Anzeige, Wirtschaft | Branchen & Verbände, 25.07.2025
Wege aus der aktuellen Baukrise: Nicht nur die Regelwerke, auch die Gebäude selbst müssen einfacher werden
Nachbericht zum 3. Süddeutschen Holzbau Kongress (SHK) am 02./03. Juli in Stuttgart-Fellbach
Einen kühlen Kopf zu bewahren angesichts der sich vertiefenden Baukrise im zweiten Jahr, aus der man sich angesichts eines Bergs unerledigter Aufgaben vor allem im Wohnungsbau längst hatte „rausbauen" wollen: vor diesem Hintergrund tagten 335 Teilnehmende auf dem 3. „Süddeutschen Holzbaukongress" (SHK) von FORUM HOLZBAU in Stuttgart-Fellbach. An den bislang heißesten Tagen des Jahres (2. und 3. Juli) waren die Teilnehmenden in der klimatisierten Schwabenlandhalle zwar gut aufgehoben - besser als draußen auf den Baustellen.

Aber trotzdem einen kühlen Kopf zu behalten, das dürfte vielen angesichts der Marktverunsicherung und nachlassender Planbarkeit des Geschäfts schon schwergefallen sein. Und mit den Außentemperaturen rückte die Notwendigkeit der Kühlung von Gebäuden – insbesondere auch die gut gedämmter Holzgebäude – stärker in den Blick, außerdem die Planung von sommerlichem Hitzeschutz auf Quartiersebene.
Ziel des Kongresses
Der Kongress hat das Ziel, private Investoren und öffentliche Auftraggeber dazu zu animieren, die Situation zu nutzen und jetzt Mittel in die Hand zu nehmen - und sich dabei der Kompetenz der Holzbaubetriebe und ihrer Lösungen zu bedienen. Der SHK als Leistungsschau von FORUM HOLZBAU für Baden-Württemberg mit 53 Fachausstellern in der Schwabenlandhalle befasste sich diesmal mit den Oberthemen Holzbau im Schulbau, im Verwaltungs- und im sozialen Wohnungsbau. Neben Projektvorstellungen ging es dann noch um Spezialthemen aus den Bereichen Serielles Bauen, Gebäudetechnik und Kreislaufwirtschaft. Und einige Vorträge befassten sich mit dem Stand auf Baustellen von Objekten für die „IBA 2027" in der Stadtregion Stuttgart.
Lageanalyse
Ehe die Kongresse vom FORUM HOLZBAU vertieft in die Einzelthemen einsteigen, steht am Beginn des Programms immer eine Lageanalyse. Dr. Michael Grömling vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln), zeigte am 2. Juli zum SHK-Auftakt die Probleme des Wirtschaftsstandorts Deutschland auf.
Immerhin, bei den großen Betrieben der Holzbaubranche, die im Objektgeschäft überregional oder auch international tätig sind, ist die Auftragslage noch gut. Aber im Handwerksbereich schmelzen die Auftragsbestände ab, weil viele Investoren, darunter auch die Sanierer, sparen und ihre Projekte aufschieben oder sogar abblasen – und wohl auch, weil große Bauprojekte kleine Handwerksbetriebe überfordern und diese wohl noch nicht die Notwendigkeit sehen, sich zu Arbeitsgemeinschaften zusammenzuschließen. Der Bau kam ja auch ziemlich unbeschadet durch die Corona-Pandemie und mit ordentlichem Polster heraus, aber danach ging es in den Keller. Und zur Baukrise hat sich mittlerweile eine Industriekrise hinzugesellt. Der Dienstleistungssektor habe die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung letztes Jahr gerade noch so weit auffangen können, wie sie im Industriebereich verloren gegangen ist, berichtete Grömling. Dem Kölner IW bereitet aber nicht nur die gegenwärtige – und überraschend starke - Zurückhaltung der Konsumenten in Deutschland Sorge. Sehr bedenklich seien auch massive Investitionsausfälle der Wirtschaft, und das bereits seit 5 bis 6 Jahren. Bei den Empfehlungen für Wege, wie Deutschland wieder in Schwung kommen könnte, hatte Grömling nicht viel Konkretes anzubieten. Die Wirtschaftsforscher stehen in Folge der sprunghaften US-Politik selber unter erheblichem Desorientierungsstress. Deutschland sei aber weniger in den Welthandel eingebunden als zuvor, konstatierte er.
