Fair Wear Works

Verantwortungsvoller Textileinkauf in Unternehmen

Die meisten Textilien werden immer noch unter menschenverachtenden Bedingungen hergestellt. Niedriglöhne, erzwungene Überstunden und fehlende Mitarbeiterinnenbestimmung sind in vielen Fabriken die Regel. Die Corona-Krise hat die Situation der Arbeiterinnen weiter verschlimmert: Viele Textilunternehmen stornieren ihre Aufträge, wodurch unzählige Näherinnen von einem Tag auf den anderen ihre Jobs verlieren und in existenzielle Not geraten. Ein enormer Wasserverbrauch, Chemikalien in Flüssen und ein Anteil von acht Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen machen Textilien auch in ökologischer Hinsicht zu einem höchst kritischen Produkt.
 
Marijke Mulder ist seit zehn Jahren in Projekten der politischen Bildung tätig. Bei FEMNET ist sie Koordinatorin für die Bildungs- und Beratungsprojekte des Vereins und leitet das neue Projekt zur Unternehmensbeschaffung. © FEMNETFEMNET e.V. und der Global Nature Fund (GNF) unterstützen Unternehmen, die diese Situation nicht länger hinnehmen wollen, denn gezielte Einkaufsstrategien nach ökologisch und sozial faireren Kriterien können Arbeitsbedingungen und Umweltauswirkungen entlang der Lieferkette positiv beeinflussen. forum befragte Marijke Mulder von FEMNET nach Hintergründen der Kooperation und Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen und Kommunen.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit zwischen Ihren beiden Organisationen?
FEMNET und der GNF teilen sich ein Büro und die Idee, zusammenzuarbeiten, stand schon lange im Raum. Mit dem Projekt Fair Wear Works, das von Engagement Global und Fairtrade Deutschland unterstützt wird, bündeln wir unsere Kräfte in optimaler Weise: FEMNET ist Expertin zum Thema Textilien und berät bereits seit 2015 Kommunen bei der Umsetzung öko-fairer Beschaffungsverfahren. Der GNF arbeitet seit 2010 mit Unternehmen zu einem nachhaltigen Lieferkettenmanagement und dem Schwerpunkt Ressourcenschutz. Gemeinsam können wir Unternehmen in sozialer wie ökologischer Hinsicht Hilfestellungen bieten.

FEMNET
setzt sich mit politischem Engagement, Bildungs- und Beratungsarbeit sowie solidarischer Arbeit für Frauen in den Produktionsländern der globalen Bekleidungsindustrie ein. Die Pionierin bei der Umsetzung öko-fairer Beschaffungsverfahren in der öffentlichen Verwaltung berät seit 2015 Kommunen bei ihren Textilausschreibungen und strebt im Dialog mit Politik und Wirtschaft eine verbindliche Verankerung unternehmerischer Sorgfaltspflicht an.
 
Der Global Nature Fund (GNF)
ist eine internationale Stiftung für Umwelt und Natur. Mit Partnern aus Wirtschaft, Politik sowie Zivilgesellschaft setztsie Umweltschutzprojekte in Deutschland und international um.

Achten Unternehmen denn schon auf einen nachhaltigen Textileinkauf?
Eine Statistik hierzu gibt es noch nicht. In der Zusammenarbeit mit Kommunen zeigt sich, dass sich immer mehr Städte und Gemeinden mit dem Thema einer nachhaltigen Beschaffung befassen. Und natürlich wissen wir auch von Unternehmen, die bei der Ausstattung ihrer Angestellten beispielsweise auf Fairtrade-Baumwolle achten. Um einen besseren Überblick darüber zu gewinnen, ob in Unternehmen beim Einkauf von Textilien auf das Thema Nachhaltigkeit geachtet wird, führen wir gerade eine Umfrage durch. Besonders interessieren uns die Beratungsbedarfe von Unternehmen. Welche Herausforderungen befürchten, reflektieren und erfahren Unternehmen bei der Entscheidung für oder gegen einen nachhaltigen Textileinkauf? Zu welchen Themen werden Unterstützungsangebote benötigt? Die Ergebnisse bilden die Grundlage unserer weiteren Arbeit.

