Nachhaltig kooperieren

Gemeinsam Mehrwert schaffen

Warum schaffen es selbst intelligenteste Macher häufig nicht, gemeinsam Ziele zu erreichen? Nachhaltiges Wirtschaften lässt sich nicht im Alleingang realisieren. Jeder ist auf das Mitmachen anderer angewiesen. Nachhaltiges Kooperieren ist keine schöngeistige Beschäftigung, sondern nüchterne Notwendigkeit.

Kooperation = Beziehung + Sache
Foto: © Gerd Altmann/ www.pixelio.de
Damit Kooperationen funktionieren, müssen sie sich für alle Beteiligten lohnen. Wer würde auf Dauer in einer Kooperation verbleiben, wenn er davon keinen Nutzen hätte? Dieser muss nicht zwingend kommerzieller Natur sein, aber auch Kooperationen müssen sich zumindest auf längere Sicht rechnen. Das gelingt nur, wenn Kooperationen langfristig angelegt sind und so kumulativ Früchte tragen können. Ständiges Wechseln von Kooperationspartnern ist wirtschaftlich und menschlich schlicht zu aufwändig. Kooperationen werden grundsätzlich dann eingegangen, wenn Parteien sich davon die Förderung gemeinsamer Interessen erhoffen. Allerdings treten dabei unvermeidlich auch Interessenkonflikte auf. Spätestens wenn es einen Kuchen zu verteilen gibt oder wenn man sich an Kosten beteiligen muss, ist häufig Gerangel um die Größe der jeweiligen Anteile angesagt. Man sollte sich deshalb von folgenden Prinzipien leiten lassen:

Kooperation = Beziehung + Sache
Was Menschen mit Dingen - Ideen, Produkten, Verfahren, Preisen, Terminen - tun, ist "Sache". Was Menschen über Dinge anderen Menschen antun, ist "Beziehung". Wenn ein Lieferant seinem Kunden schlechte Ware liefert, ist das zunächst "Sache". Indem er aber damit dem Kunden Schaden zufügt und ihm seine Geringschätzung zum Ausdruck bringt, entsteht zusätzlich zum Sach- ein Beziehungsproblem. Das Gleiche geschieht bei nicht eingehaltenen Terminen oder unterlassenen Benachrichtigungen. Nicht erfüllte Erwartungen erzeugen neben Sach- häufig auch Beziehungsprobleme. Die Prüffrage dafür lautet: "Wie fühle ich mich vom Kooperationspartner behandelt?" Ebenso sollte man sich fragen: "Wie fühlt er sich vermutlich von mir behandelt?". Probleme in der "Sache" sollten rein sachgerecht - z.B. technisch, kaufmännisch oder juristisch - angegangen werden. Behandelt man jedoch Beziehungsprobleme "ganz sachlich" statt menschlich und menschengerecht, werden sie womöglich gar noch verschlimmert.

Vertrauensbeziehungen aufbauen und erhalten
Gegenseitiges Vertrauen ist die Tragfläche für jede zwischenmenschliche Beziehung. Ohne sie kommen Beziehungen gar nicht erst zum Fliegen oder sie stürzen, wenn das Vertrauen zerbricht, ab. Wie baut man gegenseitiges Vertrauen auf und erhält es aufrecht? Muss man es erst schenken, um es nachher zu gewinnen? Nicht jeder verdient unser unbegrenztes Vertrauen! Ein potenzieller Partner sollte sich unseren Glauben an seine Verlässlichkeit allmählich durch Bewährung erwerben. Dies gilt natürlich genauso für ihn, wenn wir seine Gunst erwerben wollen. Dafür müssen wir uns vertrauenswürdig verhalten. Nicht Vertrauensseligkeit, sondern Vertauenswürdigkeit ist von uns gefragt. Und dies bedeutet: Wir müssen meinen, was wir sagen, und danach handeln. Wenn wir meinen, was wir sagen, wird unsere verbale mit unserer non-verbalen Kommunikation (Tonfall, Mimik, Gestik) übereinstimmen. Genau diese "Authentizität" ist wichtig für Kooperationen.

