Dürfen Athleten aus Russland und Weißrundland an den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris teilnehmen?

Christoph Quarch erinnert daran, dass zu den Olympischen Spielen der Antike auch ein olympischer Frieden gehörte.

Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees ist dafür. Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist dagegen. Mit ihrer ablehnenden Haltung steht sie nicht allein. Ein virtueller Sportgipfel mit Regierungsvertretern aus mehr als 30 Nationen einigte sich Anfang dieser Woche darauf, gemeinsam gegen die jüngsten Pläne des IOC vorzugehen. Bach hatte vorgeschlagen, russischen und weißrussischen Sportlern die Teilnahme an den Spielen zu ermöglichen, sofern sie nicht als nationale Repräsentanten auftreten und auf Hymnen, Flaggen und Landesfarben verzichten. Was wird aus Olympia? Darüber sprechen wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
 
Herr Quarch: Zulassen oder ausschließen – das ist hier die Frage. Wofür votieren Sie?
© padrinan, pixabay.comAusschließen. Ganz eindeutig. Alles andere wäre ein Verrat an der olympischen Idee. Als Pierre de Coubertin Ende des 19. Jahrhunderts die Olympischen Spiele der Neuzeit aus der Taufe hob, ging es ihm darum, die Spiele als ein Fest des Friedens einzuführen. Dabei konnte er sich auf die Olympischen Spiele der Antike berufen. Zu deren Regelwerk gehörte die Ekcheiria, der olympische Frieden. Drei Monate vor und drei Monate nach den Spielen mussten überall in Griechenland die Waffen ruhen. Zu diesem olympischen Frieden bekennt sich das IOC auf dem Papier noch immer. Aber Herr Bach hat offenkundig überhaupt keine Skrupel, den Geist und die Seele der Spiele auf dem Altar seiner politischen Interessen zu schlachten.

Aber der Geist und die Seele der olympischen Spiele sind doch schon lange tot. Ist es nicht reichlich naiv oder romantisch, sich heute noch auf die olympischen Ideale zu berufen?
Natürlich sind die olympischen Ideale seit Berlin 1936 schon etliche Male verraten worden. Aber das heißt nicht, dass man aufhören sollte, sie einzufordern. Das IOC selbst tut dies. Als Putin vor einem Jahr wenige Tage nach dem Ende der olympischen Winterspiele die Ukraine überfiel, war das ein klarer Bruch des olympischen Friedens, der noch bis Ende der Paralympics hätte respektiert werden müssen. Damals wurde vom IOC der Ausschluss russischer Sportler von internationalen Wettkämpfen beschlossen. Jetzt interessiert sich Herr Bach offenbar nicht mehr dafür. Die Gründe kennen wir nicht, da das IOC unter Bach zum Inbegriff der Intransparenz geworden ist. 

Der IOC-Präsident argumentiert, man dürfe den Sportlern die Spiele nicht nehmen, da nicht sie den Krieg zu verantworten haben. Also sollten sie unter Verzicht auf nationale Symbole teilnehmen können.
Ich halte diese Argumentation für pure Augenwischerei. Die ganze Logik der olympischen Spiele ist auf Nationalität und Symbolik angelegt. So zu tun, als könne man das dadurch ausblenden, dass eine Delegation russischer Sportler nicht mit nationalen Symbolen auftritt, ist eine gezielte Irreführung der Öffentlichkeit. Jeder wird wissen, woher diese Sportler kommen und so bekommt Russland eine Plattform, die ihm nicht zusteht. Ich bin eigentlich kein Fan von Cancel-Culture und halte nichts davon, russischen Künstlern Auftritte auf deutschen Bühnen zu verweigern. Aber im Fall Olympia sehe ich das anders.  

Ist diese ganze Debatte womöglich ein Symptom dafür, dass sich die Idee der olympischen Spiele überlebt hat?
Ich glaube, dass es nach wie vor eine gute Idee ist, große und globale Sportwettkämpfe zu veranstalten. Es wäre auch naiv zu glauben, dass man die Spiele von ihrer Nationenfixierung befreien könnte. Aber es müsste möglich sein, die Spiele besser vor ihrer fortwährenden politischen Instrumentalisierung zu schützen. Das wäre Sache des IOC, doch genau an diesem Punkt versagt das IOC auf der ganzen Linie. Und das Schlimme daran ist, dass Thomas Bach so tut, als wäre er ein Sachwalter das Sportes. Das Gegenteil ist der Fall. Deshalb hoffe ich, dass es den politischen Kräften, die jetzt Protest eingelegt haben, gelingt, eine starke Front gegen das IOC aufzubauen. Wer seine eigenen Ideale so verrät, wie diese Organisation, hat sein Recht auf Fortbestand verwirkt.

Der Philosoph Christoph Quarch schreibt regelmäßig für forum Nachhaltig Wirtschaften. © Christoph Quarch
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
 
In seinem neuen Buch "Begeistern! Wie Unternehmen über sich hinauswachsen" geht's um Fragen wie diese:
Wie kommt der Geist in unsere Unternehmen? – Durch Begeisterung! Und wie entsteht Begeisterung? Anders als die meisten glauben.

Lesen Sie mehr von ihm unter www.christophquarch.de

Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel". 

Gesellschaft | Politik, 26.02.2023

     
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