Fritz Lietsch

Den Wohnungsnotstand beheben

Nachhaltig, preisgünstig und kreislauffähig bauen dank serieller Fertigung

Bauen muss schneller, intelligenter und zukunftsfähiger werden. Der Werkstoff Holz, moderne Fertigungstechniken, Digitalisierung und KI helfen, die nötigen Schritte in die Zukunft zu gehen.

In Mannheim vermietet die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft seriell errichtete Wohnungen zu 8,90 Euro pro Quadratmeter – das sind 40 Prozent unter der ortsüblichen Durchschnittsmiete. © NokeraDie Bundesregierung hat sich den Bau von jährlich 400.000 neuen, bezahlbaren und klimagerechten Wohnungen, davon 100.000 Sozialwohnungen, zum Ziel gesetzt. Tatsächlich fertig gestellt wurden in den vergangenen Jahren jedoch nur jeweils rund 300.000, 2024 lag die Zahl sogar noch deutlich darunter. Im Zeitraum von Januar bis November 2024 wurden 193.700 Wohnungen genehmigt. Das waren 18,9 Prozent oder 45.200 weniger als im Vorjahreszeitraum, so dass für 2025 ein weiterer Rückgang zu befürchten ist Dennoch hat die Bundesregierung ihr Ziel erst jüngst bekräftigt. Wie also kann Deutschland endlich den „Bau-Turbo" einlegen?

Serielles und modulares Bauen
Ein Lösungsansatz liegt in modernen, industriell geprägten Baumethoden. Im Wesentlichen zu unterscheiden sind dabei das serielle und das modulare Bauen. Beim modularen Bauen werden komplette Raummodule industriell vorgefertigt und anschließend zu einem Gebäude zusammengesetzt. Beim seriellen Bauen dagegen werden Komponenten wie Außen- und Innenwände als vollständige Elemente in Holztafelbauweise industriell hergestellt. Diese Fertigungsweise ermöglicht eine größere Flexibilität und Variabilität bei den Grundrissen der Gebäude und der Wohneinheiten.

Was ist neu und innovativ am seriellen Bauen?
Die serielle Verarbeitung im Werk verkürzt die Bauzeit vom Spatenstich bis zur Fertigstellung enorm: Von einem Jahr auf drei Monate. © NokeraDas Problem konventioneller Planung ist die mangelnde Skalierbarkeit und die daraus entstehenden Kostenvorteile. Das serielle Bauen kombiniert die Möglichkeiten der Standardisierung und Skalierung von Bauteilen sowie der Digitalisierung und setzt dies für die industrielle Erstellung von Gebäuden ein. Planung, Produktion und Montage sind in einer einheitlichen IT-Plattform verbunden. So entsteht eine vertikale Wertschöpfungskette: vom Anfang mit einem skalierbaren Herstellungsprozess bis zum Ende jedes Bauprojekts. Ganzheitliche Ansätze integrieren darüber hinaus auch noch die Integration des gesamten Energiekonzepts und der zugehörigen Smart-Home-Ausstattung.

Einer der innovativsten Anbieter des seriellen Bauens im deutschen Markt ist Nokera. Das Unternehmen wurde unlängst mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet und hat sich nicht weniger vorgenommen, als den Bauprozess von Grund auf neu zu denken: „Unsere Mission ist bezahlbarer Wohnraum," erklärt Co-CEO Jan Hedding. „Wir ermöglichen Bauträgern, ohne Abstriche bei der Qualität schneller und günstiger als bisher zu bauen. Zudem sind unsere Gebäude so konzipiert, dass sie die Bedingungen für geförderten Wohnraum erfüllen. Um das leisten zu können, haben wir bei Magdeburg die weltweit größte Fabrik für Gebäude in serieller Holzbauweise errichtet. Wir können dort pro Jahr Komponenten für den Neubau oder die serielle Sanierung von bis zu 30.000 Wohneinheiten produzieren."
 