Bei gleichzeitig nachlassendem Wachstum der Weltwirtschaft und rückläufiger Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung müsse das zu denken geben. Die verunsichernde Ankündigungspolitik der USA mit kurzfristiger Rücknahme von Ankündigungen richte global ein Desaster an. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen mit neuer internationaler Blockbildung und militärischen Konflikten sei es illusorisch, dass Deutschlands freihandels- und exportorientierte Wirtschaft auf den gewohnten Wachstumspfad zurückfinde, so Grömling. Vieles müsse sich ändern, nicht nur kurzfristig, sondern auch strukturell. Immerhin scheine der „Tiger Inflation aktuell im Käfig" zu sein, so der Volkswirt. Aber er sei eben weiter ein Tiger und müsse drinbleiben im Käfig, was nicht sicher sei. Immerhin habe Deutschland wieder eine Regierung, die gewillt sei, sich der verfahrenen geopolitischen Situation zu stellen und sich auch bemühe, über das Gewicht der EU die Dinge im eigenen Sinne zu beeinflussen. Und sie versuche, die Standortqualität mit eigenen Mitteln zu verbessern. Die für Investitionen zur Verfügung stehenden Mittel dürften aber nicht versickern, und das Staatsdefizit müsse im Blick bleiben.
Wege aus der Krise
Wenn es um Wege aus der Krise geht, fällt an vielen Stellen die Forderung nach mehr Digitalisierung und KI-Einsatz. Dr. Jörn Plönnings, IT-Professor an der Uni Rostock, dämpfte die Erwartungen, dass KI oder eine andere einzelne Technologie die aktuellen Probleme der Wirtschaft - auch nicht die der Bauwirtschaft - lösen könnte. Die Bauwirtschaft sei ja auch nicht besonders digital, in Sachen Produktivität im Vergleich zum IT-Sektor im Übrigen stark zurückgefallen - mit Ausnahme eines Teils der Holzbauunternehmen, die digital planen und daraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen.
Andererseits, die vielen Daten, die man heute mit leistungsfähigen Prozessoren und über das Internet gewinne, seien kaum noch auszuwerten, was bereits zu Verlust an Information sorge und vielfach auch das Personal überfordere. Bei der Zusammenfassung von Daten sei ein KI-Einsatz sehr sinnvoll. Bis die aber so weit sei, dass sie komplexe Bauaufgaben übernehmen könne, ist noch ein Stück Wegstrecke an Entwicklungsarbeit nötig. Aber die Entwicklung bei KI verlaufe viel schneller als in anderen Technologiefeldern, auch weil sie vom Markt bisher so gut angenommen werde. Wenn man sich einzelne KI-Agenten zusammenbaue und diese verkette, seien bald auch komplexere Aufgaben lösbar – wie z.B. eine schnelle erste Kostenabschätzung für Bauprojekte. Als Ideenlieferanten seien KI-Agenten ebenfalls sinnvoll. Im Ingenieurwesen, wo es auf exaktes Wissen und verlässliche Resultate ankomme, verbiete sich der Einsatz, gerade wenn es um statisch relevante Aufgaben gehe. KI-Modelle würden mitunter „halluzinieren", was man prüfen und berücksichtigen müsse.
