Jan Pechmann
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 04.12.2019
Marketing zwischen Macht und macht nichts
Marketing ist Magie. Es kommt nur darauf an, wie man sie einsetzt
Was haben Gandalf und Saruman gemeinsam? Sie können beide zaubern. Nur dass der eine schwarze und der andere weiße Magie einsetzt. Nichts anderes sind Kommunikation und Werbung: Magie. Denn Marketing und Kommunikation gehören zu den machtvollsten Werkzeugen, die die Menschheit je hervorgebracht hat. Sie ließen Weltreiche entstehen oder fallen, ließen Menschen zu Unmenschen oder Helden werden, neue Mauern bauen oder alte Mauern einbrechen. Marketing ist Magie. Es kommt nur darauf an, wie man sie einsetzt.
Jahrelang haben wir es geschafft, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Geld (das sie eigentlich nicht haben) Dinge kaufen (die sie eigentlich nicht brauchen) um damit Menschen zu beeindrucken (die sie eigentlich nicht leiden können). Marketing erschafft, lenkt und befriedigt Bedürfnisse. Und Bedürfnisse verändern die Welt. Denn sie beeinflussen das Verhalten der Menschen. Leider eben manchmal in die falsche Richtung! Marketing hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen glauben, immer mehr zu brauchen. Daraus ergibt sich eine scheinbar unaufhaltsame Ressourcen-Bedarfsspirale oder als Alternative – Frust, Missgunst, Neid, Kriminalität und Krankheit.
Aus großer Kraft erwächst große Verantwortung
Ja sind die denn alle bescheuert da in Marketing und Werbung? Nein, natürlich nicht. Die sind eigentlich sehr schlau. Und sogar nett! Marketing und Werbung hatte über Jahrzehnte eine ungeheure Gravitationskraft bei den kreativsten, fleißigsten und schlauesten vor allem jungen Menschen dieser Republik. Menschen, die sich den Allerwertesten aufreißen. Die die Nächte durcharbeiten. Die Herausforderungen lieben. Ist das nicht genau der Schlag Menschen, den wir brauchen? Richtig!
Marketing & Werbung als Wirkkraftverstärker der For Future-Bewegung
Denn Marketing kann auch Gutes tun. In dem wir einfach das tun, was wir immer tun. Nur eben andersrum. Menschen in ihrem Denken und Handeln in positiver und zukunftsorientierter Weise beeinflussen.
Menschen dazu bringen, mit dem glücklich zu sein was man hat, Spaß an Sparsamkeit zu entwickeln und Solidarität als Statussymbol zu zelebrieren. Dafür müssen wir Vernunft neu positionieren. In der Debatte um klima-positives Verhalten brauchen wir ein neues Verständnis von Verzicht. Es darf nicht weiter darum gehen, aktuelle Verhaltensmuster zu verteufeln. Man sollte den Menschen nicht verbieten, Fleisch zu essen. Wir dürfen nicht predigen, wie schlecht Fliegen für die Umwelt ist. Das wissen ja im Grunde alle.
Statt Verbote einzuführen und mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Konsumenten loszugehen, sollten wir uns dafür einsetzen, die Vernunft zu einer attraktiven Alternative zu machen. Statt „Fleisch essen ist scheiße", müsste es heißen „Fleisch – ein besonderer Genuss". Statt „Kauf auf keinen Fall bei Primark", „Gönne dir nachhaltige Qualität". Wir müssen unsere Kraft dazu einsetzen, den Menschen dabei zu helfen, sich im Sinne des Klimas auf einen neuen Weg zu begeben.
Verzicht und Veränderung in positives Licht rücken
Helfen deshalb, weil ein klimapositives Verhalten in der Theorie von vielen gewollt, in der Praxis aber leider gar nicht so einfach ist. Das Aufgeben gewohnter Muster im Ernährungs-, Mobilitäts- und Konsumverhalten ist eine gigantische kommunikative Aufgabe, die immense Barrieren zu überkommen hat. Da ist zum einen Komplexität und Widersprüchlichkeit. Wo anfangen? Wie weitermachen? Kann man das eine tun, ohne das andere ganz zu lassen? Gibt es bessere Alternativen? Es ist wichtig, den Leuten dabei zu helfen, Ihrem klimapositivem Denken auch das Handeln folgen lassen zu können. Man muss es Ihnen leicht machen, einfach anzufangen. Start small, but start! 80 ist das neue 100. Wer auf die perfekte Lösung wartet, verliert. Lieber jetzt eine 80% Lösung bei möglichst vielen, als eine theoretische 100 irgendwann. Es ist die Kunst von guter Werbung, komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen.
