Kai Platz
Technik | Energie, 03.06.2025

Wir müssen aufhören, fossile Moleküle zu verbrennen!

Tim Böltken, CEO von INERATEC im forum-Interview zur Inbetriebnahme von ERA ON für industrielle e-Fuel-Produktion

forum-Redakteur Kai Platz interviewte Tim Böltken, CEO von INERATEC, zur Inbetriebnahme von ERA ON für industrielle e-Fuel-Produktion.
 
Hallo Herr Böltken, wer sind Sie und was machen Sie?
Tim Böltken, CEO von INERATEC © Kai PlatzTim Böltken: Mein Name ist Tim Böltken, ich bin Gründer und Geschäftsführer der INERATEC GmbH aus Karlsruhe.

Herr Böltken, was treibt sie an, mit synthetischen Kraftstoffen die fossilen Strukturen aufzubrechen?
Tim Böltken: Wir haben hier am Standort in Frankfurt die bis dato größte Produktionsanlage für e-Fuels gebaut. Diese e-Fuels werden nachhaltig produziert. Das heißt, wir nutzen hier CO2 aus einer Biogasanlage und nutzen nachhaltigen Wasserstoff. Damit produzieren wir fast CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe.

Was bedeutet die Inbetriebnahme von ERA ONE für sie persönlich und auch für die Energiewende?
Tim Böltken: Zum einen mal persönlich ist man natürlich mega stolz, was wir hier in den letzten zwei Jahren hart erarbeitet haben, was wir erreicht haben. Für uns als Firma Ineratec ist das ein riesen Meilenstein, aber nur ein erster Schritt. Wir zeigen hier, dass synthetische Kraftstoffe, also e-Fuels, marktreif sind. Es ist auch klar, dass viele weitere Schritte folgen müssen, damit wir es wirklich schaffen, die Mobilität und auch unsere Industrie klimaneutral umzubauen.

Wenn sie jetzt über fossilfreie oder klimaneutrale Zukunft sprechen, lassen sie uns doch mal ganz konkret werden. Wie sieht es für INERATEC hier und heute aus?
Tim Böltken: Hier in unserer Pionieranlage erzeugen wir die ersten 2500 Tonnen an synthetischem Kraftstoff jährlich. Ein Teil davon wird genutzt als Diesel, ein Teil als synthetisches Kerosin. Damit zeigen wir, dass e-Fuels in den Verkehr gebracht werden können. Das ist ein erster Schritt. 

Wir werden viele weitere Anlagen entwickeln und realisieren. Und das können wir mit unserer modularen Technologie, welches wir hier demonstrieren, global ausrollen. Und zwar überall dort, wo wir Zugriff haben auf günstigen grünen Strom und auf CO2. Das ist Kreislaufwirtschaft, das ist für uns Nachhaltigkeit. 

Auch für Europa ist es ein wichtiges Zeichen. Indem wir so viel wie möglich von diesen grünen Molekülen erzeugen, können wir die Abhängigkeit von Erdölimporten reduzieren und somit die Wettbewerbsfähigkeit und die Resilienz Europas erhöhen.

Ist das auch das, was diesen Standort für Sie besonders zukunftsfähig macht?
Tim Böltken: Der Standort hier in Frankfurt Höchst ist für uns eigentlich ein idealer Standort. Erstens sind wir schon sehr lange mit dem Standort in Kontakt und zum zweiten haben wir hier eigentlich ideale Voraussetzungen, um so eine Pionieranlage zu bauen. Wir haben Zugriff auf Wasserstoff, welcher hier als  Nebenprodukt anfällt. Wir haben Zugriff auf CO2, das entsteht als Nebenprodukt bei der Biogaserzeugung. Somit schaffen wir hier aus zwei Nebenprodukten wieder ein Wertprodukt. Und das ist für uns eigentlich der ideale Showcase für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.

Ökologisch macht das absolut Sinn, Wasserstoff aus der Chlorproduktion und CO2 aus der Biogasproduktion zu verwenden. Wie sieht das wirtschaftlich aus, gibt es da noch Potential?
Tim Böltken: Frankfurt-Höchst ist auf jeden Fall in Europa ein idealer Standort, weil wir nicht noch zusätzlich in Elektrolyse und zusätzlich in CO2-Gewinnungsanlagen investieren mussten. Und dadurch, dass die Rohstoffe auch schon produziert wurden, macht es auch ökonomisch Sinn. Natürlich sind wir in Mitteleuropa nicht an dem Standort mit den global günstigsten Stromkosten. Aber das ist auch nicht der ultimative Zweck dieser Pionieranlage.

Wir zeigen hier in Frankfurt, dass e-Fuels marktreif sind. Weitere Projekte an "Ölfeldern der Zukunft" werden dann perspektivisch auch folgen. Dort wird die Standortentscheidung von der Verfügbarkeit der Rohstoffe und von günstigem grünen Strom abhängen.

