Peter Balleis SJ
Technik | Digitalisierung, 31.08.2020
Global lernen, lokal handeln
Wie E-Learning zu einer gerechteren und nachhaltigen Welt beitragen könnte
Es gibt kein Zurück zur Welt vor Corona. Das gilt für viele gesellschaftliche Bereiche. Und es gilt auch für Universitäten, die über Nacht auf digitales Lehren und Lernen umstellen mussten. Dabei eröffnet digitales Lernen eine riesige Chance zu mehr Bildungsgerechtigkeit weltweit.
Mit Hilfe von E-Learning können junge Leute im globalen Süden, in entlegenen Regionen, auch in Flüchtlingslagern ausgebildet werden, ohne dass sie eine Universität in ihrem Land oder im Ausland besuchen müssen. Wie dies geht, zeigen die Erfahrungen der weltweiten Bildungsinitiative der Jesuiten Jesuit Worldwide Learning – Higher Education at the Margins, zu deutsch Höhere Bildung für jene, die am Rand stehen.Das Geschäft mit der Bildung
Das Grundproblem ist offensichtlich: Die digitale Gesellschaft braucht immer mehr gut ausgebildete, junge Menschen. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach Bildung bei der wachsenden Zahl junger Menschen gerade in den ärmeren Regionen der Welt. Diesem Bedarf steht jedoch nur ein begrenztes Angebot an Studienplätzen zu oft unerschwinglichen Kosten an Privatuniversitäten gegenüber. Junge Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten im Süden haben so kaum Chancen.
Blended E-Learning
Es geht aber auch anders: Um jungen Menschen in entlegenen Regionen oder in Flüchtlingslagern eine universitäre Ausbildung zu ermöglichen, nützt Jesuit Worldwide Learning – Higher Education at the Margins (JWL) das so genannte Blended E-Learning. Es kombiniert Präsenzveranstaltungen mit digitalem Lernen. Wo das Internet stabil zugänglich ist, verbindet JWL Universitäten in den USA, Europa und Indien mit jungen Menschen in Afghanistan, Myanmar, Irak, Jordanien, Kenya, Malawi und weiteren zehn Ländern. Dozenten der Universitäten liefern Lehrmaterial digital an die Laptops der Studierenden vor Ort.
Oft bilden Studierende der gleichen Fachrichtung aus verschiedenen Ländern ein virtuelles Klassenzimmer und tauschen sich online aus. Vor Ort werden die Studierenden von so genannten Facilitators begleitet. Wöchentlich verfassen die Studenten Essays, die von den Dozenten bewertet werden. Partnerorganisationen der Universitäten sorgen für die notwendigen Technologien vor Ort. In Regionen mit schwankendem Internet-Empfang bauen sie zentrale Hotspots mit gutem Empfang auf. Dort können die Studenten die Lehrmaterialien auf ihre Smartphones herunterladen und sie offline zu Hause in ihren Dörfern verarbeiten. Die Erfahrungen zeigen, dass E-Learning-Kurse oft fordernder für die Studierenden sind als Präsenzunterricht. Der Aufwand für die Lektüre und das Schreiben der wöchentlichen Essays ist groß.
Die Vorteile sind aber offensichtlich: Junge Menschen aus der ganzen Welt können dort eine Universitätsausbildung absolvieren, wo sie leben. Blended E-Learning braucht keine Gebäude und keine Infrastruktur wie eine Campus-Universität. Als Lernzentren vor Ort dienen ein paar Klassenzimmer oder Versammlungsräume, die es in vielen Dörfern, oft auch in Flüchtlingslagern gibt. Die Dozenten sind bei bestehenden Universitäten im reichen Norden beschäftigt. Auch die Hochschulen profitieren, weil sie mehr Studenten auf der ganzen Welt erreichen. Die Kosten für die Honorare von Dozenten, das Internet, die Facilitators vor Ort werden zwischen Universitäten, Partnern vor Ort und Studierenden aufgeteilt, wobei für Studierende in Flüchtlingscamps keine Kosten anfallen. Ein Englischkurs in einem afrikanischen Land kostet die Studierenden maximal zehn Dollar im Monat.
Nachhaltige Bildung
In der Welt von heute muss Bildung jedoch mehr sein als die bloße Vermittlung von Lerninhalten. Es geht um einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung. Dafür bietet Jesuit Worldwide Learning ein akademisches Grundstudium von einem Jahr an, das vor allem das kritische Denken schult. Danach können die Studenten einen Bachelor in Sustainable Development erwerben. Grundlage des Studiums sind die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, auf die sich die UNO geeinigt hat. Weitere Studiengänge bilden die jungen Leute in Webdesign, E-Commerce und IT aus. Mit solchen Fähigkeiten können sie vor Ort in ihren Dörfern einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, aber auch wirtschaftliche Initiativen starten.
Über Internet, Laptop und Smartphone höhere Bildung von internationalem Standard in Flüchtlingslager und abgelegene Regionen zu bringen, ist ein viel nachhaltigerer Ansatz, als die Begabtesten in den reichen Zentren auszubilden, so dass sie oft gleich dort bleiben. Junge Leute, die dagegen in ihrem Umfeld zusammen studieren, werden ihre Umwelt verändern und das Gelernte in die Praxis umsetzen. Dabei bleiben die Studenten lokal verwurzelt und lernen in einem digitalen Klassenzimmer global denken.
Die Länder mit einem niedrigen menschlichen Entwicklungsindex sind auch die mit dem höchsten Konfliktpotenzial. Verbesserte Bildungschancen können helfen, die Ursachen von Konflikten, von Flucht und Vertreibung nachhaltig zu überwinden. Digitales Lernen kann so die Welt verändern.
Peter Balleis SJ ist Jesuit und leitete als Internationaler Direktor den Jesuit Refugee Service (JRS). In dieser Zeit begann er 2010 die Kooperation mit Jesuitenuniversitäten, um via online-Lernen höhere Bildung für Flüchtlinge zugänglich zu machen. Er leitet nun als Executive President die Organisation Jesuit Worldwide Learning – Higher Education at the Margins mit Hauptsitz in Genf.
Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.
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