Peter Désilets
Umwelt | Ressourcen, 01.03.2019
EcoDesign bei Verpackungen
Die Branche bewegt sich langsam... und zwar schnell!
Im Bereich Verpackungslösungen herrschte lange das Dreieck des Wartens. Hersteller, Verpackungslieferanten, Handel – jeder hat auf den anderen gewartet. Man erwartete, dass der andere sich bewegt und etwas tut, fordert oder liefert… Damit ist nun Schluss, das Verpackungsgesetz einerseits und der Handel andererseits und nicht zuletzt die Verbraucher haben Bewegung in den Stillstand gebracht.
Wer die Branchennachrichten der letzten 18 Monate beachtet, liest von 100 Prozent recyclingfähigen Verpackungen‚ totalem oder großteiligem Verzicht auf Plastik, Einsatz von Recyclaten oder Reduzierung von Einwegprodukten. Auch Circular Economy ist ein neues Schlagwort, als hätte der Ansatz nie vorher existiert. Verpackungsbeschaffer suchen plötzlich umweltfreundliche Lösungen und Hilfestellung bei der Strategieentwicklung. Gefragt sind innovative Konzepte vom Design bis hin zur Total Cost Optimierung unter nationalen oder weltweiten Aspekten. Es geht also nicht mehr darum, dass man sich lediglich beiläufig dafür interessiert, um vorbereitet zu sein „just in case off…", es sind nun vielmehr die Chefetagen, die Nachhaltigkeit und umweltfreundliche Verpackungen auf die Prioritätenliste setzen und einfordern. Auch Start-ups haben Nachhaltigkeit ganz oben auf ihrer Agenda, denn die meist jüngere oder betuchtere Zielgruppe fragt nach besseren Lösungen für die Umwelt.Wie nähere ich mich Ecodesign?
Viele Unternehmen befassen sich erst seit kurzer Zeit mit dem Thema Nachhaltigkeit und sehen sich einem sehr komplexen Aufgabenfeld gegenüber, das selbst für erfahrene Branchenkenner nicht leicht zu durchschauen ist. Um die richtige Verpackung kursierten Halbwahrheiten, die nie wirklich hinterfragt wurden und mit denen es sich bis heute gut „aushalten" ließ. Die neuen Rahmenbedingungen erfordern nun beherztes Handeln. Aber Achtung: Aktionismus, also schnelle Lösungen ohne eine klare Strategie, kann teuer werden. Nachfolgende Empfehlungen helfen Unternehmen, Klarheit in ihre Verpackungsstrategie zu bringen:
- Machen Sie eine Basisanalyse Ihrer Umweltauswirkungen. Sie erkennen damit Ihre größten Hebel für Nachhaltigkeit – und in diesem Zuge auch häufig Kosteneinsparpotenziale. Allein die Prüfung der Klimaauswirkungen Ihres Unternehmens kann wertvolle Einsichten bringen. Und nach ersten Maßnahmen können Sie sogar kommunizieren, dass und wie Sie Ihren CO2-Fußabdruck reduzieren und kompensieren. Auch Nachhaltigkeitswettbewerbe, Siegel oder Zertifizierungen decken Handlungsoptionen auf.
- Definieren Sie Ihre Ziele und fassen Sie diese nicht zu eng. Richten Sie Ihre Strategie als erstes auf Ihre Nachhaltigkeitsziele und Absatzmärkte aus. Für den Export gelten häufig unterschiedliche Anforderungen. Seien Sie offen für neue Entwicklungen und vermeiden Sie Insellösungen, die meist teuer und zeitintensiv sind.
- Analysieren Sie auch Ihre Supply Chain. Die Erfahrung zeigt, dass die günstigsten Beschaffungskosten für jeden einzelnen Verpackungsschritt nicht unbedingt auch die niedrigsten Kosten und besten CO2-Werte für den kompletten Prozess bedeuten. Die Gesamtbetrachtung zeigt in der Regel Ersparnispotenziale und neue Wege auf. Das nachhaltigste Material aus entfernten Regionen zu beschaffen, kann den Umweltaspekt konterkarieren.
