Bernward Geier

Gut zu Wissen

Unterhaltsames und Spannendes rund um den Boden

Die Klimakrise hat endlich eine breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, auch die Biodiversitätskrise ist inzwischen auf dem Radar von Gesellschaft und Politik. Bei der Bodenkrise ist dies nicht der Fall. Sie wird fast ausschließlich in Experten- und Insiderkreisen wahrgenommen und diskutiert. Dabei ist der Boden eine faszinierende Grundlage des Lebens.
 
Die Tatsache, dass inzwischen mehr Menschen in urbanen als in ländlichen Räumen leben, hat zu einer massiven Entfremdung von Land und „Mutter Erde" geführt. Für viele kommen Lebensmittel nicht vom Boden, sondern aus dem Supermarkt. Die meisten Städter haben keinen Garten und nur wenige einen Balkon, wo Erde und ein paar Pflanzen Platz finden. Die Parks bestehen weitgehend aus Rasen und geteerten Wegen und selbst die Friedhöfe werden mehr und mehr unter Steinplatten versiegelt. Deshalb ist die Zerstörung unserer Böden für die meisten auch schwerer erkennbar als die Folgen der Klimakatastrophe. Sie liefert nicht so dramatische Bilder wie das Schmelzen von Gletschern und leidenden Eisbären. Der Verlust der Biodiversität zeigt sich in riesigen, öden Monokulturen und aussterbenden Tierarten. Die Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit ist dagegen ein vorwiegend unterirdischer Prozess über einen längeren Zeitraum, und wenn es dann dramatische und emotionale Bilder von Bodenerosion oder großflächiger Versteppung beziehungsweise Verwüstung gibt, ist es meistens zu spät. Bisher mangelt es unserer Gesellschaft an Interesse und Wahrnehmung der Lebensnotwendigkeit der Böden. Das UN-Jahr des Bodens brachte 2015 das Thema zwar weltweit auf die Tagesordnung, aber die Aktivitäten dazu haben „den Mann und die Frau auf der Straße" kaum erreicht. Nachfolgende Beispiele zeigen, wie engagierte Pioniere Initiative ergreifen, um über Bedrohungen und Lösungen aufzuklären.
 
Grund zum Leben – ein deutschsprachiges Netzwerk
Anlässlich des UN-Bodenjahres hat die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit Boden. Grund zum Leben eine sehr interessante Informationsplattform, verbunden mit einem Partner-Netzwerk, geschaffen. Zu den Partnern gehören neben dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem Institute for Advanced Sustainability Science (IASS) sowie dem Umweltbundesamt (UBA) auch Organisationen der Umweltschutzbewegung (WWF, NABU) und der Bewegung des biologischen Landbaus (Bioland, Naturland, Stiftung Ökologie & Landbau). Damit erreicht die Bodenthematik viele Menschen im deutschsprachigen Raum. Mit der Aufforderung „Werden Sie bodenständig!" sowie einer Fülle aktueller Informationen zu allen Aspekten von Boden wirbt die Initiative dafür, sich gemeinsam für mehr Bodenschutz einzusetzen.
 
Wertvolle Filme – Spotlights auf das Bodenthema
Inspiriert durch das UN-Jahr des Bodens hatte sich das „Green Me Filmfestivals" 2015 dem Thema „Soil > Soul > Food" gewidmet und schlug eine Brücke von Mutter Erde (Soil) über unsere Lebensmittel (Food) zum emotionalen Aspekt (Soul). Filme mit der Ausdruckskraft der bewegten Bilder sind dank der dramaturgischen Möglichkeiten ein sehr geeignetes Kommunikationsinstrument. Dies zeigen zwei hervorragende Animationsfilme, „Lasst uns über Boden sprechen" sowie „Better save soil", die das IASS (Institut für Nachhaltigkeitsforschung) produziert hat.

Ganz besonders empfehlenswert ist der Film „Unser Boden, unser Erbe", ein Dokumentarfilm, durch den Regisseur Marc Uhlig eindringlich vermittelt, warum der Boden unsere größte Wertschätzung verdient. Experten wie TV-Köchin Sarah Wiener und Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker geben wertvolle Denkimpulse. Ein inspirierendes Plädoyer für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und nachhaltige Ernährung. Fans engagierter Filme können den Film als Video on Demand oder DVD über den W-film-Shop direkt kaufen. Dort kann man auch Lizenzen für Filmvorführungen in einer Gruppe erwerben. Für Bildungszwecke gibt es zudem kostenfreies Schulmaterial zum Download.
 
