Jan Pechmann

Generation Klartext.

Jan Pechmann und Nici Rieger über ein neues Selbstverständnis im Marketing

Marketing for Future ist nicht nur ein Füllhorn exzellenter Best Practises, es ist auch ein Kristallisationspunkt einer neuen Marketinggeneration.
 
Nici Rieger ist Strategy Consultant bei diffferent und hat das Bündnis für Klimapositives Verhalten e.V. sowie die Marketing for Future Awards von der Idee bis zur Umsetzung begleitet. © Marketing For FutureDie Gewinner des Marketing for Future Awards markieren den Aufstieg einer neuen Generation von Marketing- und Markenmacher*innen. Was ist neu daran? Die Spielregeln für klimaositives Marketing, nach denen sie agieren, klingen doch auf den ersten Blick vertraut. Es sind theoretisch scheinbar einfache Dinge, die man tausendfach schon selber gesagt, eingefordert und probiert hat. Aber sind es nicht genau diese einfachen und scheinbar selbstverständlichen Dinge, die uns im echten Leben leider zum Teil unfassbar schwerfallen? Die Marketinggeneration „Klartext" quatscht nicht nur, sie macht. Sie sind die ersten, die die jahrzehntealte Marketingtugenden tatsächlich und in aller Konsequenz einfach machen.

Dazu gehören zuallererst eine ausgeprägte Integrität und absolute Authentizität. Denn im bekannten Dreiklang aus Relevanz, Differenzierung und Glaubwürdigkeit liegt die größte Gewichtung bei Marketing for Future eindeutig auf letztgenannter Tugend. Die Gewinner des diesjährigen Awards sind mehrheitlich Leuchttürme für Wahrheit. Die kommunikative und kreative Aktivierung und das damit verbundene Wahrheitsmanagement ist zum Teil sogar nur zweitrangig.
 
Jan Pechmann ist Geschäftsführer der Strategieberatung diffferent, Gründer des Bündnis für klimapositives Verhalten e.V. sowie Initiator des Marketing for Future Awards. © Marketing For Future
Gerade deswegen haben sie überzeugt. Bei Gold-Gewinner Ecosia zum Beispiel sind groß angelegte Werbekampagnen auch kaum denkbar, stecken sie doch sämtliche Überschüsse in den klima-positiven Purpose des Unternehmens. 

Wenn die Marketinggeneration „Klartext" also die Verantwortung für die Wahrnehmung übernimmt, dann sorgt sie vor allem auch dafür, dass die Wahrheit stimmt. Die klimapositive Marketingabteilung lässt sich nicht als kommunikativer Verpackungskünstler halbgarer Produkt- und Serviceideen missbrauchen. Klares Anforderungsmanagement an die komplette Wertschöpfungskette und ein Übersetzen von klimapositivem Verhalten in Produktund Service-Ökosysteme – all das gehört ins Selbstverständnis von klimapositivem Marketing. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben des Marketings der Zukunft, nicht nur nach außen, sondern vor allem auch nach innen zu wirken. Denn Greenwashing gibt es nur, wenn wir das zulassen.

Wie aber geht man mit dieser Authentizität um, wenn man seine Wertschöpfungskette und sein Produktportfolio noch nicht komplett klimapositiv im Griff hat? Die Cases empfehlen ein souveränes Umgehen nicht nur mit den eigenen Erfolgen, sondern auch mit den Noch-nicht-Erfolgen. Ein selbstbewusstes „Wir sind noch nicht da, aber verdammt nochmal – wir sind auf dem Weg". Neben Authentizität gehört also eine entwaffnende Ehrlichkeit ins Repertoire der Generation Klartext. Silber-Gewinner Veganz geht dabei so weit, dass sie sich auch selbst in den eigenen Schwachstellen transparent machen und damit die Latte nicht nur für die klima-positive Arbeit anderer, sondern auch für sich selber ständig höher legen. Eine transparente Ambition und schonungslose Ehrlichkeit – das ist der entscheidende Unterschied zwischen echtem Engagement und Greenwashing. 

