Die Energiewende mit Hirnschmalz lösen

So geht Energiewende: Auf dem Gelände einer stillgelegten Kartonagenfabrik im Norden von Trier entsteht Zug um Zug der Energie- und Technikpark Trier.

Jederzeit CO2-neutral und energieautark, gilt das Vorhaben als ein ökologisches Vorreiterprojekt der Römerstadt. Teile davon wurden bereits mehrfach ausgezeichnet.
 
Eine Baustelle wie jede andere? Nein, der Schein trügt. Auf dem Gelände der früheren Kartonagenfabrik im Norden Triers nimmt das neue CO2-neutrale Energie- und Technikzentrum Gestalt an, dass Ende 2022 fertiggestellt sein soll. © Stadtwerke Trier / SWT Wenn Arndt Müller vom Energie- und Technikpark (ETP) Trier erzählt, schwingt eine große Portion Stolz in seinen Worten. Man könnte den Geschäftsführer der Stadtwerke Trier (SWT) schließlich als „Vater" des Öko-Gewerbequartiers bezeichnen. Er gab 2013 den ersten Impuls zur Umwandlung einer ehemaligen Industrieanlage zu einem Leuchtturmprojekt der regionalen Energiewende, welches SWT-Architekt Christian Reinert und sein Team dann quasi als Geburtshelfer zunächst in Pläne gossen und bis Ende 2022 nun Zug um Zug in die Realität umsetzen.

„Wir hatten uns seinerzeit vorgenommen, unser dortiges Hauptklärwerk klimaneutral zu machen", erinnert sich Müller. Dabei fiel der Blick auf die Fläche der angrenzenden Kartonagenfabrik, 43.000 Quadratmeter groß und schon seit geraumer Zeit nicht mehr in Betrieb. Die Hallen und Gebäude waren noch tadellos in Schuss. Die Idee für eine zukunftsorientierte Nutzung war relativ schnell geboren: ein klimaneutraler Standort für den Betriebshof und Fuhrpark der Stadtwerke nebst Verwaltung, der sich selbst mit Energie versorgt und substanziell so gestaltet und gebaut ist, dass er heutigen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Ansprüchen gerecht wird.

Mit dem Grundstückseigentümer wurde man sich schnell einig. Ein Jahr später, 2014, startete das komplexe Projekt, das Ende nächsten Jahres vorerst beendet sein wird. Aber schon heute liegen die Pläne für weitere Entwicklungen in der Schublade.

Vom Klärwerk zum Kraftwerk
Rund acht Millionen Kubikmeter kommunaler Abwässer reinigt das Hauptklärwerk jährlich. Der Energieeinsatz dabei war früher enorm. „In den letzten Jahren konnten wir durch eine Effizienz-Initiative den Stromverbrauch bereits um rund 20 Prozent senken", sagt Christian Reinert. Das war aber noch nicht alles. Reinert: „Parallel dazu haben wir die Stromerzeugung vor Ort durch zwei Blockheizkraftwerke ausgebaut, Photovoltaik-Anlagen auf nutzbare Dachflächen montiert und eine Wasserkraftanlage in den Wasserablauf zur Mosel eingebaut."

„So konnten wir die Anlage vom größten kommunalen Energiefresser zu einem Energie-Plus-Klärwerk ertüchtigen", fügt Geschäftsführer Müller hinzu. Soll heißen: Seit 2016 versorgt die Anlage nicht nur sich selbst CO2-neutral mit der in ihr erzeugten Energie, sondern auch andere. Ein künstliches neuronales Netz regelt die Stromproduktion und den Verbrauch in Echtzeit. „Die Energiewende werden wir nur mit Gehirnschmalz lösen", unterstreicht Arndt Müller. Es gehe um das Zusammenbinden von Technik zu smarten Lösungen. Dabei kommt auch künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Mehr als ein Energieeffizienz-Konzept
Die Überschussenergie aus dem Hauptklärwerk bildet eine wichtige Säule der Energieversorgung des Energie- und Technikparks nebenan. Für Rheinland-Pfalz ein bislang einmaliges Projekt, das vielfältige Weiterentwicklungs- und Übertragungsmöglichkeiten für andere Regionen im Bundesland und ganz Deutschland bietet.

