Bertrand Piccard
Umwelt | Klima, 17.11.2025

Wer rettet Paraná – und uns?

Ein Appell für indigene Gemeinschaften und eine menschliche Wirtschaft

Paraná war einst eine Kinderbuchfigur – heute steht er sinnbildlich für einen Wald, der brennt, und für ein System, das Lösungen kennt, aber nicht nutzt. Auf der COP30 wird klar: Der Kampf um den Amazonas ist längst ein Kampf um unsere eigenen Werte. Zwischen zerstörten Landschaften, überhörten Stimmen und neuen Initiativen wie der Tropical Forest Forever Facility zeigt sich, dass Hoffnung möglich ist – aber nur, wenn wir endlich den Schritt vom Mitgefühl zum Handeln gehen. Der aktuelle Kommentar von Bertrand Piccard.

Indigene vor einem Gebäude der COP30 in Belém, Brasilien. © Solar Impulse Foundation
Sein Name war Paraná. Er war in meinem Alter und kam in meinen Kinderbüchern vor. Ich erinnere mich noch gut an ihn, wie er in einem Lendenschurz gekleidet mit einem Speer fischte, während seine Mutter ihm einen Teller Maniok zubereitete. Man sagte, er sei ein „kleiner Indianer". Mein Vater erzählte mir, dass sie getötet wurden, um ihr Land zu stehlen. Und ich weinte.

Heute, bei der COP30 in Belém, sehe ich ihn wieder auf den Bildschirmen. Jetzt nennen sie ihn einen „Indigenen”. Das Wort hat sich geändert, aber nicht sein Schicksal. Seine Umwelt ist zerstört, die Bäume in seinem Wald abgeholzt, die Flüsse vergiftet. Und ich möchte immer noch weinen.

Vom Kinderbuchhelden zur globalen Mahnung
Parana war ein ''kleiner Indianer'' in einem Kinderbuch - die Bedrohung der Indigenen hat sich bis heute jedoch nicht geändert. © Solar Impulse FoundationParaná ist immer noch in meinem Alter, aber er ist erwachsen geworden. Inzwischen ist die Welt kleiner geworden. Nicht in ihrer Größe, sondern in ihren menschlichen Werten, in ihrem Mitgefühl, in ihrer Klarheit. Plötzlich habe ich das Gefühl, dass die letzten 60 Jahre umsonst waren. Seit Jahrzehnten bemühe ich mich zu zeigen, dass es in allen Bereichen Tausende von sauberen und wirtschaftlich tragfähigen Innovationen gibt, die den Übergang nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert machen.

Viele Menschen sind zurecht entmutigt durch den nicht nachhaltigen Kurs unserer Welt. Ich bin es doppelt: Denn ich sehe nicht nur die Verwüstungen, sondern auch die Lösungen, die nicht genutzt werden. Diejenigen, die ein anderes Paradigma auslösen könnten: eine qualitative Wirtschaft und einen endlich aufgeklärten Kapitalismus, der Werte schafft und gleichzeitig die Grenzen des Planeten respektiert. Eine neue Software, deren Erfolg nicht nur an ihrer Leistung gemessen wird, sondern auch daran, wie viel sie Menschen nutzt.
 
Es gibt sie, die Lösungen – sie müssen nur genutzt werden!
Und das ist zweifellos das, was mich am meisten bewegt. Es gibt Lösungen – technologische, politische und wirtschaftliche – um Paraná und seinen Wald zu schützen. Aber sie bleiben Gefangene eines Systems, das sofortigen Profit der Regeneration vorzieht. Kein Geschäftsmodell kann die Würde eines Volkes wiederherstellen, das im Namen des Wachstums ausgelöscht wird. Solange Gier über Mitgefühl siegt, wird keine Innovation ausreichen.

Um das Bild zu vervollständigen: Während ich diese Zeilen schreibe, unterdrückt die Polizei eine Demonstration von Indigenen, die ihr Land gegen die Ölförderung verteidigen. Einer der Sprecher, noch immer keuchend und schweißgebadet, ruft den Kameras zu: „Geld kann man nicht essen." Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Ein Hoffnungsschimmer: die TFFF
Und doch gibt es inmitten dieses Durcheinanders Zeichen der Hoffnung. Eine der wichtigsten Neuerungen der COP 30 ist die Tropical Forest Forever Facility, die zeigen soll, dass der Erhalt tropischer Wälder eine Investition in die Zukunft sein kann. Durch die Mobilisierung von privatem Kapital für tragfähige Schutz- und Regenerationsprojekte soll aufgezeigt werden, dass es rentabler ist, die Wälder zu erhalten als zu zerstören.

Der Weg nach vorne führt nur über den Übergang von Emotionen zu Taten. Und auch wenn manche etwas anderes behaupten mögen, ist dieser Übergang bereits im Gange. Aber er muss mit Menschlichkeit vollzogen werden.

Ich möchte glauben, dass Paraná noch gerettet werden kann. Nicht aus Mitgefühl, sondern aufgrund einer Vision von Fortschritt, die Rentabilität und Verantwortung, Innovation und Respekt miteinander verbindet.

Die Rettung des Amazonas ist kein Akt der Nächstenliebe, sondern eine Frage des Überlebens. 

Denn letztendlich muss nicht nur Paraná gerettet werden. Wir müssen auch uns selbst retten.

Bertrand Piccard © Solar Impulse FoundationDr. Bertrand Piccard, geboren 1958, stammt aus der berühmten Entdecker-Dynastie Piccard. 1999 umrundeten er und Brian Jones als erste Menschen in einem Ballon die Welt. Ihr Buch „Mit dem Wind um die Welt" wurde ein internationaler Bestseller. Heute hält der ausgebildete Psychiater weltweit Vorträge über Kommunikationspsychologie, Krisenmanagement und Stressbewältigung. Dabei betont er immer wieder, wie wichtig es ist, Risiken einzugehen, um seine Lebensziele zu erreichen. 2015–2016 gelang Piccard und André Borschberg die Umrundung der Erde in einem solarbetriebenen Flugzeug – ein Meilenstein in der Energietechnologie.

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