Apu Gosalia
Gesellschaft | Politik, 04.08.2025
Nachhaltige Verantwortung für Deutschland
Umweltschutz im Koalitionsvertrag. Der aktuelle Kommentar von Apu Gosalia
Nach wochenlangen Verhandlungen unterzeichneten CDU, CSU und SPD am 5. Mai ihren Koalitionsvertrag 2025 für die 21. Legislaturperiode mit dem Titel: „Verantwortung für Deutschland". Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben es darin zu einer Bedeutung geschafft, mit der nicht zu rechnen war. Im Wahlkampf hatten diese Themen keine nennenswerte Rolle gespielt, da dort eher Sicherheit und Migration im Vordergrund standen.
Der Koalitionsvertrag enthält auch zahlreiche Passagen zu Themen, die sich auf das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen beziehen und auswirken können. Die wichtigsten Punkte diesbezüglich sind hier für Sie zusammengefasst.Klima & Energie
Der Koalitionsvertrag hält an der Erreichung der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045, durch die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und die Reduktion von CO2-Emissionen und anderen Treibhausgasen fest.
Das europäische Klima-Zwischenziel für 2040 in Höhe von minus 90 Prozent gegenüber 1990 soll daher mit der Maßgabe unterstützt werden, dass erstens in Deutschland nicht mehr reduziert werden muss als mit dem deutschen Klima-Zwischenziel für 2040 vorgesehen, zweitens neben der vorrangigen CO2-Reduktion in Deutschland in begrenztem Umfang auch permanente und nachhaltige negative Emissionen sowie drittens glaubwürdige CO2-Reduzierung durch hochqualifizierte, zertifizierte und permanente Projekte (maximal drei Prozentpunkte des 2040- Zwischenziels) in außereuropäischen Partnerländern zur wirtschaftlich tragbaren Reduzierung von Restemissionen anrechenbar sind.
Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) soll unbürokratischer und effizienter werden, um einen effektiven Schutz vor Carbon Leakage (Verlagerung von treibhausgasemittierenden Industrien in Länder außerhalb der EU, um die strengeren europäischen Auflagen für CO2-Emissionen zu umgehen) zu ermöglichen. Es soll einen Ausgleich für Exporte bei den von CBAM erfassten Produkten geben.
CO2-Abscheidungs- und Speicherungstechnologien (CCS) und auch Nutzungstechnologien (CCU) werden als unerlässliche Instrumente zur Erreichung der Klimaneutralität angesehen, und entsprechende Gesetzespakete sollen umgehend beschlossen werden. Zudem sieht die Koalition Direct Air Capture (DAC) als eine mögliche Zukunftstechnologie, um Negativemissionen zu heben. Somit sollen bei der Reduktion von CO2-Emissionen ergänzend auch Maßnahmen zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre berücksichtigt werden.
Die Klimaanpassungsstrategie wird weiterentwickelt, und bestehende Förderprogramme werden zielgerichtet genutzt. Hierbei sollen vor allem Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Industrie bestehen bleiben und künftig an Kriterien wie die Sicherung von Standorten geknüpft werden. Erneuerbare Potenziale sollen durch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III) und die Erhöhung der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) ausgeschöpft werden. Der Einsatz alternativer Kraftstoffe, inklusive Biokraftstoffe, soll vorangebracht werden.
Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) soll auf die zentralen Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität konzentriert werden und die Effizienz der Mittelvergabe gesteigert und stärker an den Kriterien der CO2-Vermeidung und des sozialen Ausgleichs ausgerichtet werden.
Umwelt & Naturschutz
Im Bereich Umwelt und Ernährung setzt der Koalitionsvertrag auf Freiwilligkeit, Anreize und Eigenverantwortung. Umwelt- und Klimaschutzstandards sollen dennoch erreicht werden. Die Koalition will sich dafür einsetzen, dass die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) durch die Einführung der „Null-Risiko-Variante" keine Anwendung findet.
Der Naturschutz fokussiert sich auf den Kampf gegen die Verschmutzung beim Meeresschutz, den Erhalt der Biodiversität und die Beseitigung von Munitionsaltlasten. Das Umweltgenehmigungsrecht wird vereinfacht, um Bürokratie abzubauen und Verfahren zu vereinfachen. Das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz sowie die darin enthaltene Moorschutzstrategie sollen weitergeführt werden.
Wasser & Wasserstoff
Klimawandel, Trockenheit, Wasserknappheit sowie Starkregenereignisse und Hochwasser sind Herausforderungen in der Wasserwirtschaft. Deshalb will die Koalition priorisierte Maßnahmen der nationalen Wasserstrategie gemeinsam mit den Ländern vor dem Hintergrund des Klimawandels weiter entwickeln und zudem die Infrastruktur für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung fördern und sie langfristig preisstabil und bedarfsgerecht gestalten.
Die Koalitionspartner wollen die Wasserstoffwirtschaft durch pragmatische nationale und europäische Regelungen fördern, um den Anteil Erneuerbarer Energien im Inland und durch Importe zu steigern.
Chemiestandort Deutschland
Deutschland soll zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort werden. Gemeinsam mit Ländern, Unternehmen und Gewerkschaften wird eine Chemieagenda 2045 erarbeitet.
Die Koalition steht für eine moderne Stoffpolitik. Ein Totalverbot ganzer chemischer Stoffgruppen wie Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) wird abgelehnt. Stattdessen soll die Forschung und Entwicklung von Alternativstoffen forciert werden. Wo der Einsatz von gleichwertigen Alternativen möglich ist, sollen PFAS zeitnah ersetzt werden.
Der risikobasierte Ansatz im Chemikalienrecht soll Richtschnur sein, die Umwelt-, Gesundheitsschutz und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang bringt, auch bei einer Überarbeitung der Europäischen Chemikalienverordnung (REACH).
