Wirtschaft | CSR & Strategie, 01.03.2025
Nachhaltig Wirtschaften braucht Kultur
Co-Evolution als roter Faden – Wertschätzung als Schubkraft
1987 mahnten die Autor*innen des Brundtland Berichts im Auftrag der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen erstmals eine nachhaltige Entwicklung an. Seither wurde viel erreicht, doch es fehlt noch immer an der Veränderung der Unternehmens- und Gesellschaftskultur. Dafür gibt es jetzt Werkzeuge.
Heute richtet sich eine Vielzahl an Unternehmen und Organisationen am Leitbild der Nachhaltigkeit aus. Ehrgeizige Ziele verfolgen zum Beispiel der Bundesverband nachhaltige Wirtschaft und der Bundesdeutsche Arbeitskreis umweltbewusstes Management (BAUM e.V.). In zahlreichen politischen Diskursen ringen sie um angemessene Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung.Publikationen wie das forum Nachhaltig Wirtschaften, das 2007 zum ersten Mal erschien, oder das auf Nachhaltigkeit spezialisierte Verlagsprogramm des Oekom-Verlages inspirieren Leser*innen auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung. Die Fülle an Literatur zeigt: Nachhaltigkeit ist Teil der Wissenskultur geworden. Die Co-Evolution von Wissen und wirtschaftlicher Praxis hat bereits zu signifikanten Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit geführt.
Die Transformation ist in vollem Gang
Der exemplarische Blick auf die Land- und Lebensmittelwirtschaft zeigt: Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft haben die Pioniernische der Bio-Fachmärkte verlassen und finden Kundenanklang in den Regalen der Supermärkte und Discounter. Ähnliches gilt im Bereich des ökologischen Bauens oder der regenerativen Energieerzeugung. Zur politischen Rahmensetzung des Wandels hat die Europäische Kommission den European Green Deal beschlossen, hinterlegt mit einer Reihe an Maßnahmen. Jüngstes Beispiel ist die Verabschiedung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) durch die EU-Mitgliedstaaten am 15. März 2024. Vorangegangen ist dem ein zäher Verhandlungsprozess mit der Folge eines abgespeckten Lieferkettengesetzes, und auch am Green Deal wird derzeit an vielerlei Verwässerung lobbyiert. Dies zeigt: Die nachhaltige Entwicklung ist gekennzeichnet durch Rück-, Seit- und Vorwärtsbewegungen.
Erfolge würdigen und Ziele erreichen
Das Erreichte wertzuschätzen, ist zentral für eine Kultur der Nachhaltigkeit. Aus Würdigung wächst Schubkraft für die Unternehmer*innen und CEOs, die Nachhaltigkeit zur Chefsache machen. Sie stärkt Nachhaltigkeitsmanager*innen dabei, beharrlich die erforderlichen Veränderungen zu konzipieren und weiterhin bei den Entscheider*innen in Unternehmen und Politik anzumahnen. Auch für die Belegschaften sind die bereits erzielten Fortschritte ein Ansporn, aktiv an der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens mitzuarbeiten.
Aus echter und ehrlicher Wertschätzung wächst somit die Kraft, die jetzt gebraucht wird, um den steilen Anstieg anzutreten, der ansteht, um in nur sechs weiteren Jahren die Nachhaltigkeitsziele der vereinten Nationen (SDG) zu erreichen oder ihnen wenigstens näher zu kommen. Schließlich steigen derzeit – ganz im Widerspruch zu den Teilerfolgen – die globalen CO2-Emissionen ebenso wie der Ressourcenverbrauch weiter an, der Biodiversitätsverlust geht ungebremst weiter, Ungerechtigkeit und gesellschaftliche Spaltungen wachsen. Wenn die Menschheit keine größeren Anstrengungen macht, ist alles Lebendige bedroht…
Es stellt sich die Frage, wie das Kräftemessen der Beharrungs- mit den Veränderungskräften ausgeht: Die Aktionen der „Letzten Generation" und die jüngsten Bauerndemonstrationen in ganz Europa sind Beispiele für Verzweiflung und daraus resultierende Empörung.
