Umwelt | Klima, 31.08.2020

Es geht voran

Die Klima-Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors

16 Akteure des deutschen Finanzsektors, mit Aktiva von mehr als 5,5 Billionen Euro und über 46 Millionen Kundenverbindungen in Deutschland, haben eine Selbstverpflichtung unterzeichnet, ihre Kredit- und Investmentportfolios im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten. Werden die Unterzeichner dem Anspruch gerecht?

 „Wir unterstützen die Selbstverpflichtung der deutschen Finanzmarktakteure, da wir nicht nur auf die Regulatorik aus Brüssel und Berlin warten können. In der Klimakrise sind daher Mut, Pragmatismus und Innovationskraft von uns allen gefragt."
Silke Stremlau – Vorstand / Hannoversche Kassen

Durch die vereinbarte Messung, Veröffentlichung und Zielsetzung zur Reduzierung der mit den Kredit- und Investmentportfolios verbundenen Emissionen will der deutsche Finanzsektor einen Klimaschutzbeitrag leisten und eine nachhaltige und zukunftsfähige Weiterentwicklung der Wirtschaft unterstützen. Dies soll Deutschland zu einem der führenden Standorte für nachhaltige Finanzen (Sustainable Finance) machen.

Konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele
Die Initiative hat das Ziel, aktiv an einer der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben mitzuwirken, nämlich der erfolgreichen Transformation zur Begrenzung des Klimawandels. Die Produkte und Dienstleistungen sowie die Engagements und Initiativen der Unterzeichner sollen diese Transformation hin zu einer emissionsarmen und klimaresilienten Wirtschaft und Gesellschaft fördern und damit die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzen. Eine aktive Begleitung von finanzierten Unternehmen hat die Zielsetzung, deren Wettbewerbs- und Widerstandsfähigkeit zu stärken und gleichzeitig die Nachhaltigkeits- und Ausfallrisiken bei den Banken zu reduzieren.

Konkret verpflichtet sich jeder Unterzeichner, dass er bis Ende 2022 gegenseitig akzeptierte Methoden zur Messung der Klimaauswirkungen seiner Kredit- und Investmentportfolios entwickelt und verbindlich einführt. Die Steuerung der Engagements muss dann im Einklang mit den nationalen und internationalen Klimazielen erfolgen. Die Vereinbarung gilt jedoch nicht für das Fonds- oder Mandatsgeschäft, dieses wird nur schrittweise ohne feste zeitliche Vorgaben berücksichtigt.

Einer macht immer den Anfang
© jarmoluk, Pixabay
Der Impuls für diese Selbstverpflichtung erfolgte aus einer von der Triodos Bank initiierten Gruppe von Finanzinstituten und zeitgleich über eine Bankenarbeitsgruppe des WWF. Diese beiden Bankengruppen haben seit März 2020 die vorher parallelen Diskussionen zur jetzt vorliegenden Selbstverpflichtung zusammengeführt. Diese steht jetzt allen Finanzakteuren zur Übernahme und Unterzeichnung offen. Die große Bandbreite der Erstunterzeichner in Bezug auf Unternehmensgröße (von Großbanken bis zu kleinen Spezialbanken) und Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bereichen des Finanzsektors (z.B. Landesbanken, Geschäftsbanken, Nachhaltigkeitsbanken, Auslandsbanken und Altersvorsorgeeinrichtungen) zeigt, dass diese Herausforderung breit angenommen wird und die Umsetzung durch Finanzakteure unabhängig von der Größe oder bestimmter Assetklassen möglich ist.

Im internationalen Kontext wurden bereits in den Niederlanden das Climate Agreement (Juni 2019), das Collective Commitment to Climate Action (UN-Klimagipfel im September 2019) und im Rahmen der 25. Klimakonferenz (Dezember 2019) eine Selbstverpflichtung des spanischen Finanzsektors unterzeichnet. All diese Vereinbarungen haben vergleichbare Strukturen und Zielniveaus, auf denen die jetzt getroffene deutsche Selbstverpflichtung aufbaut. Die Vergleichbarkeit mit den anderen internationalen Vereinbarungen ermöglicht es insbesondere internationalen Finanzinstituten, einheitliche Prozesse und Standards zu entwickeln, und stellt sicher, dass effizient und ohne Redundanzen eine möglichst große Wirkung entfaltet werden kann.

Von der Willenserklärung zur Tat?
Die deutschen Erstunterzeichner wollen sich gegenseitig dabei unterstützen, die notwendigen Emissionsdaten zu erheben und Methoden zur Messung sowie Ansätze zur Steuerung des Bankgeschäfts im Einklang mit den Zielen zu entwickeln. Um der gemeinsamen Verantwortung und der jedes einzelnen Akteurs gerecht zu werden, hat sich jeder Unterzeichner verpflichtet, jährlich (z.B. im Rahmen seiner bestehenden Berichtsformate) über den individuellen Fortschritt bezüglich der Implementierung zu berichten. Bleibt zu hoffen, dass jeder pünktlich und vollständig dieser Verpflichtung nachkommt. forum wird dies im Auge behalten und darüber berichten.

