Schreibt nicht noch mehr Leitbilder - handelt!
von Susanne Bergius
Ende 2010 verkündeten 27 Topmanager von 21 Unternehmen ein "Leitbild für verantwortliches Handeln in der Wirtschaft". Die Unterzeichner verpflichten sich auf sechs Prinzipien: "Die Wirtschaft muss das Wohl der Menschen fördern", global durch fairen Wettbewerb, Sozialpartnerschaft, Leistung, Nachhaltigkeit und verantwortliches Handeln der Entscheider. "Das Leitbild setzt überprüfbare Standards, die in den beteiligten Unternehmen fest verankert werden sollen", heißt es. Gesellschaftliche Verantwortung müsse "in unsere Geschäftspolitik und Geschäftsprozesse integriert und bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden."
Ja, ist das denn nicht schon längst passiert? Die meisten beteiligten Unternehmen bekennen sich doch seit Jahren zur Nachhaltigkeit, neun wirken bei Econsense mit, dem Forum für Nachhaltigkeit des BDI, rund ein Dutzend hat die Leitlinien des UN Global Compact unterzeichnet und alle unterstützen dessen Ziele sowie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. In den Konzernen stimmt also etwas nicht: Die vielen Selbstverpflichtungen scheinen nach wie vor nur ansatzweise in die Praxis umgesetzt zu sein. Das haben sie wohl erkannt und wollen nun etwas tun, weil das Vertrauen in die Wirtschaft schwindet.
Zu viele Selbstverständlichkeiten
Der Wert der Initiative könnte darin liegen, dass sie explizit die Lebensbedingungen nachfolgender Generationen achten will und zu einigen Konfliktthemen Position bezieht, etwa soziale Härten möglichst vermeiden oder mindestens mildern will. Aber leider sind unter den Positionen auch Selbstverständlichkeiten, wie Regeln und Gesetze zu befolgen, und nichtssagende Äußerungen, etwa zur natürlichen Umwelt. Zwar wird anerkannt, dass die Umwelt wesentliche Lebensgrundlage für die Gesellschaft und Voraussetzung für langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist - ein für Wirtschaftsbosse erstaunliches Bekenntnis, immerhin. Doch zum Schutz der Umwelt bekennen sich die Unterzeichner nicht, geschweige denn zu einem Ziel, möglichst ressourcenarm zu wirtschaften und die hierfür bestverfügbare Technik zu nutzen und bereitzustellen. Die Ankündigungen, auf Effizienz in der Wertschöpfungskette zu achten und zu einem Innovationswettbewerb beizutragen, sind völlig unkonkret.
Messbare Indikatoren oder greifbare Ziele fehlen. Vom eigenen Anspruch, überprüfbare Standards zu setzen, ist das sehr weit entfernt. Und bleibt deutlich unter dem Global Compact. Wenn also überhaupt ein neues Leitbild, dann sollte es wenigstens ehrgeiziger ausfallen als die alten.
Dagegen ist das Leitbild auch beim Thema Belegschaft der kleinste gemeinsame Nenner: Von einer Jobgarantie für die eigenen Mitarbeiter, wie sie manche Großkonzerne jüngst gegeben haben, wollen andere nichts wissen. Die Gruppe befürwortet zudem "allgemein gültige und verbindliche Regeln", während zugleich einige der Konzerne die größten Widersacher gegen solche allgemein gültigen Regeln in Europa sind. Das ist janusköpfig.
Kein Anspruch auf Vergleichbarkeit
Die Initiative wird nicht im Ansatz der Notwendigkeit gerecht, belastbare, messbare und vergleichbare Informationen zu diesbezüglichen unternehmerischen Leistungen zu liefern, geschweige denn den absehbar zunehmenden rechtlichen Anforderungen zu entsprechen, etwa einem Deutschen Nachhaltigkeitskodex, wie ihn der Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung aktuell vorantreibt.
Die Top-Manager wollen Vorbilder sein, um schwindendes Vertrauen wieder zu gewinnen. So aber geht das nicht. Vorbilder sehen anders aus. Es braucht nicht noch mehr Leitlinien: Unternehmen müssen endlich leben, was sie schon längst unterzeichnet oder begrüßt haben!
Auch sind heutige und künftige Führungskräfte auf ethische Zweifelsfragen und Zielkonflikte vorzubereiten. Wirtschafts- und Unternehmensethik gehört darum als Pflichtfach in die Lehrpläne der Ausbildungsstätten und Hochschulen. Und nicht nur in die der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge, denn Biologen, Ingenieure und Juristen werden ebenfalls Führungskräfte in Wirtschaft und Finanzwelt. Auch dafür sollten sich die Wirtschaftsführer stark machen, statt immer neue Leitlinien zu produzieren.
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Susanne Bergius ist Fachjournalistin und Moderatorin für nachhaltiges Wirtschaften und Investieren. Sie lebt in Berlin. |
Zu viele Selbstverständlichkeiten
Der Wert der Initiative könnte darin liegen, dass sie explizit die Lebensbedingungen nachfolgender Generationen achten will und zu einigen Konfliktthemen Position bezieht, etwa soziale Härten möglichst vermeiden oder mindestens mildern will. Aber leider sind unter den Positionen auch Selbstverständlichkeiten, wie Regeln und Gesetze zu befolgen, und nichtssagende Äußerungen, etwa zur natürlichen Umwelt. Zwar wird anerkannt, dass die Umwelt wesentliche Lebensgrundlage für die Gesellschaft und Voraussetzung für langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist - ein für Wirtschaftsbosse erstaunliches Bekenntnis, immerhin. Doch zum Schutz der Umwelt bekennen sich die Unterzeichner nicht, geschweige denn zu einem Ziel, möglichst ressourcenarm zu wirtschaften und die hierfür bestverfügbare Technik zu nutzen und bereitzustellen. Die Ankündigungen, auf Effizienz in der Wertschöpfungskette zu achten und zu einem Innovationswettbewerb beizutragen, sind völlig unkonkret.
Messbare Indikatoren oder greifbare Ziele fehlen. Vom eigenen Anspruch, überprüfbare Standards zu setzen, ist das sehr weit entfernt. Und bleibt deutlich unter dem Global Compact. Wenn also überhaupt ein neues Leitbild, dann sollte es wenigstens ehrgeiziger ausfallen als die alten.
Dagegen ist das Leitbild auch beim Thema Belegschaft der kleinste gemeinsame Nenner: Von einer Jobgarantie für die eigenen Mitarbeiter, wie sie manche Großkonzerne jüngst gegeben haben, wollen andere nichts wissen. Die Gruppe befürwortet zudem "allgemein gültige und verbindliche Regeln", während zugleich einige der Konzerne die größten Widersacher gegen solche allgemein gültigen Regeln in Europa sind. Das ist janusköpfig.
Kein Anspruch auf Vergleichbarkeit
Die Initiative wird nicht im Ansatz der Notwendigkeit gerecht, belastbare, messbare und vergleichbare Informationen zu diesbezüglichen unternehmerischen Leistungen zu liefern, geschweige denn den absehbar zunehmenden rechtlichen Anforderungen zu entsprechen, etwa einem Deutschen Nachhaltigkeitskodex, wie ihn der Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung aktuell vorantreibt.
Die Top-Manager wollen Vorbilder sein, um schwindendes Vertrauen wieder zu gewinnen. So aber geht das nicht. Vorbilder sehen anders aus. Es braucht nicht noch mehr Leitlinien: Unternehmen müssen endlich leben, was sie schon längst unterzeichnet oder begrüßt haben!
Auch sind heutige und künftige Führungskräfte auf ethische Zweifelsfragen und Zielkonflikte vorzubereiten. Wirtschafts- und Unternehmensethik gehört darum als Pflichtfach in die Lehrpläne der Ausbildungsstätten und Hochschulen. Und nicht nur in die der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge, denn Biologen, Ingenieure und Juristen werden ebenfalls Führungskräfte in Wirtschaft und Finanzwelt. Auch dafür sollten sich die Wirtschaftsführer stark machen, statt immer neue Leitlinien zu produzieren.
Quelle: Susanne Bergius
Wirtschaft | CSR & Strategie, 04.07.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2011 - Schöne Aussichten erschienen.

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