- Fordern Sie Ecodesign. Das bedeutet nicht nur, das umweltfreundlichste Material auszuwählen, sondern den für Ihre Produkte optimalen Mix zusammenzustellen. Recyclingfähige Verpackungen erfordern jeweils eine Anpassung an die regional unterschiedlichen Sammel- und Wiederverwertungsprozesse. Verpackungen für Regionen, in denen es keine Recyclingindustrie gibt, erfordern eine ganz andere Herangehensweise. Ecodesign heißt aber nicht nur, Material zu tauschen, sondern auch das Verpackungskonzept als Ganzes zu hinterfragen.
- Welche Anforderungen stellt das Produkt an die Verpackung, was ist wirklich wichtig in Logistik und Absatzkanal? Welche Funktionen der Verpackung sind nur „nice to have" und was sind wirklich signifikante Kaufanreize und Notwendigkeiten im Handel? So kann es etwa sein, dass ein sehr langes Haltbarkeitsdatum bei Frischeprodukten zwar eine hohe Sicherheit in der Logistik bietet, aber bei Schnelldrehern selten ausgereizt wird. Braucht es die eine oder andere besonders hohe Barriereanforderung überhaupt?
Hier ist der intensive Dialog mit dem Handel gefragt. Hinterfragen Sie deshalb auch, ob die besonders hohen Anforderungen für einzelne Produkte Ihres Sortiments unbedingt das Mindestmaß für alle Produkte sein müssen – auch für die mit geringeren Anforderungen. Definieren Sie deshalb die wichtigsten Produkte und konzentrieren Sie sich darauf, für diese jeweils den optimalen Verpackungsmix zu finden. Lassen Sie bewusst auch Sonderlösungen zu.
Futter für das Gehirn
Wenn Unternehmen anfangen, ihre Prozesse zu hinterfragen, sollten sie auch die Anwendung und Form ihrer Verpackung auf den Prüfstand stellen. Viele Produkte und Verpackungen existieren seit Jahren so, wie sie auf dem Markt sind. Dabei werden Nachteile häufig ausgeblendet, weil man es „schon immer so kennt und macht". Erlauben Sie in der Kreativphase für die Verbesserungen Ihrer Verpackungen auch andere oder kompaktere Formen. Sie können nicht nur mit besserer Akzeptanz beim Konsumenten rechnen, sondern erreichen, dass Ihr Kunde den Wandel beziehungsweise die nachhaltigere Verpackung und damit Ihre Bemühungen auch wahrnimmt.
Unser Gehirn ist durch die Evolution darauf getrimmt, nur dann Energie aufzuwenden, wenn es eine neue Information gibt. Bekannte Informationen werden nicht weiterverarbeitet, um den Energieaufwand zu reduzieren. Wenn also Ihre Verpackung nach einem Materialwechsel oder Nachhaltigkeitsrelaunch genauso aussieht wie vorher, dann registriert das Gehirn diese Neuerung nicht.
Business as usual ist vorbei
Sie müssen also ein Stück weit anders sein, um die Aufmerksamkeit des Gehirns zu erzielen. Nur das „eingeschaltete" Gehirn ist in der Lage, Ihre neuen Botschaften aufzunehmen. Wahrnehmbare Veränderungen sind ein gut sichtbarer Störer, eine andere Verpackungsform, eine andere Haptik des Materials oder ein verändertes Design. Aber Vorsicht, wenn Sie zu weit gehen, entsteht im Gehirn Irritation. Der Konsument erkennt sein altes Produkt nicht mehr, findet es nicht mehr und Sie riskieren, ihren Kunden zu verlieren. Das ist wohl die Furcht, warum viele lieber nichts oder wenig ändern, statt die Chance zu sehen, durch optimierte Verpackungen neue Verwender zu finden und treue Stammkunden noch mehr zu begeistern. Doch der Druck, der von mehreren Seiten auf die Industrie, den Handel und auf die Verpackungsbranche einwirkt, wird immer höher und lässt nun sehr schnell ein wahres Füllhorn an neuen Lösungen erwarten.
Peter Désilets ist Geschäftsführer der pacoon GmbH, einer Designagentur für nachhaltige Verpackungslösungen. Mit der SOLPACK 2.0, einer internationalen Konferenz für nachhaltige Verpackungen, will er Unternehmen bei ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen unterstützen und eine Netzwerkplattform für mehr Austausch bieten.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
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