300 kleine Läden in einem Geschäft

's Fachl - Ein revolutionäres Franchise-Konzept: Der Mini-Store in der Apfelkiste. Regional, charmant, nachhaltig.

Roland Huber führt eine Art Miniaturkaufhaus in der Salzburger Altstadt. Das Konzept namens „‘s Fachl" (dt. das kleine Fach/Abteil) gedeiht prächtig und expandiert nun als Franchise in andere Städte und Länder…

© fokus visuelle kommunikation
Holzkisten als Geschäftslokale im Verbund – das ist das ganze Geheimnis – und kleine Manufakturen, Gründerinnen und Gründer, Hersteller von außergewöhnlicher Kulinarik, Autorinnen und Autoren, Designerinnen und Designer sowie Kunstschaffende wagen mithilfe der „Fachl" ihre ersten Schritte auf den Markt. Der Verwalter dieser rund 300 gefüllten ehemaligen Obstkisten ist Roland Huber – er war jedoch nicht immer „Fachlmeister"…
 
Seit 2016 ist der Salzburger im „‘s Fachl" selbstständiger Franchisenehmer und gleichzeitig „Mädchen für alles": Er berät, verkauft, macht Mut und vermietet die kleinen Präsentationsflächen in den Kisten für rund 12 Euro pro Woche an Interessierte. Der Erfolg lässt sich sehen, die Warteliste für ein „Fachl" ist lang.

Vom Maschinenbau zum Mini-Kaufhaus
Früher hat Roland Huber als Geschäftsführer, Prokurist und Abteilungsleiter in Stuttgart und München gearbeitet und eine Ausbildung zum Systemischem Coach absolviert: „Ich war über 20 Jahre lang für Unternehmen in Österreich und Deutschland tätig – vom Familienbetrieb bis zum internationalen Großkonzern. Meine Tätigkeit umfasste den Aufbau von neuen Geschäftsbereichen und Vertriebsorganisationen – zuletzt habe ich die Münchner Niederlassung eines namhaften Herstellers im Maschinenbau mit 30 Mitarbeitern verantwortet. Der Aufbau von neuen Organisationsstrukturen war immer schon eine Leidenschaft von mir", erzählt der heutige Fachlmeister. Anfang 2016 erlebt Roland Huber eine Art innerliche Umbruchstimmung: „Ich hatte die Nase voll von Wachstumsdenken und stetiger Profitoptimierung." Immer stärker erlebt der Unternehmer, dass seine inneren Werte nicht mehr zu den Anforderungen der äußeren Welt passen. „Ich hatte plötzlich Lust auf etwas Kleineres, Bodenständigeres, wo ich selbst wieder Steuermann sein und Hand anlegen konnte", erinnert er sich. Von da an ging alles sehr schnell: Ein Zeitungsartikel liefert die Idee, ein Termin mit den beiden Fachl-Pionieren in Wien ebnet den Weg. Fünf Monate später wurde „‘s Fachl" in Salzburg eröffnet. Das Konzept der vielen kleinen Läden in einem größeren hat Roland Huber sofort angesprochen.

Der Anfang war von Unsicherheit geprägt, „immerhin ist Salzburg ja nicht Berlin oder Wien", schmunzelt Roland Huber. Doch der „Jungunternehmer" akquiriert intensiv und nützt ein Stadtviertelfest zur Präsentation seines Konzepts. In lockerer Atmosphäre gewinnt er dabei die ersten Fachlmieter. Lokale Medien zeigen sich interessiert am neuartigen Geschäft, die Mundpropaganda schickt erste neugierige Käufer in „‘s Fachl" – der Laden läuft. Die Resonanz ist positiv, der Fachlmeister beflügelt.

Die kleinen Geschäfte in einem größeren sind keine Selbstläufer, was zählt, ist der ideale Mix von Produkten aus möglichst unterschiedlichen Bereichen: Handwerk und Kulinarik, Kunst und Design. Für Hubers „Kistenmieter" ist „‘s Fachl" eine Art Testmarkt – hier erhalten vor allem Start-ups und junge Unternehmen die Möglichkeit, ihre Produkte ohne großes Risiko anzubieten oder ihre Idee günstig zu bewerben.

