Fritz Lietsch

Mitarbeitermobilität

Für Umwelt, Gesundheit und Rentabilität

Auf ihrem Weg zu mehr Klimaschutz lassen viele Firmen nichts unversucht.um den CO2-Ausstoß zu verringern. Wie man den Weg zur Arbeit und das Reiseverhalten seiner Mitarbeiter beeinflussen kann, zeigt ein engagiertes Unternehmen aus dem Schwarzwald.
 
Herr Schneider, über Ihre Mobilitätsstrategie wurde vielfach – auch im Fernsehen – berichtet. Wie bringen Sie ihre Mitarbeiter dazu, nicht mit dem eigenen Auto zur Arbeit zu kommen?
© Schneider Schreibgeräte GmbHUnser Unternehmen liegt im Außenbereich eines kleinen Ortes, mitten im Grünen und ist kaum fußläufig zu erreichen. ÖPNV gibt es so gut wie gar keinen. Um die Mitarbeiter aus unserem Ort zu bündeln, sodass nicht jeder selbst mit dem Auto fährt, entschieden wir uns für einen vom Unternehmen bezahlten Bus. Diesen gibt es nun schon seit den 80er-Jahren. Er fährt viermal am Tag zu den Hauptarbeitszeiten. Im Sommer bietet sich dagegen im malerischen Schwarzwald das Rad als schönste und nachhaltigste Alternative für den Arbeitsweg an, daher lag es uns besonders am Herzen, den Radverkehr zu fördern. Wir starteten 2012 zuerst mit einem „eigenen" Modell und stiegen später auf ein Leasingmodell um. Somit können sowohl unsere Mitarbeiter als auch ihre Ehepartner/-innen bei uns ihr ganz persönliches Rad/E-Bike kostengünstig über die Firma leasen.

Was ist Ihre Motivation dafür?
Dafür gibt es viele Gründe. Unsere Produktionsstätten liegen inmitten von Erholungs- gebieten im Schwarzwald und im Harz. Also da, wo andere Urlaub machen. Nicht zuletzt kommt daher auch unsere enge Verbundenheit zu Natur und Umwelt und damit die Motivation, diese zu erhalten. Besonders im Fokus stehen für uns Ressourcenschonung, Recycling, Umweltschutz sowie die Reduzierung von Flächenverbrauch, Verkehr und Emissionen. Und auch ganz einfache betriebswirtschaftliche Überlegungen: Da wir in den letzten Jahren stark gewachsen sind, standen wir vor der Entscheidung, unseren Parkplatz weiter auszubauen oder die Mitarbeiter vom eigenen Auto wegzulocken. Die Alternative war entweder in einen Parkplatz oder in eine Fahrradkampagne zu investieren.
 
Wie starteten Sie Ihr Konzept?
Die Grundidee war, interessierten Beschäftigten kostenlos E-Bikes bereitzustellen – unter der Bedingung, damit mindestens 80 Mal im Jahr zur Arbeit zu kommen. Ziel war es, ein generelles Umdenken bzw. „Umsatteln" bei den Mitarbeitern zu fördern.
 
Die Aktion wurde 2012 als Umweltziel in der Umwelterklärung von Schneider eingetragen und längerfristig sollten mindestens 20.000 Autokilometer durch die Radinitiative vermieden werden. Auf einer Infoveranstaltung konnten die Mitarbeiter die Räder testen und das brachte den Erfolg, denn wer einmal aufeinem E-Bike gesessen hat, der will auch eines haben. Schon im ersten Jahr konnten die 12 Fahrer deutlich über 10.000 Auto-Kilometer einsparen und die Kampagne wurde zum Selbstläufer. Die Anzahl der Mitarbeiter, welche mit dem E-Bike umweltfreundlich den Weg zur Arbeit zurücklegen wollten, stieg jährlich. Wir kauften also stetig neue Räder. Ende 2016 waren es bereits über 60 Radfahrer.
 