Expedition Erdreich – Bodenforscher gesucht
Citizen Science bedeutet übersetzt Bürgerwissenschaft. Dabei forschen interessierte Bürgerinnen und Bürger zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, indem sie zum Beispiel Messungen in ihrem Umfeld durchführen oder Daten auswerten. Um den Zustand unserer Böden bewerten und sie in Zukunft nachhaltiger nutzen zu können, sammeln Bürger*innen bei der Mitmachaktion Expedition Erdreich wertvolle Informationen! Dabei nutzen sie verschiedene Methoden, um wissenschaftliche Daten zum Bodenzustand zu sammeln.
 
Das Herzstück der Aktion ist die so genannte Tea-Bag-Index-Methode, ein einfaches und wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, mit dem man bestimmen kann, wie schnell Bodenorganismen Pflanzenreste abbauen und in Humus umwandeln (Zersetzungsrate). Dazu wird pflanzliches Material, hier Grün- und Rooibos-Tee, gewogen, drei Monate lang im Boden vergraben, dort von den Bodenorganismen zersetzt und nach dem Ausgraben erneut gewogen. Die Daten dieser Methode und weiterer Untersuchungen gehen nach Abschluss der Aktion in eine europäische Datenbank ein. Mit Ihrer Beteiligung bei Expedition Erdreich erweisen Sie der Wissenschaft einen großen Dienst! Fodern sie gerne Infos und Material an.
 
Hast Du noch Töne – der Boden singt
Bei dem Projekt Sounding Soil (Tönender Boden), einer Kooperation der Stiftung Biovision mit der ETH Zürich, dem Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FIBL), der Züricher Hochschule der Künste und anderen, werden mit hochsensiblen Geräten Tonaufnahmen im Boden gemacht. Und es zeigt sich: Die Klein- und Kleinstorganismen (Bakterien, Pilze, Regenwürmer, Insekten, Spinnentiere etc.) agieren nicht im Stillen. Fast 200 Bürger in der ganzen Schweiz, darunter Bauern/Bäuerinnen, Musiker, Komponisten, Journalistinnen oder ganze Schul- und Kindergartenklassen erhielten Aufnahmegeräte und haben mit ihren Aufnahmen einen Bodenklangteppich der Schweiz erstellt.
 
Die kaum fassbare Vielfalt an Lebewesen im Boden und das Gewusel im Untergrund machen einen galaktischen Sound, der interessante Muster bietet, aus denen Rückschlüsse auf die Aktivität der Bodentiere und ihre Diversität gezogen werden können. Der Klangteppich zeigt auch die Auswirkung der Bodennutzung auf die Biodiversität: Je intensiver und industrieller die Nutzung, desto geringer der Klang im Boden. Dagegen sind biologische Weinberge besonders melodiös – quasi „Großes Orchester". Bei großer Trockenheit beziehungsweise im Winter wird es sehr still im Boden, denn dann ziehen sich die Lebewesen in die Tiefe zurück. Dieses Projekt zeigt auf wunderbare Weise, dass unser Boden nicht nur lebt, sondern klingt und „rockt". Lust auf eine Hörprobe?
 
Soil Selfies – Ihr Bild vom Boden
In Australien wurde die Bodenaktivistin und Bäuerin Jeane aktiv. Als ehemalige Lehrerin für Umweltpädagogik hat sie sich etwas Besonderes einfallen lassen. Sie nutzt die Leidenschaft der Menschen für Selfies und lädt sie ein, drei Aufnahmen zu machen: eine Nahaufnahme des Bodens, ein zweites Foto von der Bodennutzung und ein Selfie, das zeigt, wie man mit dem Boden pflegend umgeht und welche Herausforderung man dabei zu bestehen hat. Wer sich ein Bild über die Soil-Selfies machen oder gar Fotos einschicken will, findet hier weitere Informationen.
 
