Zukunftsfähig essen

Der Ausweg aus der Ernährungskrise

Die Art der westlichen Lebensmittelproduktion sichert das Leben von Milliarden Menschen, bedroht aber gleichzeitig unsere Umwelt – und damit unsere Zukunft. Um die Ernährungssicherheit langfristig zu gewährleisten, braucht es tiefgreifende Veränderungen in der Landwirtschaft. „Mission Wertvoll", eine Initiative von Maja Göpel, zeigt, dass es dafür bereits vielversprechende Ansätze gibt.

Ein vielversprechendes Projekt zur nachhaltigen Nahrungsmittelerzeugung: der Cubes Circle der Humboldt- Universität Berlin. Hier werden Fische, Gemüse und Insekten in einem ressourcenschonenden Kreislaufsystem produziert. © Humboldt-Universität zu BerlinMenschen müssen essen, meist dreimal täglich. In Deutschland und im globalen Norden profitieren wir seit Jahrzehnten von einer stabilen Lebensmittelversorgung, optimiert durch Dünger, Pestizide und industrielle Landwirtschaft. Doch dieses System hat gravierende Folgen: Die Böden werden ausgelaugt, Wälder gerodet, Monokulturen wie Soja lassen Arten sterben. Das Klima heizt sich weiter auf.

© Humboldt-Universität zu BerlinSchon heute führen extreme Wetterereignisse in Teilen der Welt zu massiven Ernteausfällen. Laut Martin Frick vom Welternährungsprogramm könnte das bald auch wohlhabende Länder betreffen. Denn die Böden verlieren an Fruchtbarkeit. Gülle und Dünger belasten das Grundwasser und durch den massiven Einsatz schwerer Maschinen verdichtet sich der Boden. Die Folge: geringere Erträge und langfristig sinkende Ernährungssicherheit.
 
„Trotz ihres hohen Ressourcenverbrauchs liefern tierische Produkte nur 18 Prozent der Kalorien und 37 Prozent der konsumierten Proteine.”

Kipppunkt erreicht: das Ernährungssystem als Klimatreiber
Die Global Environment Facility warnt, dass bis 2050 bis zu 95 Prozent der weltweiten Böden degradiert sein könnten. Schon jetzt sind 40 Prozent betroffen – jedes Jahr kommen rund 100 Millionen Hektar hinzu. Das bedeutet: weniger Ertrag und mehr Hunger. Die UN-Agenda 2030 hat sich mit ihren Sustainable Development Goals (SDG) das Ziel gesetzt, bis 2030 den Hunger zu beenden und resiliente Anbau­methoden zu etablieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das System grundlegend umgebaut werden.
 
Laut dem „State of the Climate Report" 2023 sind 25 der 35 wichtigsten „Vitalzeichen" der Erde in einem alarmierenden Zustand. Ein wesentlicher Treiber: das globale Ernährungssystem. Es verursacht etwa 30 Prozent der weltweiten CO?-Emissionen, setzt enorme Mengen Methan frei und verursacht jährlich Umweltschäden im Wert von 15 Billionen US-Dollar – mehr, als es zur globalen Wirtschaft beiträgt.
 
In Deutschland macht die Landwirtschaft nur 0,7 Prozent der Bruttowertschöpfung aus (etwa 21 Milliarden Euro), verursacht aber externe Kosten von mindestens 90 Milliarden Euro durch Treibhausgase, sinkende Bodenqualität und
den Verlust von Biodiversität. Ohne drastische Reformen steuern wir nicht nur auf eine 2,7 Grad heißere Welt zu, sondern auch auf stetig zunehmende Armut, Hunger und wachsende Gesundheitskosten.

Zukunftsweisende Lösungen für nachhaltige Landwirtschaft
Umwelteffekte einzelner Nahrungsmittelgruppen. Die Portionsgrößen sind: Nüsse (28 g); Milchprodukte (200 g); Gemüse (100 g); Fisch (100 g); unverarbeitetes rotes Fleisch (100 g). Grafik: eskp.de, Lizenz: CC BY 4.0
Um das Ruder herumzureißen, sind verschiedene Ansätze notwendig. Die Bundesregierung hat eine Ernährungsstrategie entwickelt, die nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesundheit der Menschen dienen soll. Bis 2045 soll die Nahrungsmittelversorgung klimaneutral sein.
 
Ein vielversprechendes Projekt ist Cubes Circle der Humboldt-Universität Berlin. Hier werden Fische, Gemüse und Insekten in einem ressourcenschonenden Kreislaufsystem produziert: Fischwasser düngt die Pflanzen, Pflanzenreste ernähren Insekten, aus Insekten wird Fischfutter. Ziel ist es, Emissionen zu senken und trotzdem hohe Erträge zu erzielen.
 
