durch ihren dezentralen Charakter einen wichtigen Beitrag zur regenerativen Wärmeversorgung leisten. Besonders im Geschosswohnungsbau liegt ein großes, bisher aus wirtschaftlichen und Akzeptanzgründen noch nicht vollständig ausgeschöpftes Potenzial. Ein vielversprechender Ansatz ist die Integration der Solarthermie in die Gebäudehülle. Das hannoversche Familienunternehmen Gundlach GmbH & Co. KG nutzt diese Heizkraft der Sonne mithilfe einer solaraktivierten Fassade: Eine Hauswand in Hannover-Ahlem wird auf einer Fläche von 65 m² zum Wärmekraftwerk. 

Projektbeteiligte: Gundlach GmbH & Co KG, ISFH, Fraunhofer Institut, SPP-Ingenieure, Fassadenhersteller SysteaDie innovative Technologie ist Teil eines klimafreundlichen Nahwärmenetzes aus regenerativen Wärmequellen, das zukünftig ein Quartier von viergeschossigen Gebäudeflügeln in sogenannter Blockrandbebauung mit rund 100 Wohneinheiten versorgt. Die neue Heizzentrale befindet sich im Keller eines eingeschossigen Gewerbegebäudes und liegt zentral zwischen den zu versorgenden Mehrfamilienhäusern. Die Grundlastwärmeversorgung des neuen Versorgungsnetzes basiert parallel auf dem Einsatz einer Geothermie-Wärmepumpe, und einem leistungsgeregelten, ausschließlich mit Biogas betriebenen Blockheizkraftwerk (BHKW). Dabei übernimmt die Sole-Wasser-Wärmepumpe die Vorerwärmung auf 50°C im Mittel und das BHKW die Nacherwärmung auf Nahwärmevorlauftemperatur. Nur als Ausfallreserve wird bei Bedarf ein Bio-Gas-Brennwertkessel als Spitzenlastkessel zugeschaltet.
 
Regenerativer Jahreswärmeanteil von bis zu 100 Prozent
Für die Mieter:innen der rund 100 Wohnungen im Gundlach-Quartier in Ahlem bedeutet das: Sie heizen künftig energieeffizient und klimafreundlich, da das zertifizierte Nahwärmenetz einen regenerativen Jahreswärmeanteil von bis zu 100 Prozent erreicht. Die sukzessive sanierten Gebäude werden Zug um Zug von dezentraler Versorgung umgerüstet und zentral an das neue Nahwärmenetz angeschlossen. Die bisherigen Gasetagenheizungen werden dabei durch Wohnungsfrischwasserstationen ersetzt, die die Trinkwarmwasserbereitung übernehmen. Geplant wurde das Nahwärmenetz im Wesentlichen von SPP-Ingenieure Sprengel, Pröve und Partner Ingenieurgesellschaft mbH, einem Haustechnik-Ingenieurbüro aus Hannover.
 
Grundpfeiler der neuen Nahwärmeversorgung sind die Erdwärmesonden. Die Sonden sind bis zu 65 Meter in das Erdreich eingelassen und stellen Umweltwärme über die Wintermonate zur Verfügung. Der Nachteil dabei: Die Sonden benötigen einen Mindestabstand untereinander und brauchen dadurch viel Platz. Um das Ahlemer Quartier allein mit Geothermie zu versorgen, hätte die Fläche im Innenhof nicht ausgereicht. Die Antwort auf diese Herausforderung lautete: Regeneration!
  
Die Innovation: solarthermisch aktivierte Fassade
Die entscheidende Innovation lieferte hier ein Verbund-Forschungsvorhaben im Rahmen der Förderinitiative „Solares Bauen und Energieeffiziente Stadt" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Das Projekt befasst sich mit der Entwicklung solarthermisch aktivierter, hinterlüfteter Fassaden für den Neubau und im Sanierungsbereich in Mehrfamilienhäusern. In einer ersten dreijährigen Projektphase wurden durch die Forschungspartner, das Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) und das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP), passende Fassaden-Systeme sowie deren Regelungsstrategien durch theoretische und experimentelle Untersuchungen erarbeitet und erprobt sowie Konzepte zur Erhöhung des Vorfertigungsgrades und zur Standardisierung der Montageprozesse entwickelt.
 
In einer zweiten Phase werden zwei vielversprechende, erfolgreich getestete Lösungen in realen Mehrfamilienhäusern umgesetzt und einem umfassenden Monitoringprogramm unterzogen. Zu diesem Zweck wurde eine direkt an die neue Heizzentrale angrenzende Giebelfläche in Hannover-Ahlem ausgewählt. An der Fassade werden schlichte, schwarzbeschichtete Metallplatten des Herstellers Systea angebracht. Sie wirken wie moderne Designelemente und fügen sich in die Architektur ein. Unsichtbar wandeln die Paneele die Sonnenkraft in Wärmeenergie um – sie erzielen etwa 14 kW Spitzenleistung auf die hier installierten 65 m² Fassadenfläche. Durch die Regeneration über die solaraktivierte Fassade sowie zusätzliche Dachkollektoren konnte rund ein Drittel der Erdsonden eingespart werden.

 Fassadensanierung mit aktivierten Paneelen (l.), unterstützende Dachkollektoren (r.)Fassadensanierung mit aktivierten Paneelen (l.), unterstützende Dachkollektoren (r.)
 

 
Corinna Stubendorff ist Ökologiebeauftragte und Bestandsentwicklerin bei Gundlach GmbH & Co. KG Wohnungsunternehmen
Dr.-Ing. Federico Giovannetti leitet die Arbeitsgruppe Kollektoren am Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH)
Uwe Pröve ist Geschäftsführer von SPP-Ingenieure Sprengel, Pröve und Partner Ingenieurgesellschaft mbH

Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Dieser Artikel ist in forum 03/2025 - Der Wert der Böden erschienen.



     
        
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