Das gute Beispiel

Den Hebel der öffentlichen Hand wirksam machen

Im Green Deal der EU wurde festgelegt, dass jährlich 1,5 Prozent der jeweiligen Bruttoinlandsprodukte zusätzlich in Maßnahmen für Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften investiert werden müssen, um das Ziel eines klimaneutralen Europas 2050 zu erreichen. Damit ist auch die öffentliche Hand angewiesen, zukünftig nicht nur mehr, sondern auch anders zu investieren. Doch Entscheider der öffentlichen Hand brauchen einen Wegweiser im Dickicht der grünen Finanzen.
Markus Zeilinger, CEO der fair-finance Vorsorgekasse und Vorstandsmitglied des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), sowie Stephan Heid von der Kanzlei Heid und Partner Rechtsanwälte stellen deshalb in einem Webinar rechtliche Rahmenbedingungen und finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien vor. Diese Kriterien aus dem Finanzbereich können auch gute Anregungen für das gesamte Beschaffungswesen der öffentlichen Hand geben. forum fragte nach den zentralen Themen in diesem Kontext.
 
Herr Dr. Heid, was sind die rechtlichen Grenzen innerhalb derer öffentliche Investitionen erfolgen dürfen und sollen?
RA Dr. Stephan Heid, Heid & Partner Rechtsanwälte © Heid und Partner Einerseits das Vergaberecht, das etwa bei der Suche der öffentlichen Hand nach Pensions- und Vorsorgekassen einzuhalten ist, andererseits – je nach Einzelfall – auch beihilfenrechtliche Vorschriften und Compliance-Regelungen. In Zukunft werden auch Revisionsbehörden und Rechnungshöfe für eine Kontrolle der Entscheidungsfindung, gerade beim Thema „green finance", aber auch im gesamten Beschaffungswesen sorgen.

Herr Mag. Zeilinger, welche Bedeutung hat die öffentliche Hand für die Finanzwirtschaft?
Staat, Länder und staatsnahe Einrichtungen sind die größten Anleiheemittenten und gleichzeitig Fördergeber im Land. Als Investor spielt die öffentliche Hand jedoch keine dominierende Rolle, wenngleich ihr etwa in Österreich mehrere große institutionelle Investoren, wie die Bundespensionskasse oder die FIBEG, die Vermögensverwaltungsgesellschaft des Landes Niederösterreich, zuzurechnen sind. Als Arbeitgeber entscheiden alle öffentlichen Auftraggeber, also auch sehr kleine, wie die vielen Gemeinden, über das Sozialkapital der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die entsprechende Auswahl einer nachhaltig agierenden betrieblichen Vorsorgekasse ist da ein ausgezeichnetes Beispiel, wie Geld sinnstiftend im Sinne des Green Deals eingesetzt werden kann. Der öffentlichen Hand fällt somit speziell in diesem Bereich eine Vorbildrolle zu.

Worauf sollten die Auftraggeber bei der Auswahl ganz besonders achten?
Ich empfehle, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit im Allgemeinen und je nach Bereich und Zielsetzung auch mit unterschiedlichen Detailaspekten zu beschäftigen und einen Kriterienkatalog für die Entscheidungsfindung zu erstellen. Leider ist dies insbesondere für Kapitalveranlagungen noch etwas komplex, zumal sich verlässliche Standards erst langsam herausbilden. Solange es noch keine detaillierten Vorgaben gibt, muß der Auftraggeber also selbst definieren, ob ihm zum Beispiel die CO2-Emission oder fairtrade-Kriterien des Portfolios wichtig sind und wie diese gemessen werden sollen. Auf alle Fälle sollte er Informationen über das geplante Investment einholen. Am besten, Sie verlangen die Vorlage einer klaren Methodik nachhaltiger Vermögensveranlagung sowie die Kontrolle und deren Einhaltung durch externe Stellen. Ebenso rate ich an, sich detailliert mit Ausschlusskriterien oder dem Environmental-, Social- and Governance- Scoring (ESG) zu beschäftigen.

