Der Preis ist heiß

Wertschätzung durch integre Preisgestaltung

In der Reihe "Integritätsmarketing" stellen wir die 7 Ps eines neuen, zukunftsfähigen Marketing vor. Der Preis als Handlungsfeld für ein glaubwürdiges Unternehmen steht in dieser Ausgabe im Fokus. "Der Preis ist der üblicherweise in Geldeinheiten realisierte Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung", so die gängige Definition. Der Preis kann jedoch nicht nur Ausdruck dafür sein, was dem Kunden eine Leistung wert ist; er zeigt ebenso, welche Wertschätzung ein Unternehmen seinen Kunden entgegenbringt".

Was empfinden Sie, wenn Ihr Lieblings-Joghurt plötzlich 20 Gramm weniger Inhalt enthält und das bei gleichem Preis? Oder der Billigflug gar nicht mehr so billig ist, nachdem Sie die Extragebühren für Gepäck, Getränk und Toilette hinzugerechnet haben? Der Preis eines Produktes oder einer Dienstleistung hat nicht nur Auswirkungen auf den Absatz. Es geht um mehr als das: um Zufriedenheit, Loyalität, Empfehlungsbereitschaft und Vertrauen.

Preise sind heute transparenter denn je. Mit einem Klick kann man sich darüber informieren, was verschiedenste Hersteller und Händler für vergleichbare Produkte verlangen. Wenn Kunden Preise als unfair empfinden, dann wenden Sie dem Anbieter nicht einfach stillschweigend den Rücken zu. Die aufgeklärten und vernetzten Kunden von heute machen ihrem Ärger Luft, formieren sich in sozialen Netzwerken und rufen in wahren Entrüstungsstürmen zum Boykott auf. 

 
© Neumarkter Lammsbräu
 Auf sicherem Kurs im "Shitstorm"

Einen solchen "Shitstorm" hat unlängst das Online-Business-Netzwerk XING hervorgerufen, als dieses die Mitgliedsbeiträge der Schweizer Premium-Kunden um 67 Prozent anhob. Nachdem die Preise zehn Jahre lang unverändert geblieben waren, war eine Preiserhöhung an sich nachvollziehbar. Doch insbesondere die Art und Weise, wie XING seinen Mitgliedern die Preiserhöhung kommunizierte, stieß auf erhebliche Kritik. So ging den Usern eine Woche vor der Preiserhöhung eine Mail zu, in der angekündigt wurde, die Rechnungen "auf vielfachen Wunsch der Kunden" von Euro auf Schweizer Franken umzustellen. Erst danach wurde erwähnt, dass gleichzeitig eine Anpassung der Beiträge vorgenommen wird. Die Kunden fühlten sich durch die "Preiserhöhung auf Kundenwunsch" an der Nase herumgeführt und gingen auf die Barrikaden. Das Forum von XING wurde mit empörten Mitteilungen überschüttet, in sozialen Netzwerken wurden Anti-XING-Gruppen gegründet und eine Flut an Kündigungen, auch langjähriger Kunden, ging beim Online-Dienstleister ein.

Welcher Preis und welche Preiserhöhung als fair wahrgenommen werden, ist ein komplexes Konstrukt, das jede Marke und jedes Unternehmen für seine möglichst klar definierten Kundensegmente individuell ermitteln muss. Ein klarer Erfolgsfaktor für eine wahrgenommene Preisfairness über alle Branchen und Kundengruppen hinweg ist die Transparenz. Wenn Unternehmen ihren Kunden offen und klar erläutern, wie ein Preis zustande kommt und was sie sich bei der Preisbildung gedacht haben, ist viel gewonnen.

Ein Reinheitsgebot für den Preis

Die Brauerei Neumarkter Lammsbräu beispielsweise erläutert ihren Kunden ausführlich, warum das Bier mit Zutaten aus biologischer und regionaler Landwirtschaft etwas mehr kostet als konventionelle Biere. Auf der Unternehmenshomepage werden die Bauern, die in der 1988 gegründeten Erzeugergemeinschaft aktiv vom Unternehmen beim Bio- und Naturlandbau unterstützt werden, mit Foto und kurzem Lebenslauf vorgestellt und damit gleichzeitig auch ein Alleinstellungsmerkmal der Marke hervorgehoben. Denn eine solche Rückverfolgung bis zum Acker kann keine andere Brauerei in Deutschland bieten.