Wir müssen nicht alles sagen, was wir meinen, aber hinter dem stehen, was wir sagen. Manchmal bedeutet Vertrauenswürdigkeit, dass wir uns anvertraute Dinge vertraulich behandeln, also für uns behalten. Eingegangene Versprechen müssen wir auch halten. Es fördert die Zusammenarbeit mehr, auf Versprechungen zu verzichten, als das Versprochene nicht halten zu können. Vertrauenswürdig sind wir nur dann, wenn wir uns nicht aus Opportunitätsgründen gelegentlich, sondern grundsätzlich durchgängig vertrauenswürdig verhalten - getreu dem Sprichwort "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, selbst wenn er auch die Wahrheit spricht."

Diesen Wert, den andere uns damit verleihen, nennt man nicht umsonst "Vertrauenskapital". Es erleichtert die Kommunikation und trägt die Kooperation sicher auch durch turbulente Phasen. Umgekehrt ist Misstrauen eine Brutstätte für Missverständnisse, die ihrerseits weiteres Misstrauen erzeugen. Provokant gefragt: Was gibt es Dümmeres, als wissentlich und willentlich das Vertrauen eines Kooperationspartners zu verspielen?

Unterschiedliche Sichtweisen respektieren
Menschen können nicht anders, als Dinge aus ihrer jeweiligen Perspektive wahrzunehmen. Diese ist das Produkt von Bedürfnislagen, gemachten Erfahrungen, Gewohnheiten, Überzeugungen, Wertvorstellungen und Kulturen. So sehen beispielsweise Juristen berufsbedingt Risiken, wo Verkäufer nur Chancen sehen möchten. Je nach Rolle oder Aufgabe ist die Optik eine andere. Dies führt gern zu Rechthaberei oder, schlimmer noch, zum Lächerlichmachen der "fremden" Sichtweise. Dass sich der andere dabei nicht gut behandelt fühlt (Beziehungsproblem), liegt auf der Hand. Man sollte besser versuchen, die andere Sicht der Dinge zu verstehen, d.h. deren Hintergründen nachzugehen. Beim Kooperieren ist es hilfreich, die Tatsache unterschiedlicher Wahrnehmungen zu akzeptieren, die jeweils andere Sichtweise zu respektieren und möglichst auf sie einzugehen.

Interessen erkennen, gewichten und anerkennen
Ein Interesse ist nicht, was jemand will, sondern warum oder wozu er oder sie es will. Ein "definiertes Ziel", eine "klare Vorstellung", eine "konkrete Forderung" ist kein Interesse, sondern eine gedankliche Annahme darüber, wie ein Interesse oder ein Bündel von Interessen befriedigt werden soll. Wer diese Annahme mit Vehemenz vertritt, verkennt, dass es vielleicht noch ganz andere, vielleicht viel bessere Möglichkeiten gibt, die zugrunde liegenden Interessen zu befriedigen. Es sind die Interessen, die uns wirklich bewegen oder auch stoppen. Deshalb lohnt es sich, bei sich selbst und beim Kooperationspartner solche hinter den gedanklichen Vorstellungen oder gar hart verteidigten Verhandlungspositionen liegenden Beweggründe zu erforschen. Man wird dabei feststellen, dass meist mehrere im Spiel sind, die auf Erfüllung, mindestens aber auf Berücksichtigung drängen. Hier hilft es, die einzelnen Interessen zu gewichten. Schließlich sollten Kooperationspartner ihre jeweiligen Interessen gegenseitig anerkennen und damit ernst nehmen. Für eine fruchtbare Zusammenarbeit ist es ungemein förderlich, wenn man die eigenen Interessen beim Partner "in guten Händen" weiß. Mit Schwäche oder klein beigeben hat dies nichts zu tun. Was spricht dagegen, auf der Grundlage einer Vertrauensbeziehung und mit dem Nebeneffekt ihrer weiteren Festigung offen über Interessen zu sprechen und diese als solche gelten zu lassen? Letztlich ist es die Befriedigung von wichtigen Interessen, die über den Verbleib in einer Kooperation entscheidet.

