Bernward Geier
Lifestyle | Essen & Trinken, 01.06.2019
Tradition und Bio verpflichten
Fein sei der Schnaps und edel der Likör
Die Verbindung von Alkohol und Bio stieß am Anfang auf Unverständnis. Doch ein Familienunternehmen im Münsterland hat gezeigt, wie Kreativität, Verantwortungsbewusstsein, Tradition und höchste Qualität eine perfekte Symbiose eingehen.
Dank Wilhelm Buschs „Frommer Helene" wissen wir, „Es ist ein Brauch von alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör". Wenn man daraus den Rückschluss ziehen würde, wer viel Likör hat, hat viele Sorgen, läge man bei der Dwersteg Destillerie aber ganz falsch. Das Traditionsunternehmen in Steinfurt im Münsterland widmet sich nämlich weitgehend sorgenfrei und äußerst erfolgreich dem Hochgeistigen in flüssiger Form – namentlich den Likören. Die Charakterisierung „Traditionsunternehmen" kann zutreffender nicht sein. Die Destillerie wurde 1882 von Ludwig Dwersteg gegründet und als Familienbetrieb über Generationen durch alle Wirren zweier Weltkriege geführt. Eine neue Zeit, geprägt von Innovation und erfolgreicher Geschäftsentwicklung, begann 1980, als Ludger Teriete, ein Neffe des Enkels Ludwig Dwersteg als Teilhaber und Geschäftsführer einstieg. Er setzte die über 135-jährige Unternehmensgeschichte einer Verbindung von Tradition und dem Mut, immer wieder Neues zu wagen, fort. So entstand aus einer kleinen lokalen Brennerei eine Destillerie mit hoher Reputation und weltweitem Markterfolg.
Dabei gelang es Ludger Teriete und seiner Frau Monika, den Charakter einer Manufaktur aufrechtzuerhalten. Im wahrsten Sinne des Wortes werden die edlen Brände und Liköre fast komplett in Handarbeit hergestellt. Nicht nur das Waschen, Schälen und Zerkleinern der Rohstoffe geschieht von Hand, sondern auch die Extraktion der Geschmackstoffe und die Komposition der Liköre. Damit begibt sich das Familienunternehmen auch auf eine neue Reise: „Mit unseren selbst hergestellten Essenzen – etwa für Cocktails oder als Gaumenkick beim Kochen – haben wir eine kreative Innovation mit viel Zukunftspotenzial entwickelt. Auch die Essenzen geben ungetrübt von Zusatzstoffen oder künstlichen Aromen jedem Produkt einen einzigartigen und unverwechselbaren Charakter", erklärt Ludger Teriete.
Eine weltweite Bio-Premiere
1994 gab es einen großen Meilenstein für das Unternehmen, denn Monika Teriete machte ihren Abschluss als Destillateur-Fachfrau und mit dieser „spirituellen" Kompetenz übernahm die Destillateurin Produktentwicklung und Qualitätskontrolle. Der Zeit weit voraus waren die Terietes mit dem Beschluss, 1996 die Produktion sukzessive auf Bio umzustellen. Und nicht nur das: Es war eine Selbstverständlichkeit, dass relevante Rohstoffe wie etwa Tee, Kakao und Vanille für die Liköre auch unter fairen Bedingungen produziert und gehandelt werden. Die Umstellung auf biologische Produktion war eine Pionierleistung, denn die Dwersteg Destillerie war damit weltweit das erste Unternehmen, das diesen Schritt wagte.
Die Neuaufstellung als Bio-Destillerie unter dem Namen Dwersteg Organic war von Anfang an eine Erfolgsgeschichte, die jedoch nicht in die Massenproduktion führte, sondern zur konsequenten Verbindung von bewährten Verfahren mit traditionellen Rezepten. Dieser Mut, Altes zu bewahren und gleichzeitig Neues zu wagen und zu kreieren steckt offensichtlich in den Unternehmer-Genen und so ist man stolz auf diese Familientradition. Von Udo Lindenberg (über ihn gleich mehr) scheint die Inspiration zu kommen: „Andere denken nach und wir leben vor".
Mut zahlt sich aus
Das harte Ringen um höchstes Qualitätsniveau fand internationale Anerkennung und führte zu zahlreichen Auszeichnungen für die innovative Destillerie. Der Durchbruch für Dwersteg Organic war 2001 auf der Weltleitmesse „Biofach" die Auszeichnung als „Produkt des Jahres" für den Schoko-Creme Likör. Weitere internationale Auszeichnungen folgten und 11 Jahre nach der ersten Biofach-Auszeichnung wurde der Limoncello (Zitronenlikör), abermals von der Biofach zum beliebtesten Neuprodukt in der Kategorie Bio-Getränke gewählt. Aber nicht nur die Biobranche zeichnet die Kreationen aus. Auch in der Wettbewerbswelt für konventionelle Destillate gibt es Auszeichnungen am laufendem Band, wie zum Beispiel der Crafts Spirit Award in Gold für den Mo Gin. Dessen Produktziel beschreibt die Destillateurin Mo(nika) Teriete wie folgt: „Wir suchten einen Gin, dessen Charakter zu uns und zu unserer Tradition passt. Mo Gin trägt meinen Namen, weil er meine kreative und vor allem sensorische Handschrift trägt. So entstand ein in der Komposition einzigartiger London Dry, bei dem sich der Geschmack auf das Wesentliche fokussiert."
Eier, Rosen und ein Friedensreiter
Über die Jahre haben die Terietes eine Kollektion edler Liköre und feiner Brände auf den Markt gebracht und jedes neue Produkt findet schnell eine Fangemeinde, wobei wohl die Mo Gin-Liebhaber die Treuesten sind. Nicht weniger beliebt ist der Eierlikör nach einem alten Hausrezept. Dessen hohe Qualität resultiert aus dem Herstellverfahren „auf kaltem Wege", aus dem hohen Eigelbanteil und dem Hauch natürlicher Bourbonvanille. Vermutlich das originellste und feinste Produkt ist der Damascena Rosenblüten-Liqueur. Das Destillat aus den Blütenblättern der Königin der Blumen erinnert mit seinen feinen Blütennoten an 1001 Nacht.
Neben den zwölf Likören gehören hochwertige Brände zum Sortiment. In der Münsterländer Heimat muss es auf jeden Fall auch ein Weizenkorn sein, und auch ein charakterstarker Wodka darf nicht fehlen. Die Spirituosen werden in schöne Flaschen mit künstlerisch wertvoll gestalteten Etiketten abgefüllt. Besonders gelungen ist die Etikettengestaltung des Damascena-Likörs durch den italienisch-spanischen Künstler Federico Bencini.
Ein Meilenstein für das Unternehmen war der Erwerb der Bildmarkenrechte des weltbekannten Kupferstiches vom „Münsteraner Friedensreiter" für Getränke und Spirituosen. Die Darstellung zeigt einen der Friedensreiter, die 1648 von Münster aus in alle Himmelsrichtungen ritten, um die Kunde vom Westfälischen Frieden in die Welt zu tragen. Diese Botschaft löste überall größten Jubel aus und führte zu üppigen Festgelagen, denn damit ging der Dreißigjährige Krieg zu Ende. Nach dieser schier unendlichen Gewaltorgie war nun der Weg frei für eine neue Ordnung in Europa und auch für eine neue Ära der höfischen Trink- und Esskultur.
Zugleich trugen die Boten mit der Verkündung des Westfälischen Friedens neue Gedanken der Toleranz und eine kontinentale Friedensordnung hinaus. So lag es nahe, den neu kreierten Wodka „PAX Organic Vodka" zu nennen und das Label mit dem feinen Kupferstich des Friedensreiters zu gestalten. Die Passion für Ästhetik und Schönheit findet immer wieder neue Ausdrucksformen, etwa in der Sonderedition „Hommage à Kandinsky", bei der die Kunst des Malens und des Destillierens eine fantastische Symbiose eingingen. Heinrich Neuy, einer der letzten Meisterschüler von Kandinsky und auch einer der letzten lebenden Bauhauskünstler, war der passende Gestalter für diese Sonderedition.
Lindenberg malt mit Likören
Wie versprochen kommt der Beitrag noch mal auf Udo Lindenberg zurück. Der wuchs im Nachbarort Gronau auf und „natürlich" kennt man sich. Udo Lindenberg ist bekanntermaßen ein bekennender Hardcore-Eierlikörfan. Ihm ist es gelungen, den Eierlikör von seinem altbackenen Kaffeekränzchen-Image zu befreien und für die junge Generation zum coolen Trendgetränk zu machen.
Doch Udo Lindenberg ist nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch ein erfolgreicher Maler und so kam ihm an der Bar beim Genuss von Eierlikör die brillante Idee, Bilder mit der breiten Farbenpalette der Liköre zu malen. Kreativ wie er ist, hat er für diese neue Art zu malen den Begriff „Licorelle" geschaffen. Wobei der Dwersteg Eierlikör eigentlich viel zu schade ist auf dem Papier zu Landen statt den Gaumen zu schmeicheln.
Zur Verbindung feiner alkoholischer Getränke mit Kunst passt Schlusspunkt setzend das Zitat des Schriftstellers und Lyrikers Gregor Brand. „Eine Kultur, in der Alkohol verboten ist, hat es ebenso schwer, geistreich zu sein, wie eine Kultur, in der Alkohol eine zu große Rolle spielt".
Von Bernward Geier
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2019 - Afrika – Kontinent der Entscheidung erschienen.
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