Wie effizient ist Power-to-liquid im Vergleich zu anderen Technologien?
Tim Böltken: e-Fuels haben einen riesengroßen Vorteil gegenüber Biokraftstoffen. Man benötigt deutlich weniger Land und Wasser, um diese Kraftstoffe zu produzieren, weil wir nicht über diesen Umweg gehen, dass wir erstmal Pflanzen anpflanzen müssen. 

Ein weiterer Vorteil von e-Fuels ist, dass sie im Grunde genommen, solange die Sonne scheint und der Wind weht, unendlich verfügbar sind. Deswegen ist auch genau richtig, dass die Politik dem einen regulatorischen Rahmen gesetzt hat und dass sie nicht nur auf Biokraftstoffe setzen, sondern dass sie auch Unterquoten einführen für e-Fuels, sodass damit auch die e-Fuel Produktion weiter hochgefahren werden kann.

Viele reden von Innovation, sie setzen es um. Was braucht es jetzt auch politisch, damit die Lösungen, die sie jetzt entwickelt haben, auch in der Fläche wirklich wirksam werden können?
Tim Böltken: Was INERATEC auszeichnet ist, dass wir erstmal gemacht haben. Wir haben gezeigt, dass es technologisch möglich ist, wir haben gezeigt, dass wir hier wirklich in kürzester Zeit auch e-Fuels in einem industriellen Maßstab herstellen können. Und jetzt muss die Politik nachziehen.

Wir brauchen einen stabilen regulatorischen Rahmen. Der muss ambitioniert sein, der muss verlässlich sein. Nur dann können wir auch weiter Investoren gewinnen für die Mission, dass wir unsere Industrie und Mobilität klimaneutral umbauen.

Wie groß ist der Hebel tatsächlich für e-Fuels in der Luftfahrt, in der Schifffahrt, im Schwerlastverkehr?
Tim Böltken: Der Hebel ist gigantisch. Man muss den ersten Schritt einmal gehen und dann, wenn man sieht, dass es möglich ist, werden weitere auf den Zug aufspringen. Es sprechen alle Wissenschaftler und wissenschaftlichen Erkenntnisse für uns. Wir müssen aufhören, fossile Moleküle zu verbrennen. Wir wissen gleichzeitig, dass eine komplette Elektrifizierung nicht möglich sein wird. Wir werden auch in Zukunft Sektoren haben, die auf Moleküle angewiesen sein werden. Und dafür sind unsere grünen Moleküle einfach ideal gemacht.

Wie kriegen wir jetzt diesen technologischen Fortschritt in den gesellschaftlichen Nutzen übersetzt?
Tim Böltken: Wir brauchen alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette, die aus e-Fuels oder synthetischen Kraftstoffen eine Erfolgsstory werden lassen. Wir brauchen die Produzenten, wir brauchen die Logistiker, wir brauchen die Inverkehrbringer und wir brauchen am Ende auch den Endkunden, der diese Produkte nutzt. 

Dann werden wir hier wirklich ein ähnliches Erfolgsmodell fahren können, wie es z.B. auch die PV-Industrie oder auch die Batterieindustrie geschafft hat. Das Ganze mit dem zusätzlichen Aspekt, dass wir auch noch das Klima schonen.

Welche Rolle spielen Werte wie Gemeinwohl, Klimaschutz, generationengerechtes Wirtschaften auch für Ihre Entscheidungen als Personen und als Unternehmen?
Tim Böltken: INERATEC ist ein Unternehmen, das dem Klimaschutz verschrieben ist. Das heißt, alle Anwendungen und alle Projekte, die wir angehen, haben das Ziel, dass wir nachhaltig wirtschaften, dass wir klimaneutral wirtschaften können und dass wir etwas Gutes für den Planeten tun.

Haben sie noch irgendwas, was sie uns gerne mitgeben würden, ein Herzensthema?
Tim Böltken: Ein Herzensthema ist, dass wir hier am Standort gezeigt haben, dass wir so eine Anlage innerhalb von zwei Jahren planen, realisieren und auch in Betrieb nehmen können. Das zeigt die Stärke unserer modularen Synthesetechnologie und es ist dadurch der ideale, noch fehlende Baustein für die Klimawende. Auch, weil wir diese Anlagen überall dort aufbauen können, wo wir zukünftig Grünstrom produzieren und CO2-Emissionen haben.

Herr Böltken, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin für Sie und INERATEC!
 
Das Interview führte Kai Platz; er ist Wirtschaftsingenieur und hat fast 20 Jahre Erfahrung in der Luftfahrt. Er war für forum bei der Eröffnung, um die Stimmung der Branche einzufangen.

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