Zum Jahreswechsel 2022 – 2023
Der Neujahrskommentar von Christoph Quarch
Bei einer jüngsten Umfrage stimmten 61 Prozent der Deutschen der Aussage zu: „Wenn man an die aktuellen Krisen und Probleme denkt, war 2022 das schlimmste Jahr seit langem". Das lässt tief blicken: tief in die geistige Matrix einer Gesellschaft, die ihre Resilienz und Krisenkompetenz eingebüßt zu haben scheint.
Diese Einbüßung ist erstaunlich in einem Land, das sich im 20. Jahrhundert mehrfach neu erfunden hat, nachdem es katastrophal in die Irre ging. Was ist los? Sind wir einfach nur erschöpft? Oder steckt mehr dahinter?
Die soziale Dimension entdecken
In meinen Augen verrät das Umfrageergebnis, dass unser gesellschaftliches Klima von einem kollektiven Mindset geprägt ist, der es vielen schwer macht, den Realitäten des 21. Jahrhunderts angemessen zu begegnen. Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass dieses Jahrhundert noch weit gravierendere Krisen für uns bereithält als das, was sich 2022 zugetragen hat. Und es braucht keinen besonderen Scharfsinn, um zu erkennen, dass wir diese Herausforderungen nur gemeinsam, als Kollektiv bestehen können. Aber davon sind wir weit entfernt. Das Problem heißt: Selbstbezüglichkeit.
Zum Jahreswechsel habe ich eine Reihe von Rundbriefen erhalten, die stets den gleichen Ton anschlagen: Konzentriere dich auf dein Geschäft! Mach dein Ding! Gestalte deine Umgebung! Immer geht es nur um das Subjekt, das sich zum Mittelpunkt seiner Welt machen soll – meist garniert mit einer faden Psychologie der Selbstoptimierung, der jeder Sinn für die soziale Dimension des Lebens verloren gegangen ist. Eben diese aber müssen wir dringend neu entdecken und kultivieren. Denn die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden nur durch eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung zu schultern sein, keineswegs aber durch die Optimierungslüste selbstbezüglicher Subjekte.
Das Erwachen aus der Selbstbezüglichkeit
Die Zeit der Selbstbezüglichkeit ist vorbei. Wer immer nur sich selbst, seinen eigenen Erfolg, seine eigene Gesundheit, seine eigene Macht und seine persönliche Freiheit im Blick hat, wird der ungewissen Zukunft entweder mit Angst und Verzagtheit begegnen, oder es sich tatenlos in der Komfortzone seines Wohlstands, seines Konsums oder seiner Theorien bequem machen – bis er unsanft aus dieser Trance geweckt wird und dann jedes Jahr aufs Neue glaubt, es sei das „schlimmste seit langem" gewesen. So kommen wir nicht in die Zukunft. In die Zukunft kommen wir nur gemeinsam als eine starke, demokratische, europäische Gesellschaft. Wir brauchen ein systemisches Denken, dem klar ist, dass Leben nur als Gemeinschaftsprojekt gelingen kann. Gemeinsinn und soziales Bewusstsein sind das Gebot der Stunde. Gemeinsam kann man etwas bewegen. Aus Gemeinschaft wachsen Zuversicht und Tatendrang, Resilienz und Krisenfestigkeit.
Diese Einbüßung ist erstaunlich in einem Land, das sich im 20. Jahrhundert mehrfach neu erfunden hat, nachdem es katastrophal in die Irre ging. Was ist los? Sind wir einfach nur erschöpft? Oder steckt mehr dahinter?
Die soziale Dimension entdecken
In meinen Augen verrät das Umfrageergebnis, dass unser gesellschaftliches Klima von einem kollektiven Mindset geprägt ist, der es vielen schwer macht, den Realitäten des 21. Jahrhunderts angemessen zu begegnen. Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass dieses Jahrhundert noch weit gravierendere Krisen für uns bereithält als das, was sich 2022 zugetragen hat. Und es braucht keinen besonderen Scharfsinn, um zu erkennen, dass wir diese Herausforderungen nur gemeinsam, als Kollektiv bestehen können. Aber davon sind wir weit entfernt. Das Problem heißt: Selbstbezüglichkeit.
Zum Jahreswechsel habe ich eine Reihe von Rundbriefen erhalten, die stets den gleichen Ton anschlagen: Konzentriere dich auf dein Geschäft! Mach dein Ding! Gestalte deine Umgebung! Immer geht es nur um das Subjekt, das sich zum Mittelpunkt seiner Welt machen soll – meist garniert mit einer faden Psychologie der Selbstoptimierung, der jeder Sinn für die soziale Dimension des Lebens verloren gegangen ist. Eben diese aber müssen wir dringend neu entdecken und kultivieren. Denn die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden nur durch eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung zu schultern sein, keineswegs aber durch die Optimierungslüste selbstbezüglicher Subjekte.
Das Erwachen aus der Selbstbezüglichkeit
Die Zeit der Selbstbezüglichkeit ist vorbei. Wer immer nur sich selbst, seinen eigenen Erfolg, seine eigene Gesundheit, seine eigene Macht und seine persönliche Freiheit im Blick hat, wird der ungewissen Zukunft entweder mit Angst und Verzagtheit begegnen, oder es sich tatenlos in der Komfortzone seines Wohlstands, seines Konsums oder seiner Theorien bequem machen – bis er unsanft aus dieser Trance geweckt wird und dann jedes Jahr aufs Neue glaubt, es sei das „schlimmste seit langem" gewesen. So kommen wir nicht in die Zukunft. In die Zukunft kommen wir nur gemeinsam als eine starke, demokratische, europäische Gesellschaft. Wir brauchen ein systemisches Denken, dem klar ist, dass Leben nur als Gemeinschaftsprojekt gelingen kann. Gemeinsinn und soziales Bewusstsein sind das Gebot der Stunde. Gemeinsam kann man etwas bewegen. Aus Gemeinschaft wachsen Zuversicht und Tatendrang, Resilienz und Krisenfestigkeit.
Und eben das ist mein Wunsch für uns alle und an uns alle: dass 2023 ein Jahr der geistigen Disruption werde – des Erwachens aus der Trance der Selbstbezüglichkeit hin zu einem starken europäischen Gemeinsinn.
Dazu passend mein aktuelles Interview im Hörfunk.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist
Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit
"Platons Meisterdialogen" in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende
Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten
und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und
Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen
Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und
Weltdeutung zu übersetzen.
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