Bedeutung der seriellen Fertigung von Gebäuden und Elementen
Auch der seriellen Fertigung von Gebäuden bzw. Elementen wird vielfach hohe Bedeutung zur Druckentlastung im Wohnungs- und Mietmarkt zugeschrieben. Fabian Viehrig als Vertreter des Wohnungsunternehmensverbands GdW bestätigte dies im Prinzip, weil der systemische Produktionsansatz die Möglichkeit der Baukosteneinsparung durch industrielle Fertigung und durch Wiederholungseffekte bietet. GdW-Wohnungen müssten ja auch nicht immer neu geplant werden. Es reiche, bewährte und vor allem flexible Wohnungsgrundrisse zu wählen und nachzubauen. Viehrig appellierte an die Baubranche - und in Fellbach besonders an die Holzbaubranche -, dass es in vielen Regionen mit Wohnungsmangel um den Bau „leistbarer" Wohnungen gehe: mit Mieten bei 12 Euro. Wenn die leistbaren Kosten nicht auf den Tisch kämen, werde eben nicht gebaut. Der GdW hat bei der Ausschreibung von Modellgebäuden mit funktionaler Leistungsbeschreibung (Rahmenverträge) ferner festgestellt, dass Anbieter aus dem Holzbau preislich tendenziell eher über den Anbietern liegen, die mit mineralischen und fossilen Baustoffen arbeiten. Und der Bund habe noch nicht begriffen, dass Wohnen eine Lebensgrundlage sei, was im Prinzip einen ermäßigten Steuersatz auf Bauleistungen erlaube.
Kritik des öffentlichen Vergabegerechts
Viehrig kritisierte in diesem Zusammenhang auch, dass das öffentliche Vergabegerecht in Deutschland die funktionale Ausschreibung gegenüber einer in Gewerke getrennten Ausschreibung benachteilige. Systemisches Bauen und Gewerke-getrenntes Bauen passten aber nicht zusammen. Politik und Wirtschaft sollten das Vergaberecht entschlacken, damit mit Modellgebäuden auch tatsächlich gebaut werde. Der GdW wolle aber keine „Tristesse in Serie", sondern „die langlebigsten und schönsten Gebäude zu leistbaren Kosten". Viehrig: „In Deutschland haben wir durch unsere Juristerei, aber auch den Umgang mit Normen den Blick für das Funktionale verloren". Beim GdW sieht man Möglichkeiten, die hohen Baukosten ein Stück abzusenken – jedoch nicht unendlich. Aber auch die Bauherren müssten sich fragen: Was brauche ich alles, ist das notwendig? Viehrig: „Wir müssen eine Preisdegression hinbekommen – durch Weglassen!"
Philosophie vereinfachten Bauens scheint wenig zu fruchten
Die Philosophie vereinfachten Bauens scheint aber bisher bei den wenigsten Bauherren zu fruchten. Diesen Eindruck hat zumindest LiWood-Geschäftsführer Christian Czerny, aus München, der über Wohnungsneubau durch MFH-Bestandsaufstockungen und die Möglichkeit der Quartiersverdichtung mit Kopfbauten berichtete. Czerny sieht sich als Bauunternehmer des Modulbaus weiterhin eher mit individuellen Bauwünschen der Kundschaft konfrontiert. Ein großer Vorteil bei Mietshaus-Aufstockungen sei, dass die Objekte nicht zwangsläufig „entmietet" werden müssen. Typische dreigeschossige Mietshäuser, die zwar meist tragfähig, aber windlastanfällig sind, statt um nur eines um zwei Geschosse aufstocken, was diese Projekte mit deutlich mehr Wohnungen dann wirtschaftlich attraktiv mache.
Schwieriges Bestandssanierungsgeschäft zu Wohnblöcken aus der Nachkriegszeit
Heiko Seen, Geschäftsführer der Zimmerei-Kooperation „Holzunion", nahm die SHK-Teilnehmenden mit in das schwierige Bestandssanierungsgeschäft zu Wohnblöcken aus der Nachkriegszeit. Er lieferte so etwas wie einen „Leidensbericht" aus der Baupraxis ab, der typische Stellen bei der Altbausanierung aufzeigte, an denen Schwierigkeiten auftreten, die schnell zu unvorhergesehenen Verzögerungen führen – mit der Folge von Bauzeit- und Kostenüberschreitungen. Einerseits muss also gründlich vorausgeplant werden, andererseits sind kurze Bauzeiten nur mit schlanker Planungsphase möglich. Eine andere Herausforderung für die ausführenden Firmen ist die Sanierung der Gebäudehülle im bewohnten Zustand, insbesondere im Fassadenbereich.
