Berechnungsmodell vergleicht Klimafreundlichkeit von Gas und Elektrizität
Klimabilanz von Erdgas oft schlechter als bisher angenommen
Das Heizen und Kochen mit Erdgas ist oft klimaschädlicher als bisher gedacht. Dies ergibt ein neues Berechnungsmodell, das Forschende der Technischen Universität München (TUM) entwickelt haben. Das Besondere: Es bezieht auch die gewaltigen Gasmengen mit ein, die ungenutzt in die Atmosphäre entweichen.

Unvollständig verbranntes Erdgas wichtig für die Klimabilanz
Auf dem Oktoberfest 2019 beispielsweise, so fanden die Forschenden heraus, ging 1,4 Prozent des damals eingesetzten Gases verloren. Bei einer Gasmenge von über 185.000 Kubikmetern entwichen also 2.500 Kubikmeter Gas in die Umgebung. „Das entwickelte Berechnungsmodell bezieht diese Mengen an entwichenem Erdgas mit ein und liefert einen umfassenden Emissionsfaktor für die Verwendung von Erdgas zum Kochen und Heizen", erläutert Wissenschaftler Dietrich.
Erneuerbare Energien im Strommix senken den Emissionsfaktor
Um entscheiden zu können, ob Erdgas oder Elektrizität die klimafreundlicher ist, muss man jedoch auch auf den verwendeten Strommix schauen: „Ein hoher Anteil erneuerbarer Energien senkt den Emissionsfaktor für Elektrizität erheblich, während z.B. die Verwendung von Kohlestrom den gegenteiligen Effekt hat", so Dietrich. Die Forschenden haben all diese Faktoren in ihr Berechnungsmodell miteinfließen lassen und können so quantitative Rückschlüsse ziehen, für welche Nationen Strom bereits heute die klimafreundlichere Alternative zu Erdgas ist und welche Anstrengungen die anderen Nationen noch unternehmen müssen, um diesen Punkt zu erreichen.
Für alle 25 untersuchten Nationen wird dabei deutlich: „Durch die Einbeziehung der Leckagen und unvollständigen Verbrennungen wird insgesamt ein geringerer Anteil an erneuerbaren Energiequellen im Strommix benötigt, als bisher angenommen", fasst die Professorin für Umweltsensorik und Modellierung Jia Chen zusammen, die zudem Leiterin des Innovationsbereichs Umwelt im Robotik- und KI-Institut MIRMI der TUM ist. Es ist also für die meisten Nationen bereits deutlich früher möglich, aus Aspekten des Klimaschutzes auf Elektrizität anstelle von Gas zu setzen.
Kanada mit klarer Empfehlung für Elektrizität
Auf einzelne Staaten geblickt heißt das, dass beispielsweise Kanada mit seinem hohen Anteil an Wasserkraft aus reinen Klimaschutzgründen bereits heute fürs Heizen und Kochen komplett auf Elektrizität setzen könnte. In China sieht es anders aus: Denn die Kohleverbrennung dominiert dort im Strommix, so dass durch die Verwendung von Elektrizität bei identischer Energiemenge mehr Kohlenstoff ausgestoßen wird als bei der Verbrennung von Erdgas.
Für Deutschland gibt es derzeit trotz des stark zunehmenden Anteils an Wind- und Solarenergie noch keine klare Empfehlung für Elektrizität. Damit befindet sich Deutschland noch in breiter „Gesellschaft": Für 18 von 25 betrachteten Staaten ist Elektrizität im Vergleich mit Gas aktuell noch nicht klimafreundlicher, darunter Staaten wie Spanien, Italien, die Niederlande, Japan und Australien. Ein Blick auf die Diagramme der TUM-Forschenden zeigt jedoch deutlich, dass für viele der untersuchten Nationen Elektrizität schon bald die klimafreundlichere Alternative sein wird, da kontinuierlich in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert wird.
Weitere Informationen
Für diese Forschungsarbeit kamen unter anderem folgende Technologien aus dem Bereich für Umweltsensorik und Modellierung von Prof. Jia Chen sowie der Universität Utrecht und TNO und der Bioscience-Firma LI-COR zum Einsatz:
- MUCCnet-Stationen: Die Hightech-Messstation auf dem Dach des TUM-Forschungsbereiches zeigten zu Zeiten des Oktoberfests einen starken Anstieg der Methankonzentrationen. Dies war für die Wissenschaftler der Auslöser dafür, die Methanemissionen bei Verbrennungsprozessen mit Erdgas näher zu untersuchen.
- Laserspektroskopie: Zusätzlich zu diesen Messungen schickten Prof. Chen und Dr. Dietrich Studierende mit einem Laserspektrometer im Rucksack auf das Oktoberfestgelände. Diese präzisen Gasmessungen vor Ort bestätigten den Verdacht, dass ein Event wie das Oktoberfest, auf dem eine große Menge der Energie durch Erdgas bereitgestellt wird, eine starke Methanquelle darstellt.
- Durch zusätzlich durchgeführte Messungen des Isotopen- sowie des Ethan-Methan-Verhältnisses ließ sich auch ermitteln, welche Mengen an Methan durch Lecks und unvollständige Verbrennung entweichen.
Publikation:
Dietrich, F., Chen, J., Shekhar, A., Lober, S., Krämer, K., Leggett, G., Van der Veen, C., Velzeboer, I., Denier van der Gon, H., Röckmann, T. (2023). Climate impact comparison of electric and gas-powered end-user appliances. Earth's Future, 11, e2022EF002877. https://doi.org/10.1029/2022EF002877
Prof. Jia Chen ist Professorin für Umweltsensorik und Modellierung an der TUM und Leiterin des Innovationsbereiches Umwelt im Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI). Mit dem von Executive Director Prof. Sami Haddadin geführten MIRMI hat die TUM ein integratives Forschungszentrum geschaffen, in dem inzwischen über 70 Professor:innen der TUM und ihre Teams mithilfe von Robotik und künstlicher Intelligenz neue Lösungsansätze etwa in der Medizin, in Fabriken und in der Pflege erforschen. Weitere Informationen finden Sie unter www.mirmi.tum.de.
Kontakt: Prof. Jia Chen, Technische Universität München (TUM) | jia.chen@tum.de | www.tum.de
Technik | Energie, 15.06.2023

