Peter John Mahrenholz
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 31.08.2020
Weltrettung als Gesellschaftsvertrag
Peter John Mahrenholz sieht in der Gestaltung des überfälligen Wandels eine vornehme Aufgabe für das Marketing
Marketing soll die Welt retten? Super, endlich mal was Nützliches! Also: Wer genau macht das jetzt? Unternehmen, Institutionen und die Ideengeber und Entscheider darin. Die zumindest zeichnen wir hier aus. Wir loben sie dafür, dass sie in ihrer Arbeit Gemeinschaftsbezug zeigen. Und wir erwarten das zu Recht.
Die Gemeinschaft als Rahmen
Unternehmen existieren nicht in einem parallelen Wirtschaftskosmos, sondern sind Teil einer Gemeinschaft, ohne die unternehmerisch nichts gedeihen kann. Die Gemeinschaft stellt Arbeitskräfte sowie Absatzmärkte und bietet über ihre Institutionen Mehrwerte von Ausbildung bis Rechtsschutz. Und so, wie wir erwarten, dass Unternehmen die Gemeinschaft durch faires Steuerzahlen unterstützen, so erwarten wir, dass auch im Handeln selbst ein Gemeinschaftsbezug erkennbar wird. Die omnipräsenten Diskussionen über CSR, über Nachhaltigkeit, über Corporate Citizenship und Purpose zeugen von einem neuen Verständnis: Unternehmen schließen mit den Gemeinschaften, in denen sie agieren, quasi implizite Verträge.Implizite Verträge als Interessenausgleich
Der Deal ist einfach: Respektiere unsere Werte und Bedürfnisse, dafür kaufen wir gerne, vielleicht sogar teurer, Deine Produkte! Wir sind auch bereit, bei Dir zu arbeiten. „Läuft", sagt das Unternehmen, und „wenn Du mir versprichst, dabei motiviert und engagiert zu sein, dann lege ich sogar noch Müsli und Mobilitätszuschuss drauf". Marketingtypisch entsteht eine fruchtbare Austauschbeziehung. Camp- Unternehmen und Camp-Gemeinschaft vergessen ihre Differenzen, bauen quasi ein gemeinsames Dorf in neuer Harmonie. Tatsächlich ist der Interessenausgleich ein machtvolles Instrument. Auch die besten und glaubwürdigsten Beispiele nachhaltigen Marketings basieren exakt darauf. Sie sind Beispiele eines umfassenden und tiefen Marketingverständnisses. Sie verlassen die reine Absatzförderung, adressieren auch die Ebene von Produkten und Geschäftsmodellen. In der daraus folgenden Aufhebung von Interessengegensätzen und strategischen Zielkonflikten liegt die transformative Kraft eines „Gesellschaftsvertrags des Guten".
Das Individuum als Problem
Also: Unternehmen halten sich an unseren Gesellschaftsvertrag und die Welt kann gerettet werden. Aber Unternehmen und Gemeinschaft sind keine selbsthandelnden Akteure! So wie Entscheider für die Unternehmen handeln, so konstituieren sich Werte und Wert der Gemeinschaft erst aus kollektiven Überzeugungen und Verhalten ihrer Individuen. Und hier gibt es Probleme. Denn ein 2-Tonnen-Auto mit 700 PS durch die Stadt zu fahren ist auch mit Elektroantrieb am Ende nicht nachhaltig. Genauso wenig die Fahrt im ÖPNV zum Flughafen. Der progressive Touch des Salats vom regionalen Biobauern verblasst beim Barbecue neben dem klassischen Status eines eineinhalbpfündigen T-Bones aus Argentinien. Die Avocado daneben ist urbanes Trendfood genauso wie ökologisches Trauerspiel. Meint die Gesellschaft es ernst mit dem Klima?
Klimaschutz als moralisches Dilemma
Geben wir zu: Unser Wissen um den katastrophalen Klimawandel ist deutlich ausgeprägter als unsere Bereitschaft zur Verhaltensänderung. Sollen doch die anderen was tun! Wenn wir aber von Unternehmen verlangen, in einen neuen Gesellschaftsvertrag einzutreten, dann müssen wir ihn auch selbst unterschreiben. Eine freiwillige Selbstbindung als Moralsetzung im Sinne des Kant’schen Imperativs. OK — den Bezug zur menschlichen Verhaltensökonomik haben wir jetzt verlassen. Stellen wir ihn her! Informieren wir! Motivieren wir, die Welt als Ergebnis eigenen Handelns zu begreifen und überfälligen Wandel jetzt zu gestalten! Das ist eine vornehme Aufgabe für das Marketing. Weltrettung inklusive.
Peter John Mahrenholz ist Gründer und Partner von Das 18te Kamel & Komplizen. Der ehemalige Strategiechef von Jung von Matt zählt zu den profiliertesten Marken- und Kommunikationsstrategen Deutschlands und hat als Jury-Präsident maßgeblich zum Erfolg der Marketing for Future Awards beigetragen.
Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.
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