Frank Braun
Wirtschaft | Ethisches Wirtschaften, 18.08.2025
Zusammen.Wohl.Sein
Wohlstand neu gedacht – Geschichten, die zum anders TUN einladen
Episode 1: Egon wird reich – ganz anders als gedacht. Egon war zufrieden. Er hatte ein großes Auto, einen Fernseher mit 200 Kanälen, ein tolles Haus, einen Keller voller Werkzeuge und eine Kaffeemaschine, die ihm 20 verschiedene Kaffeevariationen zubereiten konnte. Trotzdem fühlte sich Egon oft müde. Und ein bisschen genervt. Irgendwie wurde alles teurer. Und irgendwie – auch komplizierter.
Eines Tages ging Egon zum Bäcker. Dort traf er auf Lisa. Lisa war neu im Viertel und hatte einen Beutel dabei, auf dem stand: „Teilen macht reich."Egon runzelte die Stirn. „Reich? Durch Teilen? Das erschien Egon dann doch reichlich verdreht.
Lisa lachte. „Komm mal mit zu unserem Tauschcafé. Vielleicht überrascht es dich."
Egon war skeptisch. Aber seine Kaffeemaschine war gerade kaputt, und die Reparatur hätte ein kleines Vermögen gekostet. Also ging er mit.
Im Tauschcafé traf er Leute, die Dinge tauschten, die sie nicht mehr brauchten. Egon brachte ein altes Raclette-Gerät mit – das er zuletzt zu Silvester vor einigen Jahren benutzt hatte – und ging mit einem fast neuen Wasserkocher nach Hause. Kostenlos. Und mit einem Grinsen im Gesicht.
Ein paar Wochen später war Egon Stammgast. Er reparierte dort sogar Toaster – YouTube sei Dank! Er half beim Reparatur-Café, bekam ab und zu selbstgebackene Kekse und wurde plötzlich in der Nachbarschaft begrüßt wie ein Popstar.
Er fing an, Dinge zu leihen, statt sie zu kaufen. Den Hochdruckreiniger von Ute, das Zelt von Mehmet. Im Gegenzug lieh er seinen Akkuschrauber aus – der vorher mehr Zeit im Keller verbracht hatte als Egon auf der Couch.
Irgendwann stellte Egon fest: Sein Konto sah besser aus, obwohl er sich nicht eingeschränkt fühlte. Er kaufte weniger, aber besser – zum Beispiel fair gehandelten Kaffee und Seife vom Weltladen. Er lernte: Wenn niemand dabei ausgebeutet wird, schmeckt das Leben besser.
Und seine größte Angst? Dass Nachhaltigkeit Verzicht bedeutet? Die hatte er irgendwann vergessen. Weil sein Leben reicher geworden war: an Zeit, an Kontakten, an Lachen.
Egon hatte verstanden: Wohlstand heißt nicht: viel haben. Wohlstand heißt: gut leben.
Vom Raclette-Gerät zum Wohlstand 2.0.: Was Unternehmen von Egon lernen können
Die Geschichte von Egon zeigt auf unterhaltsame Weise, wie sich unser Wohlstandsverständnis wandeln kann – weg vom „immer mehr besitzen" hin zum „gemeinsam besser leben". Unternehmen, die ihre sozial-ökologischer Verantwortung leben, geben so Impulse für nachhaltiges Handeln – intern wie extern. Das ist gut fürs Geschäft und für die Mitarbeiter:innen-Motivation.
Denn: Auch in Unternehmen steckt oft ein Keller voller ungenutzter Möglichkeiten – materiell, kulturell und sozial. Egons Aha-Momente lassen sich auf die Arbeitswelt übertragen: durch Teilen, Reparieren, Gemeinschaft und ein neues Verständnis von Wert.
Hier drei konkrete Ideen zur Umsetzung:
Idee: Unternehmen inventarisieren gemeinsam mit Mitarbeitenden ungenutzte Geräte, Werkzeuge oder Materialien und etablieren eine betriebsinterne „Leihbörse".
Beispiel: Ein Handwerksbetrieb stellt selten genutzte Maschinen im Intranet zur Buchung bereit. Eine soziale Einrichtung organisiert mit anderen Trägern in der Region einen gemeinsamen Fundus für Eventtechnik.
2. Reparieren statt ersetzen – durch gemeinsame Lernformate
Idee: Unternehmen bieten interne Repair-Workshops an oder organisieren Reparaturtage mit lokalen Initiativen – auch als Teambuilding.
Beispiel: Eine Verwaltung lädt Mitarbeitende ein, ihre defekten Haushaltsgeräte mitzubringen und gemeinsam mit Repair-Café-Profis zu reparieren. Nebenbei gibt’s fairen Kaffee und Raum für Gespräche über Nachhaltigkeit.
3. Nachbarschaft einbeziehen – neue Formen des Austauschs
Idee: Unternehmen öffnen ihre Räume für Tausch- und Begegnungsformate mit der Nachbarschaft, z.B. Tauschcafés, Kleidertausch oder Buchtauschregale.
Beispiel: Ein mittelständisches Unternehmen richtet im Eingangsbereich eine „Teilen macht reich"-Ecke ein, wo Mitarbeitende und Nachbar*innen Dinge tauschen können – mit einer kleinen Ausstellung zu Egons Geschichte als Inspiration.
Zum Hintergrund des Projektes:
Das Wort Wohlstand ist eine Wortbildung aus dem Adjektiv „wohl"="gut", hergeleitet aus dem germanischen „welö-„ sowie dem gotischen „waíla"= „gewollt, gewünscht, nach Wunsch" und dem Suffix „-stand" = „aufrechte Stellung, das Stehen, Standort, Zustand", also sinngemäß zusammengefasst bedeutet Wohlstand „fest stehend".
Bis ins 18. Jahrhundert haben Menschen damit eher das eigene Wohlergehen verbunden. Seither hat sich die Definition gewandelt. Heute verbinden wir damit Wohlhabenheit, das Maß an Besitz, das unser Leben absichert. Besitz, den wir oftmals zu Lasten von Mensch und Natur ander Orten anhäufen.
Wir wollen mit unserem Projekt Wohlstandswerkstatt einen kleinen Beitrag leisten, um zu zeigen, Wohlstand für alle ist möglich. Wir wollen mit unseren Geschichten Mut machen. Wohlstand muss nicht auf der Idee von Gewinnern und Verlierern gründen. Es geht auch anders. Es würde uns freuen, wenn wir euch Lust machen würden, selbst in euren Unternehmen dazu beizutragen und mit anderen dazu ins Gespräch zu kommen. Das wäre wunderbar.
Frank Braun ist Vorstand und Mitglied im Ko-Leitungskreis der Transition Town Bewegung DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz). Seit 2011 arbeitet er selbstständig als Berater und begleitet Unternehmen bei der öko-sozialen Transformation und der Einführung einer Arbeitskultur mit Herz, Kopf und Hand.
Kontakt: FairBinden, Frank Braun | frank@fairbinden.eu | tudus.eu
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