Ein „Höhepunkt" beim SHK: Präsentation des Verwaltungsneubaus „Karla" in Karlsruhe
Einen „Höhepunkt" beim SHK stellte zweifellos die Präsentation des Verwaltungsneubaus „Karla" in Karlsruhe dar. Hier entsteht Deutschlands aktuell höchster Holzbau - mit später 90 m Endhöhe. Und eine Investorin aus Hamburg-Norderstedt, die Firma Leukos, präsentierte Pläne für ein Umbau- und Aufstockungsprojekt in Lübeck. Leukos will in den kommenden Jahren eine nicht mehr genutzte Hotelimmobilie in Innenstadtlage zu Mietwohnraum umwandeln und mit Holzmodulbau die Zahl der Wohnungen noch vergrößern.
Aspekte der Kreislauffähigkeit von Baustoffen und Gebäuden
Im abschließenden Block am Nachmittag des 3. Juli ging es um Aspekte der Kreislauffähigkeit von Baustoffen und Gebäuden. Dr. Philipp Dietsch stellte den neuen Praxis-Leitfaden zur Wiederverwendung tragender Stahl- und Holzbauteile vor, den KIT und TUM im Auftrag des Bauministeriums in Stuttgart (MLW B-W) erarbeitet haben.
Rückbaubares Holz-Beton-Verbunddeckensystem
Am Vormittag hatte Henning Ernst vom Tragwerksplaner SWG Engineering ein rückbaubares Holz-Beton-Verbunddeckensystem vorgestellt, das beim Neubau der GEMA-Zentrale in Berlin eingesetzt wurde. Separat hergestellte Holz- und Stahlbetonelemente wurden noch im Beton-Fertigteilwerk von Gustav Epple zu HBV-Deckenelementen verschraubt und als Fertigelemente auf die Baustelle geliefert. Sie wurden dort in sehr kurzer Montagezeit und ohne weitere Verbindungsmittel oder Verguss eingesetzt. Sowohl die HBV-Elemente, als auch ihre Holz- und Stahlbetonteile können (letztere dank lösbarer Schraubverbindung) später mal einer Zweitverwendung zugeführt werden.
SHK-Tagungsband
Um den Rahmen dieses Berichts nicht zu sprengen, sei an dieser Stelle auf den SHK-Tagungsband hingewiesen. Die digitalen Tagungsunterlagen stehen auf der Website forum-holzwissen zum Download zur Verfügung (nach Registrierung).
Fotos zur Veranstaltung finden Sie unter der Rubrik Rückblick.
Der nächste (dann 4.) „Süddeutsche Holzbau Kongress" findet am 1. und 2. Juli 2026 statt, wieder in der Schwabenlandhalle in Stuttgart-Fellbach.
Über das FORUM HOLZBAU
FORUM HOLZBAU bzw. FORUM HOLZ ist eine gemeinsame Plattform der Aalto University School of Science and Technology Helsinki (FI), der Berner Fachhochschule (CH), der Technische Hochschule Rosenheim (DE), der Technischen Universität München (DE), der Technischen Universität Wien (AT) und der University of Northern British Columbia (CA). In Italien kooperiert man eng mit der Università di Trento:
Ziel und Aufgabe des Vereins ist die Förderung des Einsatzes von Holz im Bauwesen, überschüssige Mittel werden im Sinne der Holzwirtschaft für die Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten von Studierenden eingesetzt:
Kontakt: FORUM HOLZBAU, Simone Burri | info@forum-holzbau.com | www.forum-holzbau.com
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