Der Weg ist das Ziel!
Mörder-Preise! Cool, aber tödlich!
Protest gegen Primark © Carmen TreuliebVerbraucher interessieren sich heute für mehr als das Endprodukt im Ladenregal. Wo kommen die Rohstoffe her? Welchen Weg legen sie zurück? Unter welchen Bedingungen werden sie verarbeitet? Wie kommt das Produkt in den Laden und welche Löhne erhalten dort die Angestellten?
Der aufgeklärte Verbraucher stellt Fragen und gibt sich mit bunten Siegeln auf der Verpackung als Antwort nicht mehr zufrieden. Unternehmen und Marken stehen damit vor neuen Herausforderungen in der transparenten Darstellung ihrer Liefer- und Distributionskette und der möglichst lückenlosen Rückverfolgbarkeit vom Rohstoff bis zum Endprodukt.
Track My T – Pionier der Produkttransparenz
Die Initiative „Track my T" des Textilherstellers Anvil hat hier vor einigen Jahren Standards gesetzt. Lange bevor Marken wie Rügenwalder oder Followfish via QR-Code auf der Verpackung Einblicke in die Stationen der Lieferkette gewährten, ermöglichte Anvil seinen Kunden, den Lebensweg der Shirts über einen eingenähten Zahlencode vom Baumwollfeld über die Verarbeitung bis in den Kleiderschrank zu verfolgen.
An dieser Stelle macht Anvil aber noch nicht Halt und gibt den Käufern Tipps, wie sie selbst die Nachhaltigkeitsbilanz ihrer Shirts verbessern können, z.B. durch ökologisch effizientes Waschen oder die Weitergabe an Secondhandshops. Dabei bewegen sich die Shirtbesitzer in einer abwechslungsreichen, virtuellen Welt, in der sie den Bio-Farmer samt Hund kennenlernen oder den Mitarbeitern im Verteilungszentrum per Video bei der Arbeit über die Schultern schauen können.
Prozessketten greifbar machen
Die Liefer- und Distributionskette nicht nur lückenlos offenzulegen, sondern auch für Kunden greifbar und interessant darzustellen, ist keine leichte Aufgabe für integere Marken. Ohne Frage gibt es Stationen entlang der Wertschöpfung, die weniger spannend und emotional sind als eine Näherei in Bangladesch und entlang derer es vornehmlich darum geht, seine „Hausaufgaben" zu machen. Einige Unternehmen versuchen, Daten wie den CO2-Footprint oder auch den Waterfootprint (z.B. bei Jeans) entlang der Kette zu erfassen und den Erfolg ihrer Maßnahmen an der Entwicklung dieser Kennzahlen zu belegen.
Es lohnt sich, alle Wertschöpfungsstufen vom Rohstoff bis zum Recycling systematisch im Hinblick auf eine höhere Umwelt- und Sozialverträglichkeit zu überprüfen und beispielsweise auch die bisher wenig beachteten Transportprozesse ökoeffizienter zu gestalten.
Systematik zahlt sich aus
Eine integere Marke sollte nicht nur diejenigen Hotspots im Auge behalten, die aktuell besonders medienrelevant sind, sondern ebenso wie memo alle Prozesse entlang der Liefer- und Distributionskette einer systematischen Analyse unterziehen, um Verbesserungspotenziale für Umwelt und Gesellschaft zu erschließen. Je nach Unternehmen und Branche können die Fragestellungen und Nachhaltigkeitsthemen variieren. Mögliche Fragestellungen sind in der Abbildung aufgeführt.
Eine unternehmensindividuelle Priorisierung der sozialen und ökologischen Aspekte nach Geschäftsrelevanz und Bedeutung bei zentralen Anspruchsgruppen ist daher notwendig. Herkunft und Arbeitsbedingungen, die heute noch im Vordergrund stehen, sind nur Teil einer langen Kette, die in ihrer Gesamtheit immer mehr in das Interesse aller Anspruchsgruppen rücken wird. Vom Rohstoff bis zur Wiederverwertung Verantwortung zu übernehmen und integer zu handeln, verlangt einen langen Atem und Disziplin. Doch mit einer systematischen Vorgehensweise werden Risiken reduziert, Verbesserungspotenziale – auch an ungeahnter Stelle – erschlossen und damit der Markenerfolg langfristig gesteigert.
