Die Matratze als Blaupause

Wie die Kreislaufwirtschaft deutsche Lieferketten verändert

pexels franki frank
Der Bundesantrag der hessischen Landesregierung mit dem Titel „Ein zweites Leben für Matratzen – Recycling ermöglichen" ließ kürzlich im Deutschen Bundestag in zweifacher Hinsicht aufhorchen. Der Antrag, der eine verbesserte Kreislaufwirtschaft für Matratzen fordert, erhielt die Zustimmung des Bundesrates. Bemerkenswert war dabei nicht nur die Tatsache, dass ein so alltägliches Produkt wie die Matratze politische Aufmerksamkeit erlangte, sondern auch das dahinterstehende Signal: Das ernsthafte Ansinnen verdeutlicht, womit Hersteller in Deutschland künftig verstärkt rechnen müssen. Laut dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung werden hierzulande jährlich rund acht Millionen Matratzen entsorgt, wobei nur ein geringer Teil der Schaumstoffe und Textilien wiederverwertet wird. Der aktuelle Beschluss fordert die Bundesregierung auf, den rechtlichen Rahmen zu schaffen, um das Recycling von Matratzen zu fördern und eine echte Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen.

Dies kann durchaus auch als Signal an Hersteller anderer Produkte gewertet werden. Was Unternehmen beachten sollten und wie sich die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft in die Lieferketten integrieren lassen, kommentiert Steve Levy, VP Enterprise Architecture bei Infor:

„Wir beobachten eine echte Verlagerung von den traditionellen, linearen ‚Nehmen-Herstellen-Entsorgen‘-Modellen hin zu mehr zirkulären Ansätzen. Für die Lieferketten bedeutet dies, Produkte so zu konzipieren, dass sie ein zweites oder sogar drittes Leben haben – sei es durch Aufarbeitung, Weiterverkauf oder Wiederverwendung von Komponenten. Fortschrittliche Produktionsunternehmen setzen bereits auf modulares Design, Rückführungslogistik und umgekehrte Lieferketten, um gebrauchte Güter systematisch in den Kreislauf zurückzubringen. Entscheidend für den Erfolg sind jedoch die notwendige Transparenz und Rückverfolgbarkeit. Deshalb werden Technologien wie digitale Zwillinge, KI-gestütztes Bestandsmanagement und IoT-Sensoren unverzichtbar, um Materialien effizienter zurückzugewinnen, wiederzuverwenden und zu reintegrieren.

Richtig umgesetzt gewinnen dabei alle: Hersteller senken ihre Materialkosten und erschließen durch die Wiederaufbereitung neue Einnahmequellen. Einzelhändler stärken Markentreue und Kundenbindung mit Reparatur- und Tauschservices. Logistikdienstleister verwalten Ruckflüsse zusätzlich zur Auslieferung. Und für die Verbraucher geht es um bessere Preise, weniger Abfall und langlebigere Produkte. Darüber hinaus machen Kreislaufmodelle Lieferketten auch widerstandsfähiger gegen Krisen wie geopolitische Spannungen, Extremwetter oder Rohstoffmangel.

Verpackungen sind dabei der einfachste Hebel für sichtbare Nachhaltigkeit. Immer mehr Unternehmen überdenken ihre Materialauswahl, stellen auf Monomaterialien oder kompostierbare Materialien um und investieren in Mehrwegsysteme. Entscheidend ist jedoch der Zugang zu Daten: Unternehmen müssen nicht nur wissen, welche Verpackungen sie verwenden, sondern auch wo diese landen. Intelligente Etikettierung und Track-and-Trace-Technologien wie die Radiofrequenz-Identifikation (RFID) oder QR-verknüpfte digitale Pässe helfen den Unternehmen, Rücklaufquoten, Entsorgungswege und sogar das Verbraucherverhalten besser zu verstehen und gezielt abzubilden.

Die Kombination aus künstlicher Intelligenz (KI), Process Mining und dem Internet der Dinge (IoT) ermöglicht die Simulation geschlossener Kreisläufe im großen Maßstab. Unternehmen können testen, an welchen Stellen Abfall reduziert und Materialien wiederverwendet werden können – und welche Maßnahmen den größten ökologischen und finanziellen Nutzen bringen: IoT liefert Echtzeitdaten zur Nutzung und zum Zustand von Produkten für End-of-Life-Entscheidungen. KI prognostiziert Rückläufer, identifiziert Materialengpässe und optimiert Rückführungsrouten. Process Mining zeigt, wo Verzögerungen, Verschwendung und Ineffizienzen auftreten.

Die Strategie muss jedoch auf die Realität abgestimmt werden. Die besten Ergebnisse werden erzielt, wenn Nachhaltigkeit und Effizienz nicht als Gegensätze, sondern als Teil desselben Ansatzes betrachtet werden. Unternehmen, die die Kreislaufwirtschaft als Leistungsinnovation und nicht nur als Ökoprojekt betrachten, realisieren routinemäßig Kosteneinsparungen zwischen 5% und 15 % und erreichen gleichzeitig ihre Klimaziele.

Der Schlüssel dazu ist die Integration der gesamten Lebenszyklusökonomie – einschließlich des Werts rückgewonnener Materialien und vermiedener CO2-Kosten – sowie digitaler Transparenz und anreizbasierter Zusammenarbeit aller Beteiligten. So können Effizienz, Kosten und Nachhaltigkeit sich gegenseitig stärken, statt in Konkurrenz zueinander zu stehen."

Zum Autor: Steve Levy ist Vice President of Enterprise Architecture bei Infor und verantwortet die strategische Beratung sowie digitale Transformation internationaler Großhändler und Distributoren. Er ist Experte für die Entwicklung digitaler Unternehmensökosysteme und unterstützt Kunden mit seinem Team bei der Einführung innovativer Technologielösungen für komplexe Transformationsprozesse. Zuvor sammelte er umfassende Branchenerfahrung als Executive Vice President in der Distributionsbranche. www.infor.com/de-de


     
        
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