Ein Signal für mehr gesellschaftliche Solidarität und Zusammenhalt
Christoph Quarch hält die Wiedereinführung der Vermögenssteuer nicht nur für vertretbar, sondern für notwendig.
Die SPD will sie, die Grünen wollen sie, nur die FDP ist vehement dagegen: An der Vermögenssteuer scheiden sich die Geister der Ampelkoalitionäre. Doch von Tisch ist dieses Thema keineswegs. Angesichts der zunehmend ungleichen Vermögensverteilung in Deutschland hat DGB-Chefin Yasmin Fahimi die Vermögenssteuer neuerlich ins Gespräch gebracht. Argumentationshilfe bekommt sie dabei neuerdings von dem Staatsrechtler Alexander Thiele, der in einem noch unveröffentlichten Gutachten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung verfassungsrechtliche Bedenken ausräumt. Aber kann man durch die Besteuerung von Vermögen tatsächlich soziale Ungleichheit bekämpfen? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, ist es moralisch vertretbar, das
Vermögen von sehr wohlhabenden Personen zu besteuern?

Bis 1997
gab es in Deutschland die Vermögenssteuer. Die damalige schwarz-gelbe
Bundesregierung setzte sie mit Verweis auf den sogenannten
Halbteilungsgrundsatz aus, wonach der Staat dem Steuerzahler mindestens die
Hälfte seiner Einkünfte lassen muss. Gelten diese Bedenken nicht mehr?
Soweit
ich weiß, ist dieser Halbteilungsgrundsatz juristisch umstritten.
Verfassungsrechtler messen dem jedenfalls keine große Bedeutung mehr zu. Das
heißt: Die Sache sollte politisch entschieden werden. Und da leuchtet mir der
Vorstoß von Frau Fahimi ein. Es bekommt einer Gesellschaft auf Dauer nicht,
wenn die Vermögensverhältnisse zu weit auseinanderklaffen. Es ist Menschen ohne
Vermögen nicht erklärbar, warum andere, die oft nicht mehr arbeiten oder
leisten als sie selbst, das Hundert- oder Tausendfache besitzen. Da könnte die
Vermögenssteuer ein Signal für mehr gesellschaftliche Solidarität und
Zusammenhalt sein.
Gegner
der Vermögenssteuer weisen darauf hin, dass die Erfassung der Vermögen einen
hohen administrativen Aufwand erfordert, der ein Drittel der Mehreinkünfte
verzehren würde.
Da
liegt wohl wirklich ein Problem, das man aber dadurch lösen könnte, dass man –
wie Frau Fahimi vorschlägt – die Steuerzahler auffordert, die Höhe ihres Vermögens
eigenständig anzugeben. Natürlich müsste man dann Stichproben machen und
falsche Angaben streng sanktionieren, aber grundsätzlich sollte das möglich
sein. Ich glaube, dass viele Wohlhabende und Reiche gar nichts dagegen hätte.
Es ist bekannt, dass Steuermillionäre Deutschland nicht primär wegen der Höhe
der Steuern, sondern wegen des bürokratischen Aufwandes verlassen. Wenn es
gelänge, im Rahmen der Reaktivierung der Vermögenssteuer die administrativen
Kosten zu verringern, könnte man die Akzeptanz umgehend erhöhen.
Der
deutsche Mittelstand ächzt derzeit unter Inflation und Steuerlast. Besteht
nicht die Gefahr, dass eine Rückkehr zur Vermögenssteuer noch mehr Unternehmen
in den Ruin treibt?
Ich
teile diese Sorge. Deshalb würde ich nur Privatvermögen besteuern und
Firmenvermögen ausklammern. Es geht ja – um es noch einmal deutlich zu sagen –
nicht darum, dem Staat neue Einnahmequellen zu verschaffen, sondern dem ständig
wachsenden Riss im Gebäude unserer Gesellschaft gegenzusteuern. Dass
Unternehmen Vermögensrücklagen brauchen, wird niemand als ungerecht empfinden.
Die staatlichen Mehreinnahmen könnten auch dafür eingesetzt werden, weniger
Vermögende an anderen Punkten zu entlasten – z.B. bei der Grunderwerbssteuer.
Aber da kenne ich mich zu wenig aus. Wo ich mich auskenne, das sind
Gerechtigkeitsfragen, und was das angeht, halte ich die Wiedereinführung der
Vermögenssteuer nicht nur für vertretbar, sondern für notwendig.

Autor: Christoph Quarch
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