Zum anderen gibt es Gruppenzwang und Comfort Zone. Was werden andere über mich denken? Ist das schon mehrheitsfähig? Oder freaky? Nerve ich andere? Wir wissen es alle: Old habits die hard. Klimaschutz ist Punk. Egal, was anderedenken. Egal, ob es richtig ist – entscheidend ist, ob es mir selber wichtig ist. Auch dieses Denken braucht Rückendeckung. Auch hier kann Kommunikation dafür sorgen, dass bestimmte Verhaltensweisen auch in der breiten Masse „salonfähig" werden. Denn genau das ist auch ein entscheidender Teil des Problems.
Raus aus der grünen Lifestyleblase
Diese Denkweise ist natürlich innerhalb der jungen, informierten, urbanen Zielgruppen schon weit verbreitet. Um die geht es aber nicht. Es geht nicht darum, die Leute zu erreichen, die eh schon freitags auf die Straße gehen und auch nicht primär um die ‚Brothers & Sisters in Mind‘, die ihre Zustimmung einfach noch nicht in Handlungen übersetzt haben. Klimapositives Verhalten darf kein Privileg hipper Eliten in Berlin Mitte und Hamburg Schanze bleiben, wenn die Politik endlich in Wallung kommen soll. Die meisten zukunftskritischen Entscheidungen sind politisch gesehen einfach nicht mehrheitsfähig. Die Entscheider misstrauen der 4future Masse, die da freitags auf den Straßen steht, ob das wirklich die echte, also die am Ende wahlentscheidende Masse ist. Gemeint ist eher Kleinstadt und Dorf als Metropole. Gemeint sind eher ältere als jüngere und eher konservative als progressive Menschen. Gemeint ist die politische Mehrheit in diesem Land.
Viele der notwendigen Verhaltensänderungen machen den Menschen regelrecht Angst. Und darum reagieren viele mit Uminterpretation, mit Ablenkung und Abwertung. Diese Angst muss man behutsam nehmen. Denn im Grunde wollen auch sie! Aber wenn man jemandem gefühlt erst den geliebten Diesel, dann die Wurst und schließlich den Mallorca-Urlaub „wegnimmt", ist Ablehnung vorprogrammiert. Und genau das ist der Job von Werbung! Menschen mit Botschaften erreichen, die sie eigentlich lieber nicht hören wollen. Menschen mit dem richtigen Inhalt im richtigen Moment und am richtigen Ort erwischen und damit einen Prozess des Umdenkens einleiten. Genau dafür wurde sie erfunden, die gute alte Werbung.
Arschloch oder Arsch hoch?!
Wir sind im Stande, Menschen mit Witz, Emotion und klugem Storytelling im Sinne eines klima-positiven Verhaltens zu beeinflussen. Und das kann man tun, ohne alles andere, was wir bisher mit unserem Talent erreicht haben, unterlassen zu müssen. Wenn jeder nur ein bisschen in diese Richtung steuert, ist schon viel erreicht. Ist das die perfekte Lösung? Nein. Aber wer auf einen 100-prozentigen Ansatz wartet, der wird alt und grau. Aber, könnte man jetzt einwenden, machen wir da nicht den Bock zum Gärtner? Wie soll jemand, der am Tage Werbung für Burger King macht, am Abend die kommunikative Keule für Fleischverzicht schwingen? Und wenn er es täte: ist das nicht einfach nur moderner Ablasshandel? Kauft man sich da nicht frei von einem schlechten Gewissen? Die Antwort lautet eindeutig: ja. Das ist moderner Ablasshandel. Na und? In jedem Fall ist es besser, als gar nichts zu machen. Sollen doch die Top Kreativen dieser Republik einen Funken Ihrer Genialität für die Zukunft einsetzen. Und ansonsten Ihrem normalen Job nachgehen. Wer das Klima retten will, darf in manchen Punkten nicht wählerisch sein. Und vor allem nicht dogmatisch. Viele Profis der Kreativ-, Kommunikations- und Medienbranche haben durchaus Bock, ihre Erfahrung und Können dafür einzusetzen, die Ziele der 4Future Bewegung aktiv zu unterstützen. 80 ist das neue 100. Wir müssen einfach nur den Hintern hochkriegen!
Jan Pechmann gründete mit 23 Jahren die diffferent Strategieagentur, heute mit 80 Mitarbeitern an den Standorten Berlin und München und ist seitdem als Vor- & Querdenker in der Marketingbranche unterwegs. Als Familienvater hat er den dringenden Wunsch, die For Future-Bewegung durch die gemeinnützige Initiative „Marketing for Future" zu unterstützen und freut sich auf Support aus der Kommunikations-Branche!
Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.
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