Wirtschaft | CSR & Strategie, 01.03.2025
Die Wirtschaft der Zukunft
Regeneratives Wirtschaften in der Praxis – vom Was zum Wie
Die konventionelle Wirtschaft stößt an ihre Grenzen – sozial, ökologisch und wirtschaftlich. Doch wie sieht der Weg in eine nachhaltige, ja regenerative Zukunft aus? forum zeigt, warum „Net Zero" nicht ausreicht und wie regenerative Ansätze über die bloße Schadensvermeidung hinausgehen, um aktiv eine positive Wirkung auf Mensch und Erde zu erzielen.

Eine Wirtschaft, die sich um eine positive Wirkung auf Gesellschaft und Planeten bemüht, ist nicht altruistisch und utopisch, sondern schlichtweg überlebensnotwendig – sowohl für die Wirtschaft selbst, als auch für den Menschen. „Net-positive" oder „regenerativ" sind Schlagworte, mit denen eine solche Wirtschaft beschrieben wird. Es geht dabei um die Erkenntnis, dass Menschen Teil des großen Stoffwechsels namens „Erde" sind und dass sie deswegen gut daran tun, ihr gesellschaftliches und wirtschaftliches Handeln so zu gestalten, dass sie sich als Teil dieses Systems verstehen und den grundsätzlichen Designprinzipien des Lebens folgen.
Je klarer diese Erkenntnis zu Tage tritt, desto deutlicher wird, dass das klassische Nachhaltigkeitsverständnis von „net-zero" oder „Do no harm" zu kurz greift. Zu viel Schaden wurde bereits angerichtet; zu stark sind ökologische und soziale Systeme bereits aus der Balance geraten, als dass eine reine Schadensvermeidung ausreichen würde.
Das Ziel ist klar, aber wie kommen wir dahin?
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Nachhaltig oder regenerativ?
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Das Zielbild einer regenerativen Wirtschaft wird immer öfter als wünschenswerter Zukunftshorizont beschrieben – doch wie sieht der Entwicklungsweg dorthin aus? Eine der wesentlichen Herausforderungen besteht darin, dass es beim regenerativen Wirtschaften nicht nur um eine Weiterentwicklung der eigenen Organisation oder des eigenen Geschäftsmodells geht, sondern dass gleichzeitig immer auch das Wirtschaftssystem als solches mitentwickelt werden muss. In einer Metapher gesprochen: Wir sind aufgefordert, die Spielregeln zu ändern, während wir das Spiel spielen.
Natürlich wäre es am einfachsten, wenn sich die globale Politik auf neue Spielregeln verständigen würde und damit ein neues, verbindliches „Level Playing Field" für alle Wirtschaftsakteur*innen schaffen würde. Ein Spielfeld, das die sozialen und ökologischen Grenzen wahrt. Gesellschaftliche Entwicklung funktioniert jedoch nicht linear und eine globale Einigung auf einheitliche Spielregeln ist angesichts der aktuellen Weltlage, gelinde gesagt, eine Herausforderung. Deshalb reicht es nicht aus, auf eine Politik zu setzen, die mit ihren zähen Einigungsprozessen die jetzt notwendigen Lösungen im Alleingang produzieren soll. Vielmehr sind alle Akteur*innen im Wirtschaftssystem aufgefordert, ihren Einfluss zu nutzen, um systemische Innovationen ins Leben zu bringen. Aber wie kann das gelingen?

Veränderung von innen heraus
Ein System zu verändern, dem man selbst angehört, bringt unweigerlich Dilemma-Situationen und Zielkonflikte mit sich. Und genau darin liegt der Schlüssel für die Weiterentwicklung: Die entstehenden Zielkonflikte sichtbar zu machen und die überlebenswichtigen Fragen laut und deutlich zu stellen, sind die ersten wichtigen Schritte zur Veränderung. Die Antworten werden im Prozess entstehen.
Ein neuer Ansatz, der „Stellar Approach", bietet einen Baukasten, der einen möglichen Entwicklungsweg für Organisationen vom extraktiven, ausbeutenden zum regenerativen Wirtschaften unterstützt. Der Ansatz ist so gestaltet, dass er Schritt für Schritt regenerative Kompetenzen in der gesamten Organisation erhöht. Im Entwicklungsprozess startet jedes Team mit dem eigenen Einflussbereich, wodurch schnell eine Erfahrung von (Selbst-)Wirksamkeit erlebt werden kann. Orientierung geben dabei vier Prinzipien, sieben Praktiken und drei Tugenden:
Die vier Prinzipien „embedded", „diverse", „circular" und „long-term" sind Leitsterne der regenerativen Entwicklungsreise und zeigen an, ob man in der richtigen Richtung unterwegs ist. Die sieben Praktiken sind die Ausrüstung für die Reise: Sie konkretisieren die regenerativen Prinzipien auf Handlungsebene (z.B. Prozesse als Kreisläufe gestalten, regenerative Entscheidungen treffen, neue Erfolgsindikatoren definieren). Die drei Tugenden (Mut, Gestaltungsfreude, Ausdauer) sind eine Art „inneres Fitnesstraining". Da die regenerative Entwicklung kein Sprint, sondern ein Marathon ist, muss auch darauf geachtet werden, dass man über genug eigene Energiereserven verfügt und zwischendrin Kraft tankt.
In der regenerativen Transformation sind diese Teamreisen häufig eingebettet in weitere Arbeitsstränge wie zum Beispiel Strategisches Alignment, Innovation von Geschäftsmodellen oder natürlich auch das Setzen von Zielen, die Erfolgsmessung und das Reporting. Durch ein iteratives Vorgehen und das Sichtbarmachen der oben genannten Zielkonflikte wird sichergestellt, dass man im Kontakt mit dem „Zukunftshorizont" einer regenerativen Wirtschaft bleibt, ohne den Kontakt zu den Realitäten und Anforderungen des heutigen Wirtschaftssystems abreißen zu lassen.