„Bezahlbares Wohnen ist systemrelevant, wichtig für den sozialen Frieden und ein unabdingbarer Faktor zum Erhalt unseres Gesellschaftssystems."
Jan Hedding, Co-CEO Nokera

Holz als Baustoff der Zukunft
Stellt sich die Frage: warum Holz? Die Antwort lautet: Holz ermöglicht qualitativ hochwertigen, nachhaltigen und klimafreundlichen Wohnraum, der sich dank Digitalisierung schon in der Planungsphase sehr individuell gestalten lässt. Holz bietet ein angenehmes Raumklima und eine hohe Energieeffizienz. Außerdem ist der Werkstoff gut zu verarbeiten und relativ leicht im Transport. „In der seriellen Verarbeitung können wir die Bauzeit enorm verkürzen. Statt einem Jahr von Spatenstich bis Fertigstellung brauchen wir üblicherweise nur drei Monate ab Baubeginn – das heißt Oberkante Bodenplatte – bis zur Abnahme," erklärt Hedding.

Weitere Vorteile sind Kostenersparnisse durch Standardisierung, Skalierung und Industrialisierung und der geringere CO2-Fußabdruck in der Bauphase und über den Lebenszyklus des Gebäudes hinweg. Ein fünfgeschossiges Haus bindet 300 Tonnen CO2. Zudem sinkt in der Holzbauweise der Wasserverbrauch: pro Wohneinheit beträgt er durchschnittlich nur rund 5.200 Liter gegenüber 15.000 Liter je Wohneinheit bei Beton. Zusätzlich reduziert sich der Energieaufwand in der Bauphase durch weniger aufwändige Trocknungsphasen. Außerdem reduziert sich der Müll auf der Baustelle und die Bauabfälle von Holz sind größtenteils recyclingfähig.

Wissenschaftliche Studien zu den Ökobilanzen von Holzhäusern im Vergleich zu traditionell gebauten Häusern kommen zu dem Ergebnis, dass bei Holzhäusern der Verbrauch an nicht-erneuerbarer Primärenergie in der Phase der Herstellung und Errichtung um bis zu 49 Prozent niedriger ausfällt als bei sogenannten Massivhäusern. Beim „Global Warming Potential", das die Treibhauswirkung bei Herstellung und Errichtung erfasst, beträgt der Vorteil des Holzbaus sogar bis zu 103 Prozent.

Bezieht man zusätzlich die Nutzungs- und spätere Entsorgungsphase in die Ökobilanz ein, fällt der Vorteil der Holzhäuser ebenfalls deutlich aus. Beim Anteil nicht-erneuerbarer Primärenergien schneidet Holzbau um bis zu 53 Prozent besser ab, beim Treibhauspotenzial sogar um bis zu 70 Prozent.

Bezahlbar heißt nicht „billig"
Serielles Bauen bedeutet nicht gleichförmige Plattenbauten wie früher: Modernes Design, Lebensqualität, hochwertige Materialien und Recyclierbarkeit kombiniert mit modernster Energieeffizienz werden zum neuen Standard. © NokeraSeit den Zeiten des Plattenbaus genießt industrielles Bauen allerdings nicht das höchste Ansehen. Doch das heutige serielle Bauen muss nichts mit Gleichförmigkeit zu tun haben und der Wohnkomfort entspricht trotz der niedrigeren Baukosten heutigen Ansprüchen: bodentiefe Fenster, Fußbodenheizung, Balkon, zeitgemäße Schall- und Trittdämpfung, und hochwertige Materialien, beispielsweise beim Bodenbelag, gehören dazu. Auch die technische Ausstattung genügt heutigen Anforderungen an Komfort und Energieeffizienz. Strom- und Wärmeversorgung erfolgen durch Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Häuser sowie durch Blockheizkraftwerke und Geothermieanlagen.

Aber, Hand aufs Herz, was heißt bezahlbar? Das hängt nicht vom Generalübernehmer allein ab. „Wir sind ein 'Enabler' für öffentliche und städtische Wohnungsbaugesellschaften, ihrem politischen Auftrag zur Schaffung neuen Wohnraums nachzukommen. Dazu gehört, dass unsere Häuser die Bedingungen für geförderten Wohnraum erfüllen," erklärt Hedding. Als Beispiel führt er ein Bauprojekt in Mannheim an: Dort vermietet die GBG Mannheim, die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft Baden-Württembergs, seriell errichtete Wohnungen zu einem Preis von 8,90 Euro pro Quadratmeter, das liegt 40 Prozent unter der ortsüblichen Durchschnittsmiete.
Von Fritz Lietsch
Zum Weiterlesen
Aus Alt mach Neu |  Zauberformel: Serielles Sanieren

Dieser Artikel ist in forum 02/2025 - Save the Ocean erschienen.

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