Die aktuelle Übersicht der Unterzeichner sowie die komplette Selbstverpflichtung finden Sie unter: www.klima-selbstverpflichtung-finanzsektor.de

Von Fritz Lietsch

Gut Ding will Weile haben

Die Triodos Bank war maßgeblich engagiert bei der Entwicklung der Klima-Selbstverpflichtung der deutschen Finanzindustrie. Im forum Interview erklärt Deutschland-Chef Georg Schürmann die Hintergründe und Ziele.

Herr Schürmann, wie kam es zu der Selbstverpflichtung?
Georg Schürmann © Triodos
Als Triodos Bank haben wir bereits bei der Entstehung der niederländischen und spanischen Klimaselbstverpflichtungen sowie bei der Entwicklung der UN Principles for Responsible Banking mitgewirkt. In den Niederlanden hat als Folge dieser Vereinbarung bereits 2019 fast der gesamte Finanzsektor mit Maßnahmen begonnen, um die CO2-Fußabdrücke ihrer Investments und Kreditvergaben zu messen. Wir wollten einen Impuls für den deutschen Finanzsektor setzen und haben gemeinsam mit dem WWF Ende 2019 diese Initiative gestartet. Ziel war eine möglichst breite Beteiligung von Akteuren aus unterschiedlichen Sektoren, um den gesamten Finanzplatz abzubilden, daher gibt es auch keine Einschränkung nur auf Banken.

Was waren Herausforderungen und wie haben Sie diese gelöst?
Einige Häuser mit denen wir gesprochen haben, hatten die Befürchtung, dass, wenn sie die Vereinbarung unterschreiben, bereits alles fertig sein muss. Aber die Akteure verpflichten sich lediglich, bis Ende 2022 Messmethoden einzuführen und sich, basierend auf den Messergebnissen, wissenschaftsbasierte Ziele für die nächsten Jahre zu setzen. Die Umsetzung startet dann spätestens ab 2023, wobei einige Banken bereits ähnlich weit sind wie wir und schon Methoden implementiert haben, um ihren Fußabdruck zu messen. Diverse Akteure haben dann aber dennoch entschieden, erstmal nicht zu unterzeichnen, solange sie sich nicht komplett sicher sind, dass sie die Anforderungen bis Ende 2022 auch wirklich erfüllen können. Wir hoffen, dass sie trotzdem an dem Thema arbeiten und bald der Initiative beitreten.

Wie geht es weiter, wie sieht die Umsetzung aus?
Ein wichtiger Bestandteil der Selbstverpflichtung ist der Austausch zu Themen wie der Erhebung von Emissionsdaten und der Auswahl von Methodiken. Bereits bestehende Methodiken, wie PCAF und PACTA, erlauben es, bereits jetzt zu starten, ohne eigene Systematiken entwickeln zu müssen. Eine intensive Zusammenarbeit erleichtert es den Unterzeichnern, die Vorgaben auch einzuhalten.
Nächster Meilenstein ist der Sustainable Finance Summit am 28. September 2020. Bis dahin wird in Zusammenarbeit mit dem Bundesumwelt- und dem Bundesfinanzministerium ein Workshop organisiert, um Fragen rund um die Selbstverpflichtung zu besprechen und damit Unklarheiten auszuräumen. Wir rechnen damit, dass es dies weiteren Häusern erleichtern wird, ebenfalls zu unterzeichnen.
 
Gab es Kritikpunkte an dem Abkommen?
Nach der Veröffentlichung gab es zum Beispiel Rückmeldungen, dass eine solche Selbstverpflichtung keine regulatorischen Vorgaben ersetzen sollte. Das ist aber auch nicht die Intention der Initiative – ganz im Gegenteil. Durch die Unterzeichnung der Selbstverpflichtung beschäftigen sich die Unterzeichner bereits jetzt mit verschiedenen Themen zu geplanten Gesetzesvorhaben der EU und bereiten sich früher darauf vor. Dies bringt die dringend benötigten Aktivitäten für mehr Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft voran.

Georg Schürmann ist seit 2009 Geschäftsleiter der Triodos Bank N.V. Deutschland. Zuvor war er 20 Jahre lang bei der Deutschen Bank tätig. Er ist Mitglied im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung, im Nachhaltigkeitsbeirat der Barmenia Versicherung, im Beirat der Deutschen Umweltstiftung sowie im Diözesan-Vermögensverwaltungsrat des Bistums Eichstätt.

Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.



     
        
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