Der Wert der Böden
forum 03/2025
- Zukunftsfähig essen
- Klima-Transitionsplan
- Wasser in der Krise
- Omnibus
Kaufen...
Abonnieren...
21
JUN
2025
JUN
2025
24
JUN
2025
JUN
2025
Science on the Spree 2025
Hitze, Dürre, Starkregen – Wie passen wir uns an die Folgen des Klimawandels an?
10117 Berlin und online
Hitze, Dürre, Starkregen – Wie passen wir uns an die Folgen des Klimawandels an?
10117 Berlin und online
26
JUN
2025
JUN
2025
Von Lessons Learned zur Best Practice: ESG bei VAUDE
Holistische ESG-Transformation - Deep Dive bei Pionieren
Online-Event
Holistische ESG-Transformation - Deep Dive bei Pionieren
Online-Event
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Digitalisierung

Christoph Quarch ruft zum zeitnahen "Human Action Summit" auf
Jetzt auf forum:
Die Meere sind mehr als eine nutzbare, noch unerschlossene Ressource
Statt Schwellenwerten Praxisbeispiele in den Blick nehmen
Die Lösungen sind da - was fehlt: Geld!
Ein gemeinsamer Aufruf aus ganz Europa: Die Zukunft von Ernährung & Landwirtschaft fördern
Porsche setzt Racing for Charity bei den 24 Stunden von Le Mans fort
Der Business Case für refurbished IT-Hardware im Vergleich zu Neugeräten
Zukunftsweisender Neubau für die Continentale
Deutsch-Ukrainische kommunale Partnerschaftskonferenz 2025 (Münster, 16.-18. Juni)