Des Weiteren wurden auf den Dachflächen der Gebäude und Hallen Photovoltaikanlagen installiert, die zur Energieversorgung des Standorts beitragen. Und schließlich: „Bei der Sanierung der Gebäude haben wir ganz besonders darauf geachtet, den Energieverbrauch möglichst gering zu halten, zum Beispiel durch den Einbau einer hochwirksamen und ökologisch verträglichen Fassadendämmung", sagt Reinert.

Damit der Energie- und Technikpark aber neben dem Aspekt der Energieeffizienz so richtig nachhaltig wird, setzen die Stadtwerker auf einen ökoeffektiven Umbau. „Wir haben unseren Blick geweitet und das Gelände einschließlich der Bestandsgebäude insgesamt einer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Betrachtung unterworfen, bei der Ressourcen geschont werden", sagt Arndt Müller.

Und diese Betrachtung hat unter anderem dazu geführt, dass für den Ausbau nur Holz aus der Region als klimaneutraler Baustoff eingesetzt wurde, der auf kurzen Transportwegen zur Baustelle gebracht werden konnte. „Wir haben insgesamt bei dem eingesetzten Material darauf geachtet, dass dieses nach einem Einsatz im Energie- und Technikpark gleichwertig weiter- oder wiederverwendet werden kann", sagt Christian Reinert. Dieses Prinzip des Cradle-to-cradle („Von der Wiege bis zur Wiege") wurde in Deutschland entwickelt und ist mittlerweile eine weltweit anerkannte Methode zur nachhaltigen Entwicklung und Produktion von Waren und Stoffen aller Art.

Die Nutzer: Stadtwerke und Stadtverwaltung
Im neuen Energie- und Technikpark finden auch städtische Einrichtungen wie die Werkstätten des Theaters Trier ein neues und modernes Zuhause. Darüber freuen sich von rechts: Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe, SWT-Vorstand Arndt Müller, Theater-Intendant Manfred Langner, Alexander Roy (Technischer Leiter Theater), Michael Oberhoffer (Projektmitarbeiter SWT) Eric Krischel (Projektmanager Stadt Trier) und Christian Reinert (Projektleiter SWT). © Stadtwerke Trier / SWT Die Umbauarbeiten im Energie- und Technikpark dauern noch an. Gleichwohl zieht nach und nach Leben in die modernisierten Gebäude und Industriehallen ein. Die ersten Mitarbeitenden der Stadtwerke sind bereits aus der Trierer Innenstadt an den nördlichen Stadtrand umgezogen, ebenso wie Mitarbeitende der städtischen Ämter Tiefbauamt, StadtGrün Trier und Stadtreinigungsamt, die als weitere Mieter für den Standort gewonnen werden konnten.

„Die Zusammenarbeit zwischen betrieblichen Einheiten von Stadtwerken und Stadtverwaltung verspricht vielfältige Synergieeffekte und bietet den Mitarbeitenden beider Institutionen moderne und zukunftsweisende Arbeitsplätze", sagt Geschäftsführer Müller. Zudem würden die innerstädtischen Flächen und Gebäude für neue Nutzungen freigezogen, wodurch die City attraktiver und bürgernäher gestaltet werden könnte.

Weitere Pläne in der Schublade
Ende 2022 sollen die Umzüge in den Energie- und Technikpark zunächst einmal abgeschlossen sein. Dann werden alle technischen Abteilungen, der Betriebshof und die Verwaltung der Stadtwerke sowie der Stadtverwaltung am mit insgesamt 450 Mitarbeitenden neuen Standort beheimatet sein. Und dann? „Wir konnten in der Zwischenzeit eine weitere angrenzende Fläche in einer Größe von 27.000 Quadratmetern erwerben", blickt SWT-Geschäftsführer Arndt Müller in die nahe Zukunft. „Die werden wir ebenfalls klimaneutral entwickeln und dann vor allem privaten und gewerblichen Nutzern zur Verfügung stellen." Die Energiewende ist in aller Munde. In Trier wird sie Realität.

Kontakt: Stadtwerke Trier, Christian Reinert, Architekt  | christian.reinert@swt.de | www.swt.de

Quelle: Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH

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