Sind wir zu dumm für die Zukunft?

Die Zukunftsfähigkeit des ­Menschen aus der Perspektive der Vergangenheit

Eine Moderation unter Saurierskeletten bei der Green Brand-Preisverleihung im ehrwürdigen ­Senckenberg Museum in Frankfurt inspirierte mich zu einem Interview mit dem Generaldirektor der Senckenberg ­Gesellschaft für Naturforschung Volker Mosbrugger. Wir sprachen über die Zukunftsfähigkeit des ­Menschen aus der Perspektive der Vergangenheit. 

Herr Mosbrugger, wir stehen hier unter Saurierskeletten. Diese sind ausgestorben. Droht uns das auch?
Nein, auf jeden Fall nicht unmittelbar. Auch wenn wir weiterhin so unvernünftig Raubbau mit der Natur treiben, die biologische Vielfalt zerstören und den Klimawandel weiter vorantreiben, werden wir deshalb nicht aussterben, sondern „nur" unendlich viel Leid für Millionen und Milliarden von Menschen herbeiführen.

Wieviel Affe steckt in uns oder sind wir dümmer als unsere Verwandten?
Unser Umgang mit der Natur ist noch ähnlich ''primitiv'' wie der der Schimpansen: Wir behandeln die Natur wie eine unendliche Ressource, was sie aber nicht ist. © SenckenbergDas Schimpansen-Genom ist zu rund 99 Prozent identisch mit unserem menschlichen Genom.
Wenn man so will, steckt also unendlich viel Affe in uns, und das sieht man! Aber es kommt eben auf die kleinen Unterschiede an. Natürlich sind wir auch nicht dümmer als unsere nächsten lebenden Verwandten, aber leider auch nicht so viel gescheiter, wie es die angeberische Selbstbeschreibung „Homo sapiens" erwarten ließe. Tatsächlich ist zum Beispiel unser Umgang mit der Natur noch ähnlich „primitiv" wie der der Schimpansen: Wir behandeln die Natur wie eine unendliche Ressource, was sie aber nicht ist.
Hier kommt es darauf an, unsere Erkenntnisfähigkeit zu nutzen, und der Ausbeutung der Natur – zu unserem eigenen Vorteil – Grenzen zu setzen.

Im neuen Museum wird das komplexe System Erde-Mensch eine zentrale Rolle spielen. Können wir dieses System verstehen oder etwa gar in Ansätzen so weit beherrschen, dass wir „gegensteuern" können?
Die Antwort ist ein klares „ja", auch wenn wir natürlich nie die ganze Komplexität des Erdsystems verstehen werden. Nehmen wir das Beispiel der Medizin: Vor 500 Jahren war die Medizin noch mehr „Kurpfuscherei" als Wissenschaft; heute hat die Medizin zwar immer noch nicht alle Krankheiten besiegt und das komplexe System Mensch noch immer nicht völlig verstanden, gleichwohl hat sie unsere Lebenserwartung dramatisch nach oben schnellen lassen. Bezüglich der Entwicklung der Erdsystemforschung und eines „Erdsystemmanagements", einer „Medizin der Erde", sind wir rund 200 Jahre hinter der Humanmedizin zurück.

Sind die Versuche von Musk und Co, auf den Mars zu fliegen, bereits ein Versuch, einen Plan B zu finden? Was kommt also nach dem Mond?
Der Weltraum, wie im übrigen auch die Tiefsee, harren noch der Eroberung und Nutzung durch den Menschen, der Aufbruch ist aber gemacht. Die treibende Kraft ist dabei sicher unsere Entdeckerlust, die immer eine Verbindung aus Neugier und Hoffnung auf Reichtum und Glück darstellt. Wichtig ist, dass wir diese Eroberung vernünftiger, also nachhaltiger gestalten, als die Eroberung der Kontinente.

Eine weitere neue Ausstellung lautet „Zukunft gestalten". Was können, was müssen wir gestalten?
Die Saurier sind ausgestorben. Droht uns das auch? © SenckenbergWir müssen lernen, mit unserer Erde, mit der Natur so sorgsam umzugehen, wie wir mit unserem eigenen Körper umgehen. Dazu müssen wir noch viel mehr verstehen, wie unser Erdsystem funktioniert und eine „Medizin der Erde" entwickeln, so dass alle Eingriffe in die Natur nachhaltig, also „Enkel-fähig" gestaltet werden und die „Risiken und Nebenwirkungen" genau bekannt sind.

Was liegt Ihnen noch auf dem Herzen, was möchten Sie unseren Lesern gerne mit auf den Weg geben?
Trauen Sie der Wissenschaft, sie liefert Ihnen die verlässlichsten Erkenntnisse und Informationen, die Sie bekommen können. Aber trauen Sie ihr auch nicht zu viel zu: Die Wissenschaft ist der Motor unseres Fortschrittes, ihre Produkte sind jedoch nicht absolute Wahrheiten, sondern belastbare, reproduzierbare Erkenntnisse mit denen man erfolgreich arbeiten kann.
 
Prof. Mosbrugger © Senckenberg
Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mosbrugger ist Paläonto­loge und seit 2005 Direktor sowie seit 2009 Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Er leitet in dieser Funktion das Geschick der Senckenberg Forschungsinstitute und Naturmuseen mit rund 800 Mitarbeitern an sieben Instituten. Mosbrugger hat den Lehrstuhl für Paläontologie und Historische Geologie an der Goethe-Universität Frankfurt inne und ist Mitglied verschiedenster Wissenschaftsorganisationen, so zum Beispiel der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina zu Halle und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech. Seine Hauptaufgabe sieht er im Verstehen der großen Zusammenhänge im „System Erde-Mensch". Ziel ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen für eine nachhaltige Nutzung und den Schutz der Natur als unserer wichtigsten Lebensgrundlage zu schaffen und diese zu vermitteln.

Das Interview führte Fritz Lietsch.

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2017 - Jetzt die SDG umsetzen erschienen.

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