Wasserstoff erreicht kleine Verbraucher auch ohne Pipelines

Neben Pipelines können Binnenschiffe, Züge und LKW viele industrielle Verbraucher versorgen.

Industriebetriebe in Deutschland importieren schon heute relevante Energiemengen für ihre Produktion – meist in Form von Erdöl und Erdgas. Auch die kommende Wasserstoffwirtschaft wird mittel- bis langfristig auf Wasserstoffimporte angewiesen sein, etwa pipelinebasiert aus europäischer Herstellung oder in Form von Derivaten aus Übersee. In der vorliegenden Studie hat Fraunhofer IEG erstmals alle wesentlichen Wasserstoffderivate und deren Transportoptionen zwischen Importhub und Verbrauchern flächendeckend und umfassend analysiert, bewertet und verglichen.

© akitada31; pixabay.com»Insbesondere für Standorte, die nicht Wasserstoff, sondern dessen Folgeprodukte verarbeiten, ist deren direkter Bezug unter Umständen kostengünstiger«, erklären Christoph Nolden und Thorsten Spillmann vom Fraunhofer IEG, die Erstautoren der Studie. Schon heute seien Binnenschiffe eine etablierte Transportoption für Stoffe wie Ammoniak, Methanol oder flüssige Kraftstoffe. Die meisten der betrachteten Standorte weisen Wasserstoffbedarfe auf, die über einen großen Güterzug transportierbar wären. Da der Inlandstransport nur einen Teil der gesamten Versorgungskette ausmacht, führen die unterschiedlichen Transportoptionen nur zu geringen Differenzen in den Gesamtkosten. »Die derzeitige Diskussion um den Anschluss an das künftige Pipeline-Netz greift zu kurz. Andere Infrastrukturen wie das Schienennetz oder die Wasserstraßen können insbesondere in der Hochlaufphase eine flexible Alternative für zahlreiche Standorte darstellen.«

Daher schlägt die Studie parallel zum Ausbau des geplanten Wasserstoff-Kern-Pipeline-Netzes flankierende Maßnahmen vor. Unter anderem:
  • Ausbau des Schienennetzes, da der Wegfall des Transportes von fossilen Energieträgern durch Wasserstoff-Derivate überkompensiert wird.
  • Die baldige Veröffentlichung einer differenzierten Wasserstoff-Importstrategie, die einen klaren Rahmen schafft für die Bezugsmöglichkeiten und Verwendung von importiertem Wasserstoff in seinen verschiedenen Formen etwa als Ammoniak, Methanol oder andere Basischemikalien.
  • Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Energieträgern und internationale Standards
  • Eine kontinuierliche integrierte Planung und Adaption der Transportinfrastrukturen für Wasserstoff und andere Stoffe, wie beispielsweise CO2.
Die Studie analysiert die technischen und ökonomischen Aspekte der Verkehrsträger, die Wasserstoffderivate bis zum industriellen Endverbraucher liefern können, wenn im Jahre 2035 das Wasserstoff-Kernnetz installiert ist, und beleuchtet drei Fragen:
  • Wann ist der Transport von Wasserstoffderivaten jenseits des Wasserstoff-Kernnetz sinnvoll?
  • Was folgt daraus für die nationale Importstrategie?
  • Wo gilt es, die bestehende Transportinfrastrukturen zu stärken?
Die Analyse hat 543 Nachfragestandorte in Deutschland den verschiedenen Anwendungsfällen zugeordnet und hinsichtlich der Versorgungsmöglichkeiten mit Wasserstoff bzw. dessen Derivaten untersucht. Die Anwendungsfälle sind die Herstellung von Ammoniak, Stahl, petrochemischen Basischemikalien und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen sowie die Bereitstellung von Prozesswärme in der Metallerzeugung und -bearbeitung, der Herstellung von Glas und Keramik sowie der Papierindustrie. Aus einer Szenarioanalyse wird die branchenspezifische Wasserstoffnachfrage abgeleitet und regionalisiert.

Für die Ermittlung der standortspezifischen Versorgungsoptionen sind im Wesentlichen zwei Aspekte relevant:
  • Welches Wasserstoffprodukt wird für die Anwendung benötigt: gasförmiger oder flüssiger Wasserstoff, Ammoniak, Methanol oder und Fischer-Tropsch-Produkte?
  • Durch welche Infrastruktur ist der Standort erreichbar: Binnenschifffahrtsstraßen, Schienennetz, Wasserstoffkernnetz oder Produktpipelines?
In die ökonomische Bewertung flossen die Kosten für die Bereitstellung von Wasserstoff und seinen Derivaten sowie spezifische Transport- und Umwandlungskosten ein. Derivate können dabei entweder als Trägermedien eingesetzt werden, aus denen der Wasserstoff nach dem Import wieder extrahiert wird oder direkt verwendet werden. Dabei würden sie bislang auf fossiler Basis bereitgestellte Produkte ersetzen und im Wettbewerb mit existierenden inländischen Produktionen stehen.

Die in der Studie modellierten Bereitstellungskosten variieren zwischen 3.400 und 16.000 Euro pro Tonne Wasserstoffäquivalent (EUR/tH?eq). Mit einem Kostenanteil zwischen 41 Prozent und 100 Prozent stellen die Importkosten die dominierende Kostenkomponente dar. Die inländischen Transportkosten stellen mit einem mittleren Kostenanteil von 5 Prozent in den meisten Fällen einen untergeordneten Kostenfaktor dar. Ein Großteil (85 Prozent) der betrachteten Standorte weisen eine vergleichsweise geringe jährliche Nachfrage von unter 150 Gigawattstunden Wasserstoffäquivalent (GWhH?eq) auf. Etwa 11 Prozent der Standorte weisen eine jährliche Nachfrage von über 500 GWhH?eq auf. Hierunter fallen die industriellen Großanwendungen in der Herstellung von Basischemikalien und Stahl sowie dem Einsatz von Ammoniak und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen. Der Transport von Wasserstoff(derivaten) per Binnenschiff oder Bahn stellt in vielen Fällen eine mögliche Alternative oder Ergänzung zur pipelinegebundenen Standortversorgung dar.

Die Studie wurde im Rahmen des Projekts "HySupply - Deutsch-Australische Machbarkeitsstudie zu Wasserstoff aus erneuerbaren Energien" in Auftrag gegeben und gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 03EW0027.

Kontakt: Fraunhofer IEG, Kosta Schinarakis | Konstantinos.Schinarakis@ieg.fraunhofer.de | www.ieg.fraunhofer.de


Technik | Energie, 23.01.2024

     
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