Wie können Sie Unternehmen denn konkret unterstützen?
Mitarbeiterinnen von Social Awareness & Voluntary Education (SAVE) verteilen Lebensmittelspenden an Bedürftige. SAVE ist eine indische Menschenrechtsorganisation, die sich gegen Kinderarbeit und für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Spinnereien und Textilfabriken Südindiens einsetzt. © SAVEAuf Basis der ermittelten Bedarfe werden wir Workshops für Unternehmen entwickeln, die konkrete Umsetzungshilfen bieten. Unbedingt werden wir auf gesetzliche Rahmenbedingungen, Siegel und Nachweissysteme eingehen, Good Practice-Ansätze und Modelle vorstellen, wie sich soziale und ökologische Kriterien in die Einkaufsrichtlinien der Unternehmen integrieren lassen. Dabei geht es uns um die Umsetzung. Wir möchten nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch ganz praktische Unterstützung bieten. Dazu gehört es selbstverständlich auch, die Bedingungen und Anforderungen in der jeweiligen Branche einzubinden.

Durch die Arbeit in den Kommunen wissen wir, dass es sehr wertvoll ist, die eigentlichen Nutzerinnen der Textilen in den Prozess der Produktumstellung mit einzubinden. Als Teil unseres Angebots möchten wir darum im Rahmen von bestehenden Events wie Nachhaltigkeitstagen oder Fortbildungen auch Mitarbeiterinnen und Auszubildende adressieren, um sie für das Thema zu gewinnen. Wir sind hier für viele Formate offen und kommen beispielsweise auch gerne an Berufsschulen. Die globale Verantwortung für einen nachhaltigen Textilkonsum tragen wir schließlich alle gemeinsam.

Warum richten Sie sich gerade an Unternehmen?
Unternehmen haben viele Hebel, über die sie einen Beitrag zum Klimaschutz, der Einhaltung von Menschenrechten und ökologischen Standards beitragen können. Textilien sind nur ein kleiner Teil davon. Aber es ist vergleichsweise einfach, den Einkauf von Textilien anzupassen. Das gilt für den privaten Einkauf im Übrigen ganz genauso wie für Unternehmen. Und letztlich sind Mitarbeiterinnen auch Aushängeschilder eines Unternehmens, die oft den direkten Kontakt zu den Kundinnen haben. Wenn ich mein Unternehmen sozial und ökologisch verantwortungsvoll führen möchte, ist der nachhaltige Einkauf von Berufsbekleidung und anderen Textilien ein guter erster Schritt.

Umfrage zum Einkauf von nachhaltigen Textilien in Unternehmen
Sie können diese Umfrage entweder anonym beantworten oder eine E-Mail-Adresse hinterlassen, falls Sie an einer Kooperation interessiert sind oder weiter über die Ergebnisse informiert werden wollen. Die Beantwortung der Fragen dauert nur ca. fünf Minuten. Hier geht es zur Umfrage. Vielen Dank für Ihre Teilnahme!

Nun liest man immer öfter von fairer Kleidung. Kann ich mich als Käuferin denn auf die zahlreichen Siegel verlassen?
Wie so oft ist leider nicht alles Gold, was glänzt. Es lohnt sich der genaue Blick darauf, was ein Siegel wirklich aussagt. Denn wirklich faire Kleidung gibt es bisher kaum. Aber es gibt Möglichkeiten, den Einfluss, den Käuferinnen haben, für eine schrittweise Verbesserung der Produktionsbedingungen zu nutzen. Für soziale Aspekte sind die ILO-Kernarbeitsnormen beispielsweise eine gute erste Richtlinie. Trotzdem darf man nicht verschweigen, dass bisher auch die „fairen" Marken in der Regel keinen existenzsichernden Lohn zahlen. Doch jeder Schritt in die richtige Richtung ist wichtig. Eine wachsende Nachfrage nach sozial und ökologisch nachhaltig hergestellten Produkten verändert auch das Angebot. Das konnten wir in der öffentlichen Beschaffung schon in wenigen Jahren beobachten.

 
Faire Arbeit
In der International Labour Organisation (ILO) definieren Arbeit- geberinnen, Arbeitnehmerinnen und Regierungen aus fast allen Staaten der Erde gemeinsam Mindeststandards für eine gerechte Arbeitswelt. Darin sind die sogenannten Kernarbeitsnormen, die in vier Prinzipien zusammengefasst werden, verankert:
  • Verbot von Zwangsarbeit und Arbeit in Schuldknechtschaft
  • Diskriminierungsverbot
  • Verbot der Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren
  • Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen

Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.



     
        
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  • Global Nature Fund (GNF)
  • NOW Partners Foundation
  • TÜV SÜD Akademie
  • Engagement Global gGmbH
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • circulee GmbH
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • toom Baumarkt GmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig