Hydrogen Dialogue 2024

Silberstreif am Horizont

Interview mit dem Photovoltaik-Pionier Udo Möhrstedt

Auf der Intersolar in München herrschte in diesem Jahr wieder Aufbruchstimmung. Fritz Lietsch besuchte Udo Möhrstedt, einen langjährigen Wegbegleiter, der sich ähnlich lange wie er für ein solares Zeitalter und die Energiewende einsetzt.

Herr Möhrstedt, Sie gehören zu den Urgesteinen der Photovoltaik Branche. Wie steht es damit im deutschsprachigen Raum: Geht es wieder bergauf oder haben wir die Chancen endgültig vertan?
Dipl.-Phys. Udo Möhrstedt © IBC SOLARDie Photovoltaikbranche hat sich nach einigen schweren Jahren wieder auf ihre Innovationskraft besonnen. Das hat die Intersolar im Juni ganz deutlich gezeigt. Speicher, Elektromobilität, Wärme – die Photovoltaikanlage ist zum zentralen Element intelligenter Energieproduktion und -nutzung geworden und aus dem sogenannten Smart Home nicht mehr wegzudenken. Ganz düster sieht es aber aus, wenn man sich die Energiepolitik anschaut.

Was macht die Politik derzeit falsch?
Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Themen Klimaschutz und Energiewende von der Politik derzeit nicht gefördert, sondern gezielt ausgebremst werden. 

Akuten Handlungsbedarf gibt es auf vielen Feldern. Die Sonnenstromsteuer ist immer noch ein Thema – sie gehört endlich abgeschafft. Prosumer müssen endlich gestärkt werden. Die zusätzliche Belastung durch die anteilige EEG-Umlage ist nach wie vor ein völliger Quatsch.

Ein anderes Thema sind die Sonderausschreibungen. 4 GW sind im Koalitionsvertrag für Photovoltaik vereinbart. Und jetzt bremst der Wirtschaftsminister schon und stellt 1 GW, verteilt auf 3 Jahre in Aussicht. Es wird also nicht einmal das umgesetzt, worüber sich alle einig waren!

Wo sehen Sie die großen Herausforderungen?
Aus meiner Sicht werden die großen HGÜ-Leitungen das Problem der Energiewende nicht lösen. Priorität muss vielmehr der flächendeckende Ausbau des Verteilnetzes haben. Es ist inzwischen so: Auf den Monat betrachtet würde die gemeinsame Energieproduktion aus Wind und Sonne ausreichen, um Deutschland zu versorgen. Was wir jetzt also anpacken müssen, ist der Ausbau der Verteilnetze unter Einbeziehung von Tages- und Wochenspeichern, so dass es keine sogenannten Dunkelflauten mehr geben kann.

Wo sehen Sie die neuen Chancen?
Die größte Chance liegt darin, dass die Energiewende und die Verkehrswende endlich zusammen betrachtet werden. Photovoltaik und Elektromobilität gehören zusammen – darüber müssen die beiden Branchen nun zusammen aufklären. 

Ein Großteil der Förderung für Elektromobilität wurde bislang noch nicht abgerufen. Dabei gibt es vor allem im Gewerbesektor ein riesiges Dächer-Potenzial für die Photovoltaik und gleichzeitig ideale Voraussetzungen für Elektromobilität. Mitarbeiterfahrzeuge, die eigene Firmenflotte… Parkplätze mit Solarcarports bebauen und Ladestationen direkt an der Quelle der Erzeugung installieren – das ist die Zukunft!

Wie schätzen Sie das Potenzial von Eigenverbrauchsanlagen im Haushalt, aber vor allem im Gewerbe ein?
Sehr hoch! Die Vorgaben aus dem EU-Trilog müssen von der Bundesregierung nun schnell umgesetzt werden. Nach meiner Ansicht sollte es sogar so sein, dass Anlagen bis 100 kW frei von zusätzlichen Belastungen sind. Davon würden Privatleute und der unternehmerische Mittelstand gleichermaßen profitieren.

Hand aufs Herz? Ist die Energiewende noch zu retten?
Auf jeden Fall! Sicher ist doch, dass bis 2022 alle Atomkraftwerke und viele Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden. Wenn man das Thema Klimaschutz ernst nehmen will, ist jetzt der Zeitpunkt, zu handeln und zum Beispiel die Sektorenkopplung endlich anzupacken. Stichwort Energiewende und Verkehrswende gemeinsam denken.

Wenn Sie als junger Unternehmer heute an den Start gehen würden. In welchem Bereich würden Sie sich platzieren/engagieren?
Mit Photovoltaik und Speichern im gewerblichen Bereich. Da steht das größte Potenzial an nutzbaren Dachflächen zur Verfügung und da besteht das größte Potenzial für die Stromerzeugung am Ort des Verbrauchs. Da kommt auch wieder das Thema E-Mobilität ins Spiel.

Wären Sie bereit, in diesem Bereich auch Jungunternehmer/Start-ups zu unterstützen?
Ja, sicher. Es kommt natürlich auf das Thema an.

Zu guter Letzt: Wenn Sie 3 Wünsche frei hätten: Wie würden diese lauten?
  1. Massive Reduzierung der Komplexität des EEG. Das ist inzwischen ein bürokratisches Monster.
  2. Bessere Förderprogramme für Speicher.
  3. Die Doppelbelastung von Speichern bei der EEG-Umlagepflicht gehört sofort abgeschafft.

Dipl.-Phys. Udo MöhrstedtVorstandsvorsitzender und Gründer IBC SOLAR AG
Seit mehr als 30 Jahren engagiert Udo Möhrstedt sich für die Entwicklung und den Ausbau der Photovoltaik. Als einer der Pioniere in der Solarbranche gründete er 1982 ein Ingenieurbüro für Batterie- und Solartechnik, aus dem die spätere IBC SOLAR AG hervorging. Nach dem Studium der Physik an der Wilhelms-Universität Münster und Justus-Liebig-Universität Gießen arbeitete der gebürtige Recklinghäuser bis 1979 als Leiter Anwendungstechnik bei der VARTA AG in Frankfurt/Main und Hannover, bevor er 1980 nach Bad Staffelstein kam. 1986 begründete er in Bad Staffelstein das PV-Symposium Kloster Banz (Symposium Photovoltaische Solarenergie). Ab 1996 vertrat er sechs Jahre lang die Interessen der deutschen PV-Industrie als Vorstandsmitglied bzw. Vorstandssprecher des Bundesverbands Solarenergie. Er begleitete die Fusion der Branchenverbände der Solarthermie und Photovoltaik zum „BSI – Bundesverband Solarindustrie". Für sein konsequentes Engagement erhielt Möhrstedt unter anderem den „Technologie-Transfer-Preis" des OTTI (Ostbayerischen Technologie-Transfer-Institut) und die „Bayerische Umweltmedaille". 2009 wurde er von Ernst & Young als „Entrepreneur des Jahres" für seine herausragende Rolle in der Entwicklung der Solarbranche und der erneuerbaren Energien ausgezeichnet. Für sein langjähriges Engagement und seinen unternehmerischen Einsatz erhielt Udo Möhrstedt 2012 das Bundesverdienstkreuz.
 
Mehr zum Thema finden Sie in der Ausgabe 2/18.

Technik | Energie, 09.07.2018

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