Mit Kreativität den Kuchen vergrößern
"Was gibt es für Möglichkeiten, wie wir gleichzeitig sowohl Deine Interessen A, B und C als auch meine Interessen X, Y und Z befriedigen können?" Solche Fragen stimulieren Kreativität. Sie öffnen das Denken der Partner für neue Lösungsansätze. Sie laden zu Gedankenspielen ein - vorher undenkbare Szenarien, Varianten und Gebilde entstehen, die beiden Parteien Vorteile bringen. Der Sowohl-als-auch-Ansatz in der Frageformulierung verbindet die Partner zu einem echten Team, das gemeinsam nach einer eleganten Lösung strebt, statt nur zum eigenen Vorteil zu argumentieren. Kreativität ist die geistige Ressource, die neue Ressourcen erschließt, wenn materielle Ressourcen knapp werden. Kreativität vergrößert den Kuchen und schafft damit Mehrwert.

Mit Legitimität den Kuchen aufteilen
Schon Kinder geraten in Rage, wenn sie von der Geburtstagstorte ein ungleich kleineres Stück abbekommen als andere. Willkür erzeugt Wut. Sollen Kooperationen nicht an Interessenkonflikten scheitern, ist es deshalb ratsam, Legitimität statt Willkür walten zu lassen. Legitimitätskriterien sollten für beide Parteien nachvollziehbar und vernünftig sein. Kluge Partner einigen sich auf solche und wenden sie dann konsequent an. Ein solches gemeinsames Regelwerk generiert im Normalfall willkürfreie und deshalb akzeptable Lösungen. Kommt es zu Ausnahmefällen, suchen die Parteien wiederum nach Legitimitätskriterien, die der Besonderheit der Ausnahmesituation Rechnung tragen.

Auch nachhaltige Kooperationen haben ein Ende
In einer sich ständig ändernden Welt ist auch die nachhaltigste Kooperation nicht für die Ewigkeit gemacht. Ein Ende ist ihr spätestens dann beschieden, wenn die Weiterführung durch einen Mangel an gemeinsamen Interessen nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Kooperationen sind Zweckbündnisse auf Zeit, was natürlich nicht ausschließt, dass zwischen Kooperationspartnern entstandene Freundschaften die geschäftliche Zusammenarbeit überdauern. Kooperationen enden auch dann, wenn sich wenigstens einem der beteiligten Partner eine attraktivere Alternative zur bisherigen Kooperation bietet, sei es in Form einer anderen Kooperation oder auch ohne Partner (z.B. selber herstellen). Befriedigt diese Alternative seine eigenen, gewichteten Interessen besser als die bisherige Kooperation, ist ihm deren Beendigung nicht zu verargen. Verfügt jedoch sein bisheriger Partner zu diesem Zeitpunkt über keine attraktive Alternative, kann dies für diesen sehr schmerzvoll, wenn nicht gar tödlich sein.

Bei allem Bemühen um nachhaltiges Kooperieren sollte man deshalb die Augen auch nach anderen Möglichkeiten offen halten, um nicht in allzu große Abhängigkeit zu geraten. Der wirksamste Schutz gegen "Fremdgehen" eines Partners besteht darin, dass er auch weiterhin aus der Kooperation Nutzen zieht.

Kooperationsvermögen mehren
Kann man nachhaltiges Kooperieren lernen? Die hier vorgestellten Navigationshilfen entstammen dem offenen Verhandeln nach dem Harvard®-Konzept, das in Seminaren vermittelt wird. Nicht alle bringen für Gewinn-Gewinn-Verhandeln gleich gute Voraussetzungen mit. Wer es aber entwickelt, mehrt sein Kooperationsvermögen in dreifacher Hinsicht: seine eigene Fähigkeit, sein Netzwerk von funktionierenden Kooperationen und sein Potenzial, ein "Vermögen" zu machen.

 
Von Claudio Weiss


Im Profil
Dr. Claudio Weiss vertritt mit seinem "awareness management" eine Philosophie des Führens mit Wissen und Werten. Er lebt in Männedorf bei Zürich und ist Senior Associate Consultant und Partner bei Egger, Philips + Partner AG in Zürich für das offene Verhandeln nach dem Harvard®-Konzept, Seminarleiter am Malik Management Zentrum St.Gallen sowie Mitbegründer und Gesellschafter der Vermögensakademie, München.

www.awareman.ch



Quelle:
Gesellschaft | Social Business, 25.05.2011

     
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