Zielkonflikte zu benennen und mit systemischen Werkzeugen zu bearbeiten, führt zur Identifikation nächster, konsequenter Schritte im Nachhaltigkeitsprozess.
Kultureller Wandel bedeutet Haltungsänderung
Dass einerseits in den letzten vier Jahrzehnten einiges erreicht wurde, andererseits aber die Ziele der Sustainable Development Goals (SDG) in weiter Ferne zu liegen scheinen, fordert heraus: Gilt es einen neuen Wertekanon zu entwickeln, dessen vorherrschende Tonlage nicht Wachstum und Konkurrenz ist? Sind derzeit bestens entwickelte Fähigkeiten wie zum Beispiel Effizienzsteigerung und Eigennutzmaximierung gar kontraproduktiv im Hinblick auf die zu bewältigenden Herausforderungen? Und stehen nicht sogar einzelne Ziele der SDG zueinander im Widerspruch? Zwei in die SDG bereits „eingebaute" und zu trainierende Fähigkeiten sind deshalb Komplexitätsverständnis und Partnerschaft.
Ein hervorragendes Tool, um die Komplexität und wechselseitige Bedingtheiten der SDG in der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie zu erkennen und zu nutzen, ist das prämierte Planspiel Sustain2030. Teilnehmer*innen werden dabei spielerisch für die Breite des Themas sensibilisiert und setzen sich gemeinsam mit den Zusammenhängen der 17 SDG auseinander. Dies hilft beim Umgang mit der Komplexität von Nachhaltigkeit und zeigt Lösungsstrategien, wie die SDG im individuellen Kontext einer Kommune, eines Unternehmens oder einer Organisation angewendet werden können. Damit entsteht ein Bewusstseinsraum für Co-Evolution, bei der Partner*innen kooperativ in der Anerkennung gegenseitiger Abhängigkeit an der Zielerreichung arbeiten und dabei voneinander profitieren.
Co-Evolution und Persönlichkeitsentwicklung…
… ist relevant in Teams, team- und abteilungsübergreifend in Organisationen, in der nachhaltigen Transformation ganzer Branchen und letztlich auch für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Die Arbeit mit den Sustainable Development Goals (SDG) wird verstärkt, wenn sie flankiert wird vom framework der Inner Development Goals (IDG). Letztere sind keine Ziele im klassischen Sinn, sondern ein Set an 23 Fähigkeiten, die von Organisationspsycholog*innen, Ökonom*innen, Unternehmensberater*innen und kulturell Kreativen aus unterschiedlichen Teilen der Welt erforscht und 2020 veröffentlicht wurden.
Dahinter liegt die Erkenntnis, dass es eine starke Persönlichkeitsentwicklung, also Inner Development Goals braucht, um wirklich die „Transformation skills for Sustainable Development" mitzubringen. Auf einige der Fähigkeiten, wie z.B. Wertschätzung, Ausdauer, Bewusstsein für Komplexität, Co-Kreativität und Achtsamkeit, wurde in diesem Text bereits eingegangen. Da die IDG aus unserer Sicht von unschätzbarem Wert für eine wirklich nachhaltige Entwicklung sind, setzen wir uns in unserer Beratungsarbeit für die Kombination aus SDG und IDG ein. Um die forum-Leser mit auf die Reise zu den Inner Development Goals zu nehmen, stellen wir die IDG und ihre Messbarkeit im nächsten forum Nachhaltig Wirtschaften in den Fokus.
Andrea Klepsch und Prof. Franz-Theo Gottwald gestalten, inspirieren und moderieren seit vielen Jahren co-kreativ tragfähige, lebensdienliche Kulturen in Wirtschaft und Gesellschaft. Andrea ist eine der Pionierinnen der Nachhaltigkeitskommunikation. Franz-Theo ist international bekannt für sein vielfältiges Engagement im Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz. Er wurde dafür 2024 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Beide sind aktiv im World Ethic Forum. Sie leben zusammen südlich von München und sind dankbar für die Möglichkeiten, sich vielfältig im Dorf einbringen zu können, als Melker, Käserin, Erntehelfer, als Inspiratoren und Moderatoren.
Dieser Artikel ist in forum 02/2025 - Save the Ocean erschienen.
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