Auch Agri-Photovoltaik bietet Potenzial: Solaranlagen auf Feldern erzeugen Energie, während darunter Getreide, Obst oder Gemüse gedeihen. Eine Umfrage der Universität Göttingen zeigt, dass viele Landwirte dieser doppelten Nutzung offen gegenüberstehen. Erste Pilotanlagen werden bereits im Rahmen des Forschungsprogramms FONA getestet.
 
Wichtige Schritte: weniger tierische Produkte, weniger Verschwendung
Ein entscheidender Faktor ist die Reduktion tierischer Lebensmittel. Die EAT-Lancet-Kommission empfiehlt die Planetary Health Diet, bei der der Konsum von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten verdoppelt und der Verzehr von Fleisch und Zucker halbiert wird. In Deutschland könnte ein verringerter Fleischkonsum und die Reduktion von Lebensmittelverschwendung die externen Kosten der Landwirtschaft um bis zu 40 Prozent senken.
 
Frankreich geht mit gutem Beispiel voran: Dort ist es Supermärkten seit 2016 verboten, unverkaufte Lebensmittel zu entsorgen. Stattdessen werden diese an Initiativen weitergegeben, die sie weiterverarbeiten oder an Bedürftige verteilen.
 
Um die Ernährungssicherheit zu verbessern, fordern Forschende weitere Maßnahmen: Einschränkung landwirtschaftlicher Aktivitäten in Schutzgebieten, Schutz aquatischer Ökosysteme, Reduktion des Wasserverbrauchs und weniger Düngemitteleinsatz. Zentral ist dabei auch eine drastische Senkung der Produktion tierischer Lebensmittel, denn diese verbrauchen enorme Flächen, Wasser und erzeugen hohe Emissionen.
 
Grafik: eskp.de, Lizenz: CC BY 4.0
Grafik: eskp.de, Lizenz: CC BY 4.0

Trotz ihres hohen Ressourcenverbrauchs liefern tierische Produkte nur 18 Prozent der Kalorien und 37 Prozent der konsumierten Proteine. Eine Kalorie Rindfleisch erfordert dabei sechs bis hin zu 21 pflanzliche Kalorien – eine ineffiziente Nutzung unserer Ressourcen.
 
Die Wissenschaft ist sich einig: Eine pflanzenbetonte Ernährung schont Umwelt und Klima. Politik und Wirtschaft müssen Anreize setzen, damit nachhaltige Entscheidungen einfacher und günstiger werden. Denn nur wenn wir unser Ernährungssystem umstellen, können wir langfristig sicherstellen, dass wir auch in Zukunft morgens, mittags und abends ein gutes Essen auf dem Tisch haben.
 
Mission Wertvoll ist ein von der Transformationsforscherin Maja Göpel gegründetes Science-Society-Netzwerk. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, die Chancen und Möglichkeiten der sozial-ökologischen Transformation aufzuzeigen. Mithilfe wissenschaftlicher Fakten, guter Geschichten und neuer Allianzen eröffnet Mission Wertvoll neue Wege zur Zukunftsgestaltung. Hier zur Anmeldung zum Debattenkompass von Mission Wertvoll.

Dieser Artikel ist in forum 03/2025 - Der Wert der Böden erschienen.



     
        
Cover des aktuellen Hefts

forum future economy

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.

  • Mit diesem Schritt markiert der Verlag bewusst eine Zeitenwende – hin zu einer Wirtschaft, die Zukunft schafft, statt nur Probleme zu verwalten.
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
09
DEZ
2025
Club of Rome Salon: Building the City of the Future (in English)
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Alle Veranstaltungen...
Anzeige

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Politik

Die Wahrheit in der Politik
Christoph Quarch betrachtet die aktuellen Realitätsverweigerungen mit Sorge
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

Seit 15 Jahren: faire und umweltbewusste Beschaffung mit dem Kompass Nachhaltigkeit

The GREEN MONARCH Awards 2025 Verleihung in Berlin

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy

Wie Unternehmen mit regionaler Aufforstung ihre ESG-Ziele stärken

forum future economy

Lkw-Service unterwegs

future economy: Regeneration als neue Fortschrittserzählung

Für Hobby- und professionellen Gartenbau: Label kennzeichnet nachhaltige Substratherstellung

  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Engagement Global gGmbH
  • NOW Partners Foundation
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • TÜV SÜD Akademie
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • toom Baumarkt GmbH
  • Global Nature Fund (GNF)
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • circulee GmbH