Schöne neue Arbeitswelt
Revolution im Einzelhandel: Roland Huber mit Tochter Marie ist stolz auf den Erfolg der 's Fachl Geschäfte. Das erfolgreiche Franchisekonzept bietet mit den Mikroshops in der Obstkiste ein ideales Umfeld für Start-ups sowie regionale und nachhaltige Produkte. © 's Fachl, zVg„Es gibt keinen großen Unterschied mehr zwischen Arbeit und Freizeit, für mich ist das sehr positiv", erzählt Roland Huber und genießt den Kontakt mit den außergewöhnlichen, kreativen und inspirierenden Menschen sehr. Die vielfältigen Anforderungen seines Jobs sind das Gegenteil von Monotonie und „unglaublich bereichernd" für den Fachlmeister. Gespräche mit Mietern und Endkunden, die Akquise und Administration machen die Tage abwechslungsreich. Am Schönsten ist für Roland Huber aber, „dass das Konzept so genial eingeschlagen hat und angenommen wird". Er lebt nun am Puls der Zeit, was neue Strömungen, Angebote und Ideen betrifft: „Es haben sich bereits Kooperationen unter meinen Fachl-Mietern ergeben, das ist spannend. Ich bin richtig stolz, dass durch das Konzept sozusagen eine Schnittstelle entstanden ist, die manchen Menschen als Sprungbrett zum Erfolg dient."

Verkaufsinfo in Echtzeit
„Unsere Mieterinnen und Mieter sind sehr dankbar für die Möglichkeit, teilweise zum ersten Mal ihre Produkte oder Ideen unkompliziert auf den Markt zu bringen", erzählt Roland Huber. Das Risiko ist überschaubar und die Transparenz vorbildlich: Sobald ein Produkt über den Ladentisch wandert, wird der Fachl-Mieter in Echtzeit über den Verkauf informiert.

Im personalisierten Bereich der Fachl-Website lassen sich jederzeit Produktstände überprüfen, Verkäufe verfolgen und die Abrechnungen begutachten. Als Provision für die Verkäufe behält das Fachl zehn Prozent der Verkaufssumme ein – der Rest wandert an den Mieter. „Der Verkauf auf fremde Rechnung und in fremdem Namen ist abrechnungstechnisch und steuerrechtlich eine enorm komplexe Angelegenheit und wird oft unterschätzt. Mit unserer eigenen Software haben wir das Mietregalkonzept revolutioniert", freut sich Huber.

Das Konzept „‘s Fachl" ist selbst ein erfolgreiches Start-up. Seit der Gründung im Jahr 2015 werden in Österreich 18 Geschäfte betrieben.

Das hätten sich die Gründer, Markus Bauer und Christian Hammer, bei der Eröffnung des ersten Fachl in Wien nicht träumen lassen. „Unser Plan damals war recht einfach", erklärt Hammer: „Bevor wir über einen weiteren Standort nachdenken, sammeln wir erst einmal 2-3 Jahre Erfahrung und entscheiden dann ob das Konzept überhaupt multiplizierbar ist. Aber, gerade mal 3 Monate nach der Eröffnung haben sich die ersten beiden Interessenten, darunter auch Roland Huber, gemeldet und nach einer relativ kurzen Entscheidungsphase war klar, wir können sukzessive neue Standorte eröffnen. Gegenwärtig erhalten wir laufend neue Anfragen, von den USA bis nach Litauen, wobei unser Fokus derzeit auf Europa liegt. Unser Traum: 100 Standorte in Europa."

Der Ansturm von Mietinteressenten und Kunden gibt den Gründern und Franchisenehmern Hoffnung: während der vergangenen vier Jahren haben die Fachl über acht ­Millionen Euro für ihre Mieter eingenommen und rund 800.000 Produkte verkauft.

