Die Macht des Designers
... für Werte und Sinnfindung
Von Dagmar Walser
Wenn das Ethische fehlt, fehlt die Schönheit. Und mit schönen Dingen nicht nur Einzelne, sondern die Welt verbessern - darum geht's!
Wo wären wir heute, wenn Simonetta Carbonaro nicht seit 25 Jahren internationale Unternehmen der Konsumgüterbranche klug beraten würde? Immerhin stammt von ihr der wegweisende Ausspruch: "form follows sense". Die gebürtige Mailänderin lehrte 10 Jahre an der italienischen postgraduierten Design-Schule Domus Academy, betreibt in Deutschland eine Beraterfirma und hat im schwedischen Borås eine Professur für Humanistic Marketing and Design Management inne. Sie gilt als eine der renommiertesten Vordenkerinnen des kulturellen Wandels in Europa und gibt in ihrer Funktion als Expertin für Konsumpsychologie, Innovationsmanagement und Strategic Design Management nachhaltige Denkanstöße.
Zeitgemäße Konsumkultur
Seit 2002 lehrt Simonetta Carbonaro in der kleinen Provinzstadt Borås an der Swedish School of Textiles University of Borås nach dem von ihr konzipierten Programm "The Design of Prosperity". Das ungewöhnliche Ausbildungskonzept beinhaltet etwas, was man auf den ersten Blick für selbstverständlich hält: Die zukünftigen Designer werden angehalten, nachzudenken.
Studenten werden hier nicht nur in Design-Management unterrichtet, sie arbeiten zusätzlich an den Grundlagen einer zeitgemäßen Produktions- und Konsumkultur. Damit wird dem Trend Rechnung getragen, sich stärker mit den sozialen und ökologischen Folgen des menschlichen Verhaltens zu beschäftigen. Es ist der Versuch, eine Debatte über verantwortungsbewusstes Design und die Gesellschaft von morgen anzustoßen, über das Design der Gesellschaft in Zeiten allgemeinen Wohlstands. "Der neue Wohlstand wird ein kultureller sein", davon ist Simonetta Carbonaro überzeugt.
Das Design of Prosperity ist ein offenes Format, das sich durch ständiges Hinterfragen den Werten annähert, die so etwas wie Wohlstand ausmachen und fragt dabei eben nicht nach den vordergründigen Bedürfnissen der Massen.
Suchen und Finden von Werten
Kreativität ist Voraussetzung für das Studium. Die Beschäftigung mit Philosophie und Anthropologie, Archäologie und Soziologie, Geschichte und Kunst aber ist unerlässlich für die, die sich hier ausbilden lassen. Man arbeitet gemeinsam an einer Bewusstseinserweiterung für die Branche und ihre Kunden - und damit für die Gesellschaft. Es geht heute nicht mehr um Kundenorientierung, sondern vielmehr darum, dem Kunden Orientierung zu geben. Laut Simonetta Carbonaro stecken wir mitten in einer epochalen Umwälzung des Konsumverhaltens, deshalb funktioniert auch das heutige Marketing nicht mehr. " Wenn alle schreien, dann bekommt derjenige die Aufmerksamkeit, der leise spricht". In einer Warenwelt, in der einem immer neue Erlebnisse versprochen werden, sucht man echte und authentische Erfahrungen. Was interessiert ist Veränderung, und an der kommt auch die Design-Branche nicht vorbei. " Es ist nicht das Glas, um das es geht. Es ist das Wasser". Es reicht also nicht mehr aus, über nachhaltiges Design zu debattieren, die gerechtesten Handelswege und die ressourcenschonendsten Materialien auszumachen. Die Welt, ist kein "Kosmos", keine "Weltordnung", die sich mit schlichten Regeln erfassen und verändern lässt. "In einer sich ständig verändernden Welt kann man nicht an Modelle glauben."
Design bedeutet Wandel
Zwei PhD Studenten und ein Kollege schrieben zusammen mit Simonetta Carbonaro das Büchlein "Concerning Design", ein Notizbuch voller Gedankenfragmente. "Wir glauben an die Macht des Designers", heißt es darin. "Aber gerade deshalb sehen wir auch, wie Design in der Gesellschaft Schlechtes bewirken kann."
Simonetta Carbonaro spürt, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet, dass das alles Sinn ergibt. Es wird nicht bloß auf die gesellschaftliche und umweltpolitische Verantwortung von Designern abgezielt, auch wenn sie enorm ist: Die Umweltbelastung eines Produkts etwa wird zu mehr als 80 Prozent bereits in der Designphase bestimmt. Ihre Seminare stellen vielmehr Fragen wie: Was bedeutet heute eigentlich noch "Made in .?" Und man lädt zur offenen Diskussion mit internationalen Gästen ein, mit Querdenkern. Die Designer arbeiten zum Beispiel mit einer Journalisten-Hochschule zusammen, um Fabriken und Arbeiter in osteuropäischen Niedriglohnländern zu besuchen und über Würde zu diskutieren. Sie forschen nach Materialien, deren Produktion wenig Energie und Rohstoffe verbraucht, versuchen die Stärken uralter Techniken wieder zu verstehen und Smart Textiles zu entwickeln, die eines Tages etwa Sensoren zur Überwachung von Puls und Blutdruck enthalten könnten. In einer sich ständig verändernden Welt muss man komplexer und flexibler denken.