Kiss the ground – Highlight und praktische Anleitung
Kiss the Ground" ist ein abendfüllender Dokumentarfilm, der von Hollywood-Star Woody Harrelson gesprochen wird. Der Film konzentriert sich auf die Bodenfruchtbarkeit und zeigt zunächst, wie die konventionelle (moderne) Landwirtschaft und der Einsatz von Pestiziden gesunde, biodiverse Böden in unfruchtbare Erde verwandelt haben, in der Pflanzen nur schwer oder gar nicht mehr ohne chemische Hilfsmittel gedeihen können.
 
Das erschreckende Ausmaß der Zerstörung und mögliche Rettungsmaßnahmen werden durch brillante Filmaufnahmen und fesselnde Grafiken eindrucksvoll dargestellt. Dies ist kein trockener Dokumentarfilm – er ist dramatisch, leicht zu verstehen und fesselnd. Ein gesunder Boden, so die Botschaft des Films, ist entscheidend für das Überleben der Menschheit und vieler Spezies, mit denen wir diesen Planeten teilen. Einen Trailer finden Sie auf Youtube und den kompletten Film auf Netflix. Er ist eine Geschichte der Hoffnung und Teil eines mehrstufigen Programms, der Landwirte dazu ermutigt, auf regenerative Praktiken umzusteigen:
 
ChillChoc – Entspannung für die Erde!
Die Trinkschokolade ChillChoc verhilft nicht nur mit mit Hanf zu Entspannung mit Genuss, sondern möchte die unfruchtbaren Böden dieser Welt retten. Teile der Erlöse fließen in Open-Source-Projekte zur Bodenverbesserung in den Anbauländern des Kakaos. Das junge Unternehmen unterstützt kleine und mittelständische Landwirte durch Wissensvermittlung zur Bodenaufforstung mit Terra Preta. Letzteres ist eine selbstzüchtbare Schwarzerde und sorgt für gesündere Böden, gesunde Nahrung und somit gesunde Menschen – so die Vision.
 
Aktuell wurden bereits Open Source-Projekte in Sri Lanka, Brasilien und Peru angestoßen, die mit weiterem Wachstum ausgeweitet und intensiviert werden sollen. Bevor sich die Erfinder von ChillChoc überhaupt mit Kakao beschäftigt haben, ging es ihnen bereits darum, „die Erde zu retten". Burkhard von Stackelberg und Dave Tjiok, studierter Physiker und Chemiker, hatten eine Technik zur Produktion von Terra Preta (gezüchtete Schwarzerde) entwickelt, um unfruchtbare Böden wieder fruchtbar zu machen. Daher kommt auch der Name des Start-ups Dein Stück Erde UG, das hinter der Trinkschokolade mit Anspruch steckt. Konfrontiert mit Boden­erosion in Südamerika und ihrer Vision vor Augen, haben die beiden dann ChillChoc auf den Markt gebracht – als Kakao, der die Erde rettet, indem er Terra Preta-Projekte vorantreibt und auf die Thematik der Bodenerosion aufmerksam macht.
 
Landwirtschaft mit der Natur – Inspiration pur
Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist die Produktion von Nahrungsmitteln zu einem industrialisierten Business geworden. Die Natur kommt dadurch in unseren Kulturlandschaften buchstäblich unter die riesigen Räder der Landmaschinen. Die Zahl der Insekten nimmt dramatisch ab – und mit ihnen Populationen von Vögeln, kleinen Säugetieren, Reptilien und Amphibien. Lebewesen in Bächen und Flüssen werden Opfer von Giftstoffen aus der Landwirtschaft und das Grundwasser ist oft weit über die Grenzwerte belastet. Ist das der Preis, um die Bevölkerung zu ernähren? Muss das sein? Oder geht es auch anders?
 
Der Film aus der Reihe „NETZ NATUR" zeigt Pioniere einer anderen Landwirtschaft, die die Natur – die Lebensgemeinschaften eines natürlichen Waldes – als Vorbild nehmen, um mit Heerscharen von Kleinlebewesen im Boden, mit Pilzen und innovativen Kombinationen von Pflanzen rückstandsfreie, wertvolle Lebensmittel zu produzieren: faszinierende Ideen für eine neue Landwirtschaft mithilfe der Natur. Den Film finden sie in der 3Sat-Mediathek.
 