Zwischen teuren Werbekampagnen und schillernden Imagebroschüren vergessen Unternehmen und Marken oft, dass der Preis eines der wichtigsten Kommunikationsinstrumente ist. "Preise senden unmissverständliche Botschaften darüber aus, welche Werte ein Unternehmen verfolgt, was es über seine Kunden denkt und wie es mit ihnen umgehen will", sagen auch die Wirtschaftsprofessoren Bertini und Gourville in ihrer Veröffentlichung zum "Wert fairer Preise".1

Preise sind kein Kinderspiel

Der Preis als Ausdruck von Wertschätzung, für Kunden ebenso wie für weitere Anspruchsgruppen, kann neben einer transparenten Erläuterung auch durch individuelle Preisangebote verstärkt werden. Die Marke JAKO-O bietet als Hersteller und Versandhändler von Kinderprodukten beispielsweise Rabatte für Großfamilien und mit verschiedenen "Leihkisten" die Möglichkeit, Utensilien für Kindergeburtstage zu mieten statt zu kaufen. Im Ausdruck der Wertschätzung für Kunden geht JAKO-O noch einen Schritt weiter und engagiert sich auf gesellschaftspolitischer Ebene für ein kinderfreundliches Deutschland, z.B. durch die geringere Besteuerung von Produkten für Kinder und Familien. forum befragte Bettina Peetz, Geschäftsleiterin von JAKO-O zu der Aktion "7% für Kinder".
© JAKO-O 
Wenn Produkte für Kinder und Familien mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz versehen werden, bedeutet dies eine Preissenkung Ihrer Produkte. Ist es legitim, mit der Unterstützung einer gesellschaftspolitischen Aktion auch einen Selbstzweck zu verfolgen?

Generell finde ich es nicht verwerflich, solange der gute Zweck im Fokus steht und dieser nicht durch wirtschaftliche Interessen geschmälert wird. Wenn als Resultat der Aktion Gesellschaft UND Unternehmen profitieren, ist das natürlich ein schöner Zusatzeffekt. In unserem Fall kann eine Absatzsteigerung aber nicht das Ziel sein. Denn ob und wann ein solcher Effekt aus der Aktion hervorgeht, ist nicht kalkulierbar. Da gibt es effektivere Mittel. Außerdem würden im Falle einer reduzierten Mehrwertsteuer alle Anbieter aus Wettbewerbsgründen die Preise senken. JAKO-O hätte durch eine Preissenkung somit keinen Wettbewerbsvorteil.

Wurde die Kombination aus gesellschaftlicher Verantwortung und wirtschaftlichem Selbstzweck schon einmal kritisiert?

Nein, bei uns ist weder seitens der Öffentlichkeit noch seitens der Medien Kritik eingegangen. Das liegt vermutlich auch daran, dass JAKO-O für sein intrinsisch motiviertes Engagement bekannt ist. Familien über das Produktangebot hinaus auch als Partner zu unterstützen, sie ernst zu nehmen und ihre Bedürfnisse in der Öffentlichkeit zu vertreten, ist eine wichtige Säule unserer Unternehmensphilosophie. Die meisten von uns sind selbst Eltern - und mit der Unterstützung eines Unternehmens im Rücken können wir viel mehr erreichen als allein und auf eigene Faust. Seit der Gründung vor 27 Jahren initiieren und unterstützen wir deshalb Projekte für mehr Familienfreundlichkeit, unabhängig von wirtschaftlichen Interessen.

Das ausführliche Interview finden Sie hier.

Preise sind also mehr als ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Sie sind Signale der Wertschätzung für Kunden sowie weitere Interessensgruppen und machen deutlich, welche Kommunikations- und Wertekultur im Unternehmen gepflegt wird. Marken, die dies berücksichtigen, können sich der Preisdumpingspirale entziehen weil sie ihren Kunden deutlich machen, dass sie ihren Preis wert sind.

Dr. Dennis Lotter
ist Berater und Studiengangleiter der Masterstudienrichtung Sustainable Marketing & Leadership an der Fresenius Hochschule Idstein. Seine Passion ist die Ausbildung engagierter und verantwortungsbewusster Führungspersönlichkeiten der nächsten Generation.

www.benefitidentity.com

Wirtschaft | CSR & Strategie, 01.07.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2014 - Tooooor! 3:0 für Nachhaltigkeit erschienen.
     
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