Grundlage des Erfolgs
Die Fachl-Stores sind eine revolutionäre, analoge und damit reale Manifestation von virtuellen Online-Marktplätzen. Im Zuge des zu erwartenden Geschäftesterbens durch Corona ist dies eine überfällige Kampfansage an Riesen wie Amazon, Ebay oder Etsy. © 's Fachl, zVgOffensichtlich wollen immer mehr Menschen regional und fair einkaufen. Bestehende Systeme werden hinterfragt, der Konsum wird bewusster. Darin steckt die Chance für solche alternativen und nachhaltigen Vertriebsformen. „Uns spielen derzeit zwei globale Trends in die Hände", konkretisiert Roland Huber, „die ‚Neo-Ökologie‘ mit ihrem Verzicht auf Plastik und der Vorliebe für biologische, regionale und nachhaltige Produkte, sowie ‚Entrepreneurship‘ mit innovativen Konzepten von Gründern und Start-ups." Zu diesen neuen Bedürfnissen und Impulsen scheint das Fachl-Konzept mit seinem Angebot optimal zu passen. Deshalb konnten auch bereits Standorte außerhalb Österreichs eröffnet werden: Seit Ende 2018 gibt es „‘s Fachl" auch in Hamburg-Ottensen und seit Herbst 2019 in St. Gallen.

Die Nachfrage steigt – und die findigen Fachler haben ein Franchise-System entwickelt, weil sie überzeugt sind, dass es noch viele potenzielle und leidenschaftliche ‚Fachlmeister‘ gibt. Laut ihrer Einschätzung passt das Konzept besonders gut in aufstrebende Städte ab 100.000 Einwohnern.

„Inzwischen gibt es auch Kooperationen mit der Wirtschaftskammer bzw. den Handelskammern", erzählt Roland Huber. Er leitet selbst die Expansion neuer Standorte in Deutschland und der Schweiz. „Speziell für kleine regionale Manufakturen oder Direktvermarkter, die am Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit stehen, ist unser Konzept mit den leistbaren Verkaufsflächen in bester Lage enorm hilfreich." Roland Hubers eigene Revolution war der Wechsel in die Selbstständigkeit und das Loslassen bestehender Systeme und Funktionsweisen. Heute bäckt der Fachlmeister zwar kleinere „Brötchen" als früher, bezeichnet sich aber als maximal zufrieden.

Roland Huber, selbst Franchise-Nehmer und Expansionsleiter für das Fachl-Konzept, fasst die Aufgaben eines Fachlmeisters oder ­einer Fachlmeisterin zusammen:
  • umfassende Beratung und Information für die Mieter
  • stetige Neuakquise und Netzwerken mit Start-ups, jungen Firmen oder Manufakturen
  • Betreuung des gesamten Warenwirtschaftssystems inkl. der treuhänderischen Verwaltung (Guthaben) bzw. zeitgerechte Auszahlung der eingenommenen Umsätze
  • Anlegen der Produkte (bei Kunden ohne EAN-Codes verwenden wir eigene Barcodes)
  • Präsentation, Beratung und Verkauf
  • administrative Tätigkeiten wie Mietrechnungen, zeitgerechte Mietverlängerungen, Buchführung etc.
 
Was ist 's Fachl?
Ein „Fachl-Store" ist ein Geschäftslokal mit einer Fläche von ca. 100 m². Darin befinden sich ungefähr 300 Mietplätze in Form von charmanten Obstkisten (Fachl‘n). Ein solches Fachl kann ab € 12 pro Woche gemietet werden – je länger gemietet wird, desto günstiger wird‘s. Vom Verkauf der Produkte erhält der Fachl-Betreiber als Franchisenehmer 10 Prozent Provision.

Der Fachlmeister entscheidet als eigenständiger Betreiber des Standorts über die Auswahl des qualitativ hochwertigen und vielfältigen Produktsortiments.

Über mein.fachl hat jeder Mieter Einblick in Warenwirtschaft, Verkäufe und Guthaben. Für die Buchhaltung muss nur noch die jeweilige Abrechnung der Verkäufe ausgedruckt werden.

von Fritz Lietsch

Dieser Artikel ist in forum 02/2020 - die Corona-Sonderausgabe - Einfach zum Nachdenken... und Handeln erschienen.

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