Florian Hurtig, „Paradise Lost" – Vom Ende der Vielfalt und dem Siegeszug der Monokultur
Florian Hurtig führt uns durch die Geschichte der Menschheit und des Anbaus ihrer Nahrungsmittel - von den Baumgärten der frühen Jomon-Kultur in Japan über die Anfänge der staatlichen Disziplinierung des Landbaus in Mesopotamien bis hin zur kolonialen Plantagenwirtschaft und zur Agrarindustrie unserer Tage. Er zeigt dabei eindrucksvoll, wie die Bildung hierarchischer Gesellschaften und Staaten zum Verlust vielfältiger Systeme geführt hat. So wurde der Weg geebnet für die bis heute vorherrschenden Strukturen: Monokultur, Monotechnik, Monopol.
 
Das Buch blickt dabei nicht nur zurück, sondern erzeugt eine klare Vorstellung davon, wie wir unsere Landwirtschaft und unsere Gesellschaften verändern müssen, um den aktuellen Krisen zu begegnen.
 
Mathias Forster, Christopher Schümann (Hrsg.), „Das Gift und wir" – Wie der Tod über die Äcker kam und wie wir das Leben zurückbringen können
Sie finden sich überall: im Trinkwasser, im Gemüse, im Obst, im Getreide, in der Milch, im Bier – in vielen unserer Lebensmittel. Und in uns selbst: im Gewebe, im Urin, in der Muttermilch. Überall da, wo sie nicht hingehören und nicht hingelangen sollen, finden wir die giftigen Hinterlassenschaften der industrialisierten Landwirtschaft, die Rückstände der synthetischen Pestizide.
 
Dieses Buch zeigt auf, wie die synthetischen Pestizide zur Bedrohung wurden und wie es ohne sie weiter gehen kann und muss. Die Autoren sind über 30 renommierte Expertinnen und Experten aus aller Welt; u.a. Prof. Dr. Vandana Shiva, Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Dr. Peter Clausing, Prof. Dr. Christopher J. Portier, Dr. Tanja Busse, Dr. Hans Rudolf Herren, Bernward Geier und André Leu.
 
Beatrice Voigt (Hrsg.), „Vom Werden"
Entwicklungsdynamik in Natur und Gesellschaft – Perspektiven einer zukunftsoffenen ­Wertekultur im Dialog von Wissenschaft, Kunst und Bildung
Die Welt befindet sich im Umbruch, ist überall von Instabilität und Unsicherheit gekennzeichnet. Zugleich nimmt die Dynamik von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen exponentiell zu. Komplexe, hochvirulente Problemfelder - bis hin zu Pandemie und Klimakrise - stellen höchste Anforderungen an die transformative Gestaltung einer Wirklichkeit, die überdies postfaktischer und ideologisierender Willkür ausgesetzt ist.
 
#Der vorliegende Band baut eine Brücke zu neuen Formen des vernetzten Denkens, die in der Gesellschaft wie auch in Wissenschaft und Bildung immer wichtiger werden. Ziel ist die Entfaltung von Perspektiven einer zukunftsoffenen Wertekultur, verbunden mit innovativen, zukunftsfähigen Potenzialen der Wertebildung und Wertschöpfung.
 
„The Story of a New World" – Einladung zu einem ­besonderen Filmprojekt
Nachwuchstalent Johanna Jaurich (27) und Regisseur & Produzent Carl-A. Fechner (67) vereinen ihre Kräfte und Perspektiven: Ihr gemeinsamer Kinofilm THE STORY OF A NEW WORLD soll Menschen weltweit mit ihrer ureigenen Kraft zum Wandel in Berührung bringen und die Vision einer nachhaltigen Welt mit lokalen Aktionen in 50 Länder dieser Erde tragen!
Der erste Schritt zur Verbreitung dieser Botschaft ist ganz einfach: Der Kauf eines Tickets. Sichern Sie sich und Ihren FreundInnen jetzt Ihre Tickets. Sie ermöglichen damit nicht nur die klimaneutrale Filmproduktion, sondern finanzieren mit jedem Ticket hierzulande vier Tickets für Menschen im globalen Süden mit!

Dieser Artikel ist in forum 01/2021 - SOS – Rettet unsere Böden! erschienen.

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