Von Dr. Dennis Lotter
Dr. Dennis Lotter
ist Berater und Studiengangleiter der Masterstudienrichtung Sustainable Marketing & Leadership an der Hochschule Fresenius Idstein. Seine Passion ist die Ausbildung engagierter und verantwortungsbewusster Führungspersönlichkeiten der nächsten Generation.
www.benefitidentity.com
Ein Versandhändler für nachhaltige Büroausstattung zeigt mit seiner Wertstoffbox, dass dabei eindrucksvolle Innovationen entstehen können, die auch bei Kunden eine hohe Wertschätzung erfahren. Im Interview berichtet Nachhaltigkeitsmanager Lothar Hartmann über das einzigartige Angebot.
Mit der „memo Box" haben Sie einen innovativen Weg gefunden, die ökologischen Auswirkungen in Ihrer Versandlogistik zu optimieren. Was macht das Boxsystem so besonders?
© Memo AG
Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Versandkarton, der meist nach einmaligem Gebrauch in der Papiertonne landet, ist die „memo Box" fast unbegrenzt einsetzbar. Die Boxen sind aus stabilem Polypropylen und schützen dadurch zusätzlich die Ware vor Nässe und Beschädigungen. Mittlerweile haben wir Boxen, die bereits über 80 Umläufe geschafft haben. Über einen Vergleich der beiden Versandsysteme haben wir ermittelt, dass eine „memo Box" nach 55 Umläufen ökologisch sinnvoller ist als ein Karton. Aufgrund der Vermeidung von Kartonagenabfall und der Schonung wertvoller Ressourcen trägt unser Mehrweg-Versandsystem seit diesem Jahr den Blauen Engel. Zukünftig planen wir, die Boxen aus Recyclingmaterial zu fertigen. Dadurch sparen wir weitere Emissionen und Ressourcen ein.
Was würden Sie anderen Unternehmen und Marken raten, die ihre Distributionskette überdenken möchten, um damit einen positiven Beitrag für Umwelt oder Gesellschaft zu leisten?
Ich empfehle eine ganzheitliche Analyse aller Prozesse und eingesetzten Ressourcen zusammen mit allen Prozessbeteiligten. Dadurch kann festgestellt werden, an welcher Stelle Verbesserungsmöglichkeiten sinnvoll und machbar sind. Abhängig von der Branche und dem Produkt-, bzw. Dienstleistungsportfolio des Unternehmens können diese sehr unterschiedlich sein.
Mögliche Fragestellungen im Integritätsmarketing
Rohstoff
• Fördern wir den Anbau von uns benötigter Rohstoffe in unserer Region?
• Setzen wir uns aktiv gegen die Übernutzung von Rohstoffen ein?
Zulieferer
• Achten wir bei der Lieferantenauswahl auf soziale/ökologische Kriterien?
• Überprüfen wir die Einhaltung der Kriterien durch Audits?
Beschaffung
• Gibt es Maßnahmen zur Reduzierung von Transporten?
• Werden bei der Transportmittel-Wahl ökologische/ soziale Kriterien berücksichtigt?
Produktion
• Ist die systematische Reduktion des Ressourcen-verbrauchs ein Unternehmensziel?
• Wird der CO2-Footprint der Produkte ermittelt?
Verteilung
• Sind unsere Verpackungen wiederverwendbar?
• Bündeln wir unsere Lieferungen im Sinne der Transportreduktion?
Händler
• Achten wir bei der Händlerauswahl auf soziale/ökologische Kriterien?
• Schulen wir unsere Händler im nachhaltigen Wirtschaften?
Kunden
• Steigern wir das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Kunden durch gezielte Kampagnen?
• Verbraucht die Produktanwendung wenig Ressourcen?
Recycling
• Haben wir auch an die Wiederverwertung gedacht?
• Existiert ein Cradle to Cradle- Konzept oder Pfandsystem?
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2014 - Green Tech als Retter der Erde erschienen.
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