Wer die Klimawelle nur reitet, weil man damit gerade in progressiven Zielgruppen punkten kann, aber dabei seine eigene Komfortzone in keiner Weise verlässt, macht sicherlich ein gutes, aber eben auch stinknormales Marketing. Wer nach einer Trainingseinheit am nächsten Tag nicht wenigstens ein bisschen Muskelkater hat, der hat sich nicht genügend angestrengt. Kleiner Tipp am Rande: Letztlich macht dasjenige Unternehmen klimapositives Marketing am besten, das die entsprechende Produkt- & Servicepolitik tatsächlich lebt und Klimaschutz in der DNA trägt. Bei dem also Klima- und Gewinnorientierung Hand in Hand gehen. Ein Blick auf Top-Case Ecosia zeigt auch hier, wo die Latte im absoluten Maximum hängt: die als Purpose Company organisierte Unternehmung verzichtet komplett auf Ausschüttung an Stakeholder jedweder Art zugunsten des Investments in klima-positive Projekte. Eine zum Unternehmen passende Kongruenz von Business Case und Klimaschutz ist zwingend sowohl Ausgangs- als auch Zielpunkt für ernstgemeintes klimapositives Marketing

Letzten Endes ist aber auch mit Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit nicht viel zu erreichen, wenn man die Menschen überfordert. Für viele Menschen sind der Klimawandel und seine Folgen eine eher diffuse Bedrohung. Der Mehraufwand, den eine Anpassung ihres eigenen Verhaltens hin zu klimapositiven Alternativen mit sich bringt, hingegen ist sehr konkret. Und in vielen Fällen unbequem, wenn nicht gar unangenehm. Warum sollten sie das also tun? Weil es Spaß macht und cool ist! Viele Cases des diesjährigen Awards beweisen echte Empathie mit den ohnehin schon genug von Sorgen gebeutelten Konsumenten und zeigen großes Geschick darin, den Bierernst aus der Sache zu nehmen und damit Abstraktes konkret und Negatives positiv zu machen. Bronze-Gewinner ToGoodToGo zum Beispiel setzt trotz ernsten Themas konsequent auf humorvolle, positive und motivierende Botschaften.
 
Positive Narrative und spielerische  Leichtigkeit sind entscheidende Faktoren, um die Menschen behutsam mit auf die Reise zu nehmen. Dazu gehört auch, dass klimapositives Marketing eher eine Einladung zum gemeinsamen Mitmachen ist als eine Aufforderung zum individuellen Einkaufen – der kommerzielle Akt eher Folge als Fokus. Dies zeigt sich prototypisch in der „Kauf-weniger"-Kampagne von Gold-Gewinner Bio Company. Mit klimapositivem Marketing werden aus Kunden plötzlich Brüder & Schwestern im Geiste und aus Wettbewerbern Verbündete & Komplizen. Es ist sehr stark inklusiv, nicht exklusiv. Denn um den Klimawandel einzudämmen, müssen wir nun mal zusammenhalten. Traumbeispiel für Inklusion ist zum Beispiel Oatly mit seiner von der Jury versilberten CO2-Petition, einer Maßnahme, die auf die aktive Kollaboration von 50.000 Menschen angewiesen war. Veganz wiederum lädt mit seinem Eaternity Score die gesamte Branche zum Mitmachen ein. Denn was gut für die Sache ist, ist auch gut für den Erfolg der klima-positiven Marketingabteilung.

Mit gelernten Denkmustern und Konventionen brechen ist dabei vielleicht eines der hervorstechendsten Merkmale der Generation Klartext, weil sie dem Mantra unreflektierter Gewinnund Umsatzmaximierung eine überraschend andere Perspektive hinzufügt, indem sie das eigene Tun und die gelernten Branchenstandards rotzfrech hinterfragen. Klimapositives Marketing hat Mut zu Werten & Haltung und beweist Mumm zu Fokus & Überraschung. Genau darin liegt die besondere Glaubwürdigkeit vieler Case-Einreichungen und infolgedessen ihre besondere Kraft. Wer wie die Bio Company seine Kunden fragt, ob sie denn wirklich alles aus dem Einkaufskorb auch aufs Band legen wollen, der zeigt schon klare Kante. Aber nicht nur das. Die Marketinggeneration Klartext sticht vor allen Dingen mental wie kreativ aus dem Einheitsbrei immergleicher Kommunikationsbotschaften heraus, transportiert nicht nur Werbe- sondern echte Ansprüche. Klimapositive Verhaltensmuster als Thema und Content von Kommunikation ist ein Füllhorn für Differenzierung und Charisma, weshalb diese Marken von den Menschen nicht nur mental sondern auch an der Kasse unterstützt werden.
 
Silber-Gewinner Deutsche Bahn stimuliert mit der kristallklaren Kampagne „Spar dir den Flug" nicht nur einen Mindshift bei vielen Deutschen, sondern natürlich auch die Attraktivität der eigenen Angebote und Services. Darum lautet die Devise: „Weniger CObei dir – mehr Umsatz bei mir." Klimapositives Marketing ist ein harter Differenziator im Kampf um Zuwendung und Aufmerksamkeit.

Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.

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