Eine regenerative Ausrichtung lohnt sich bereits heute
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Weiterführende Literatur
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Welchen Anreiz haben nun Unternehmen, diese Anstrengungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus zu leisten? Eine ethische Antwort auf diese Frage ist mit Blick auf die nächsten Generationen klar. Doch auch ökonomisch und aus Compliance-Gesichtspunkten werden die Antworten immer eindeutiger, sobald die zeitliche Dimension in die Beurteilung miteinbezogen wird. Investitionen, die heute nicht für die nachhaltig-regenerative Transformation aufgebracht werden, werden in wenigen Jahren, multipliziert mit einem Faktor X, als zusätzliche Kosten auf die Unternehmen zurückkommen. Es ist daher Teil der unternehmerischen Sorgfaltspflicht, den nachhaltig-regenerativen Umbau ihrer Unternehmen voranzutreiben, um die Überlebensfähigkeit und Resilienz ihrer Geschäftsmodelle sicherzustellen.
Anders gesagt: Unternehmen, die sich jetzt auf den Weg zu einer regenerativen Wirtschaft machen, werden einen Überlebensvorteil haben, gerade weil sie ihre eigene Zukunft mit der Zukunft der Erde in Einklang bringen.
Beispiele für regenerativ wirtschaftende Unternehmen
Streng genommen kann ein einzelnes Unternehmen eigentlich nicht regenerativ wirtschaften. Regenerativität schließt die Beziehungen eines Unternehmens zu menschlichen sowie nicht-menschlichen Stakeholdern mit ein. Echte Regenerativität entsteht daher erst, wenn das gesamte Ökosystem, in dem Unternehmen sich bewegen, mitgedacht wird. Solche „vollständig" regenerativ wirtschaftenden Unternehmen sind in der Praxis daher bislang noch kaum zu finden. Dennoch können einige Beispiele angeführt werden, in denen sich regenerative Prinzipien und Praktiken wiederfinden:
Der Mobilfunkanbieter WEtell hat sich Klimaschutz, Datenschutz sowie Fairness und Transparenz auf die Fahnen geschrieben. Im Bereich Klimaschutz wirtschaftet das Unternehmen durch Emissionsvermeidung und den Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen klimapositiv – und das in einer Branche, die jetzt schon so viel CO2 verbraucht, wie der innerdeutsche Flugverkehr.
Windcloud betreibt seine Rechenzentren mit 100 Prozent erneuerbarer Energie. Die Abwärme der Rechenzentren wird darüber hinaus für den Betrieb einer Algenfarm genutzt. Die Algen dienen als Rohstoff für die Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie und absorbieren während des Wachstums zusätzlich Kohlenstoffdioxid. Das steigert nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells von Windcloud.
Concular sind Experten für zirkuläres Bauen. Das Unternehmen hat eine effiziente End-to-end-Lösung etabliert, die projektbegleitend, digital und kollaborativ Materialkreisläufe im Gebäudesektor schließt. Concular erfasst Materialien in Bestands- und Neubauten digital, um sie für künftige Generationen von Bauherr*innen verfügbar zu machen.
Die Carl-Zeiss-Stiftung sichert als Alleinaktionärin der Carl Zeiss AG und SCHOTT AG deren Erhalt. Die Stiftung nutzt die Dividenden der beiden Stiftungsunternehmen für die Förderung von Wissenschaft in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Gefördert werden Projekte und Personen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen, also in den Bundesländern, in denen die Hauptunternehmenssitze liegen.
Der Hersteller von Minimal- bzw. Barfußschuhen Wildling versteht und lebt das regenerative Prinzip „Diversität" auf unterschiedlichen Ebenen: Es ist fester Bestandteil der Unternehmenskultur, es spielt bei den unisex-Schuhen eine wichtige Rolle und schließlich fördert das Unternehmen Artenvielfalt durch Verwendung von Wolle bedrohter Landschafrassen, die auf Weiden grasen dürfen.
Dieser Artikel ist in forum 02/2025 - Save the Ocean erschienen.
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