Mag. Markus Zeilinger ist CEO und Gründer der fair-finance Gruppe und Vorstandsmitglied im Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG). © lukas Pelz, 2019 primephoto

Die Auswahl entsprechender Vorsorgekassen ist dabei noch relativ einfach, denn sie werden von der ÖGUT, der Gesellschaft für Umwelt und Technik, jährlich hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Portfolios bewertet. Bei der Qualitäts- und Nachhaltigkeitsauswahl von Fonds hilft in Deutschland das FNG-Siegel und in Österreich das Umweltzeichen.

Was sind allgemein gültige Regeln für alle Branchen?
Im Sinne der Zielsetzung des Green Deals sollten nachhaltige Entscheidungskriterien möglichst hoch gewichtet werden. Bei der Anlageentscheidung kann man bereits auf viele Standards und Siegel in den jeweiligen Branchen zurückgreifen. Diese Nachfrage nach Informationen sorgt für zunehmende Transparenz der Anbieter. Aber Achtung: Man läuft oft auch Gefahr, ein Opfer des green washings zu werden, denn aktuell versuchen alle Anbieter, insbesondere aber jene von Finanzprodukten und Dienstleisten, sich möglichst grün darzustellen. Es wimmelt von selbsternannten Pionieren und Experten. Es ist somit wichtig, sich auch die Qualität und Methodik von Siegeln und Awards anzusehen oder eben direkt den Blick hinter die Kulissen zu tätigen.

Wie funktioniert dieser Blick hinter die Kulissen, können Sie uns dazu Beispiele nennen?
In unserer Vorsorgekasse haben wir ein eigenes Ratingsystem für den Ankauf nachhaltiger Immobilien entwickelt, weil uns die vorhandenen Zertifikate entweder zu einseitig waren oder einfach für die Objekte, die uns interessiert haben, nicht oder nur zu unvertretbaren Kosten zur Verfügung standen. Unser Immobilienrating untersucht die vier Hauptkriterien Standort, Baustoffe, Energieeffizienz und Ethik mit etwa 100 Subkriterien und baut auf dem in Österreich verpflichtenden Energieausweis für Gebäude auf. Wir entwickeln die Entscheidungsmatrix ständig weiter, aktuell versuchen wir zusätzlich eine Methodik zur Bewertung zu „leistbarem Wohnen" zu erstellen. Dieses Ratingsystem ist frei verfügbar, die Gewichtung der Subkriterien kann individuell geändert werden, sodass es jedem als individuelle Entscheidungshilfe für nachhaltige Immobilienkäufe dienen kann.

Als zweites Beispiel darf ich anführen, dass es mittlerweile Banken gibt, die entweder die Kreditvergabe oder zumindest die Kreditkonditionen nicht mehr nur von finanziellen Kennzahlen wie der Bonität des Schuldners abhängig machen, sondern auch die Nachhaltigkeitsleistung der Mittelverwendung stark einbeziehen. Wenn Kredite für grüne Investments wie PV-Anlagen, öffentlicher Verkehr, Immobiliensanierung, etc. deutlich günstiger werden als vergleichbare konventionelle Finanzierungen, dann sehen wir rasch die Hebelwirkung des Green Deals auf den Klimawandel. Denn Geld bewegt die Welt.

Herr Dr. Heid, Herr Mag. Zeilinger, wir danken für das Gespräch.
 
RA Dr. Stephan Heid, Heid & Partner Rechtsanwälte, ist Herausgeber des 'Kommentar BVergG 2018', des 'Handbuch Vergaberecht' sowie der RPA und des VIL. Er ist Vorstand der IG Lebenszyklus Bau und spezialisiert auf Vergaben im Gesundheits- und Mobilitätsbereich sowie bei komplexen Infrastrukturprojekten (Schiene, Tunnel, Kraftwerk, Abfall). 
 
Mag. Markus Zeilinger ist CEO und Gründer der fair-finance Gruppe und Vorstandsmitglied im Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG). Vom Handel mit fair-trade Produkten zu Schulzeiten, über die Kombination eines Studiums aus Betriebs- und Volkswirtschaft in Verbindung mit gesellschaftlichen und sozialen Themen führte sein Weg zur Gründung von fair-finance, einer betrieblichen Vorsorgekasse in Österreich mit dem Fokus auf gesellschaftlich verantwortlichem Handeln.

Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.



     
        
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