Ist bei aller Sinnsuche die Sehnsucht nach Schönheit der Dinge erlaubt? Für Carbonaro ist die Antwort klar: "Es ist die Frage von Ethik und Ästhetik. Wir brauchen die Schönheit, das gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen! Ich würde sogar sagen: zu den Grundrechten."
Wenn das Ethische fehlt, fehlt die Schönheit. Und mit schönen Dingen nicht nur Einzelne, sondern die Welt verbessern - darum geht's!
Simonetta Carbonaro |
Zeitgemäße Konsumkultur
Seit 2002 lehrt Simonetta Carbonaro in der kleinen Provinzstadt Borås an der Swedish School of Textiles University of Borås nach dem von ihr konzipierten Programm "The Design of Prosperity". Das ungewöhnliche Ausbildungskonzept beinhaltet etwas, was man auf den ersten Blick für selbstverständlich hält: Die zukünftigen Designer werden angehalten, nachzudenken.
Studenten werden hier nicht nur in Design-Management unterrichtet, sie arbeiten zusätzlich an den Grundlagen einer zeitgemäßen Produktions- und Konsumkultur. Damit wird dem Trend Rechnung getragen, sich stärker mit den sozialen und ökologischen Folgen des menschlichen Verhaltens zu beschäftigen. Es ist der Versuch, eine Debatte über verantwortungsbewusstes Design und die Gesellschaft von morgen anzustoßen, über das Design der Gesellschaft in Zeiten allgemeinen Wohlstands. "Der neue Wohlstand wird ein kultureller sein", davon ist Simonetta Carbonaro überzeugt.
Das Design of Prosperity ist ein offenes Format, das sich durch ständiges Hinterfragen den Werten annähert, die so etwas wie Wohlstand ausmachen und fragt dabei eben nicht nach den vordergründigen Bedürfnissen der Massen.
Designerinnen wie Tatjana Krischik sind sich bewusst, dass die Vermittlung von Werten wie Fairness und Glaubwürdigkeit bis Authentizität und Transparenz inzwischen wichtige Verkaufsargumente sind. |
Kreativität ist Voraussetzung für das Studium. Die Beschäftigung mit Philosophie und Anthropologie, Archäologie und Soziologie, Geschichte und Kunst aber ist unerlässlich für die, die sich hier ausbilden lassen. Man arbeitet gemeinsam an einer Bewusstseinserweiterung für die Branche und ihre Kunden - und damit für die Gesellschaft. Es geht heute nicht mehr um Kundenorientierung, sondern vielmehr darum, dem Kunden Orientierung zu geben. Laut Simonetta Carbonaro stecken wir mitten in einer epochalen Umwälzung des Konsumverhaltens, deshalb funktioniert auch das heutige Marketing nicht mehr. " Wenn alle schreien, dann bekommt derjenige die Aufmerksamkeit, der leise spricht". In einer Warenwelt, in der einem immer neue Erlebnisse versprochen werden, sucht man echte und authentische Erfahrungen. Was interessiert ist Veränderung, und an der kommt auch die Design-Branche nicht vorbei. " Es ist nicht das Glas, um das es geht. Es ist das Wasser". Es reicht also nicht mehr aus, über nachhaltiges Design zu debattieren, die gerechtesten Handelswege und die ressourcenschonendsten Materialien auszumachen. Die Welt, ist kein "Kosmos", keine "Weltordnung", die sich mit schlichten Regeln erfassen und verändern lässt. "In einer sich ständig verändernden Welt kann man nicht an Modelle glauben."
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Zwei PhD Studenten und ein Kollege schrieben zusammen mit Simonetta Carbonaro das Büchlein "Concerning Design", ein Notizbuch voller Gedankenfragmente. "Wir glauben an die Macht des Designers", heißt es darin. "Aber gerade deshalb sehen wir auch, wie Design in der Gesellschaft Schlechtes bewirken kann."
Simonetta Carbonaro spürt, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet, dass das alles Sinn ergibt. Es wird nicht bloß auf die gesellschaftliche und umweltpolitische Verantwortung von Designern abgezielt, auch wenn sie enorm ist: Die Umweltbelastung eines Produkts etwa wird zu mehr als 80 Prozent bereits in der Designphase bestimmt. Ihre Seminare stellen vielmehr Fragen wie: Was bedeutet heute eigentlich noch "Made in .?" Und man lädt zur offenen Diskussion mit internationalen Gästen ein, mit Querdenkern. Die Designer arbeiten zum Beispiel mit einer Journalisten-Hochschule zusammen, um Fabriken und Arbeiter in osteuropäischen Niedriglohnländern zu besuchen und über Würde zu diskutieren. Sie forschen nach Materialien, deren Produktion wenig Energie und Rohstoffe verbraucht, versuchen die Stärken uralter Techniken wieder zu verstehen und Smart Textiles zu entwickeln, die eines Tages etwa Sensoren zur Überwachung von Puls und Blutdruck enthalten könnten. In einer sich ständig verändernden Welt muss man komplexer und flexibler denken.
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Quelle:
Wirtschaft | Branchen & Verbände, 27.03.2012
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