Das chemische Recycling wird in die bestehende Abfallhierarchie integriert. Strategien zur Abfallvermeidung, zum Rezyklateinsatz und Shared Economy sollen gestärkt und die Kreislaufwirtschaft und das chemische Recycling von Kunststoffen unterstützt werden.
Nachhaltigkeitsberichtspflicht & Lieferkettengesetz
Die neue Regierung unterstützt die sog. Omnibus-Initiative der EU, die Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen - im Vergleich zu den ursprünglichen Regelungen der CSRD - deutlich reduzieren und zeitlich verschieben wird. Die Bundesregierung will sich dafür einsetzen, unnötige Belastungen durch die europäische Ebene zu verhindern und unterstützt bürokratiearme Lösungen für die Berichterstattung.
Auch die Vorgaben für nachhaltige Investitionen (EU-Taxonomie) sollen, wenn es nach den Koalitionären geht, vereinfacht werden.
Das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wird abgelöst. Die Berichtspflicht nach dem Gesetz wird unmittelbar abgeschafft und entfällt komplett. Ersetzt wird das LkSG durch die Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD). Dieses soll „bürokratiearm und vollzugsfreundlich" geschehen. Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes werden geltende gesetzliche Sorgfaltspflichten, mit Ausnahme von massiven Menschenrechtsverletzungen, nicht sanktioniert.
Ressourcen & Kreislaufwirtschaft
Im Bereich der Ressourcennutzung liegt der Fokus auf der Reduzierung des Primärrohstoffverbrauchs und der Förderung der Kreislaufwirtschaft. Der Koalitionsvertrag betont die Notwendigkeit, heimische und europäische Ressourcen effizienter zu nutzen und die rechtlichen Genehmigungen für die Rohstoffgewinnung zu erleichtern.
Die Kreislaufwirtschaftsstrategie soll „pragmatisch" umgesetzt und eine Digitalisierungsinitiative zur Schließung von Stoffkreisläufen gestartet werden. Hierbei soll die EU-Verpackungsverordnung praktikabel umgesetzt werden. Strategien zur Abfallvermeidung und zum Rezyklateinsatz sollen gestärkt werden.
Projekte zur Gewinnung und Verarbeitung kritischer Rohstoffe in Europa sollen unterstützt und zusätzliche Mittel in den nationalen Rohstofffonds investiert werden.
Emissionshandel & CO2-Bepreisung
Der Emissionshandel soll als zentrales klimapolitisches Instrument weiterentwickelt werden. Die künftige Regierung will sich für die Fortführung des European Green Deal und des Clean Industrial Act einsetzen, um Klimaschutz mit wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden. Die CO2-Bepreisung soll dabei ein wesentlicher Bestandteil des Instrumentenmixes bleiben.
Geplant ist, den Emissionshandel sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene auszuweiten und weitere Länder in ein gemeinsames CO2-Bepreisungssystem einzubinden. Dabei soll eine wirtschaftlich tragfähige Preisentwicklung gewährleistet werden, um sowohl Industrie als auch soziale Akzeptanz nicht zu überfordern. Im bestehenden Emissionshandelssystem (ETS1) sollen künftig auch negative Emissionen und sogenannte Artikel-6-Zertifikate als Minderungsleistungen über das Jahr 2038 hinaus berücksichtigt werden.
Zudem sieht der Koalitionsvertrag die Weiterentwicklung des Emissionshandelssystems vor, um Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz zu vereinen. Hierbei soll die Einführung des sog. ETS 2 (neues eigenständiges System für Gebäude, Straßenverkehr und weitere Sektoren) ab 2027 europaweit gleiche Bedingungen schaffen und vor allem Emissionen aus dem Verkehrs- und Gebäudebereich bepreisen. Die CO2-Einnahmen sollen an Bürger und Unternehmen zurückgegeben werden, allerdings nicht in Form eines Klimagelds, sondern durch eine spürbare Entlastung beim Strompreis und durch Investitionen in die Klimaneutralität, sowie durch Förderungen für Wohnen und Mobilität.
Im Bereich klimaneutrale Mobilität ist geplant, Forschungsaktivitäten und Innovationsförderung für die Dekarbonisierung der bodengebundenen Mobilität sowie der Schiff- und Luftfahrt zu intensivieren.
Fazit
Der Koalitionsvertrag 2025 zeigt eine Neuausrichtung in der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik. Union und SPD setzen auf technologieoffene Steuerung, wirtschaftliche Anreize und administrative Vereinfachung. Der Erfolg dieser Strategie wird sich daran messen lassen, ob die verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben eingehalten und gleichzeitig wirksame Fortschritte beim Klimaschutz erzielt werden.
Apu Gosalia war lange Jahre als Strategie- und Nachhaltigkeitschef in einem Konzern tätig. Heute arbeitet Gosalia als Experte für Sustainability & Strategy in diversen Wirtschaftssektoren und lehrt diese Themen auch als Honorardozent an Universitäten. Er ist zudem Co-Vorsitzender der Sustainable Economy Kommission im Senat der Wirtschaft, sowie Aufsichtsrat und ESG-Klimabeirat im Kuratorium von forum Nachhaltig Wirtschaften.
Unter "Der aktuelle Kommentar" stellen wir die Meinung engagierter Zeitgenossen vor und möchten damit unserer Rolle als forum zur gewaltfreien Begegnung unterschiedlicher Meinungen gerecht werden. Die Kommentare spiegeln deshalb nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider, sondern laden ein zur Diskussion, Meinungsbildung und persönlichem Engagement. Wenn auch Sie einen Kommentar einbringen oder erwidern wollen, schreiben Sie an kommentar@forum-csr.net.
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