Gab es auch Probleme?
Natürlich! Bei unserer Radkampagne gab es einige Rückschläge. Als wir mit den Rädern anfingen, gehörten die Räder ja noch der Firma, jedoch mussten unsere Mitarbeiter selbst nachrüsten oder sich um abgenutzte Verschleißteile kümmern. Mit der Zeit kamen dann aber auch Probleme mit den Akkus hinzu, sodass unser Hausmeister bald nur noch als „Radbeauftragter" beschäftigt war und viel Zeit mit Reparaturen und deren Abwicklung verbrachte. Außerdem kam zu der Zeit auch das Thema Versteuerung der Räder auf, da diese als „geldwerter Vorteil" den Mitarbeitern berechnet werden mussten. Da in unserem Fall die Mitarbeiter jedoch selbst für Verschleißteile aufkamen, war unser Modell im Gegensatz zu einem „normalen" geldwerten Vorteil in Form eines Firmenwagens/Jobrads wieder ein Sonderfall, was uns viele Gespräche mit dem Finanzamt einbrachte. Wir entschieden uns deshalb nach langem Hin und Her für eine sichere Variante und stiegen auf ein Leasingmodell um. Dabei hatten wir große Angst, dass uns die Mitarbeiter wieder von dem Modell abspringen, da ja dadurch plötzlich eine monatliche Leasingrate für sie anfiel. Das ist glücklicherweise dann doch nicht passiert. Wir hatten unsere Fahrer zu dem Zeitpunkt schon so weit vom Fahrradfahren begeistern können, dass sie trotz einer Übernahme der Kosten damit nicht mehr aufhören wollten.
 
Wo haben Sie noch in das Mobilitätsverhalten der Mitarbeiter eingegriffen?
Vor einigen Jahren haben wir eine App eingeführt, die Mitarbeiter, die mit dem Auto fahren wollten, dabei unterstützen sollte, Fahrgemeinschaften innerhalb des Unternehmens zu finden. Für uns klang diese Idee als klimafreundliche Alternative zum Alleinfahren im eigenen Auto super. Durch gemeinsames Fahren werden Fahrtkosten geteilt, die Umwelt geschont und Mitarbeiter kommen miteinander in Kontakt. Die App wurde jedoch nie wirklich gut angenommen, und der Versuch, Mitfahrgemeinschaften zu initiieren, verlief im Sand.

Die Radkampagne war also am erfolgreichsten?
Ja, auch dieses Jahr konnte die Zahl der Teilnehmer gesteigert werden. Am Hauptsitz im Schwarzwald, wo ca. 400 Mitarbeiter arbeiten, werden inzwischen 204 Räder über die Firma geleast, davon sind 37 Zweiträder, die unsere Mitarbeiter für ihre Partner leasen. Es fahren also rund 170 Mitarbeiter mit dem Rad zur Arbeit. 2018 wurden rund 180.000 km mit den Firmenrädern zurückgelegt. Rückblickend wurden seit Einführung des „JobRads" im Jahr 2012 weit über 500.000 Autokilometer eingespart und der Emissionsausstoß unseres Unternehmens wurde verringert.

© Schneider Schreibgeräte GmbHWo viel Licht ist, ist auch Schatten...
Es gibt bei uns natürlich auch Dinge, die weniger positiv aufgenommen werden. Beispielsweise stößt es bei einigen Mitarbeitern auf Unmut, dass in unserem Unternehmen für weiter entfernt liegende Reiseziele, sofern dies organisatorisch möglich ist, ausschließlich der Zug als Verkehrsmittel genutzt werden darf. Außerdem gibt es bei uns keine Firmenwagen. Das ist in vielen Firmen Standard und wird für manche Positionen gar vorausgesetzt, jedoch haben wir uns gezielt dagegen entschieden. Generell sind wir jedoch sehr glücklich, denn unsere nachhaltige Ausrichtung wird von den meisten unserer Mitarbeiter geschätzt und akzeptiert.

Gibt es weitere Ideen, die Sie zukünftig gerne umsetzen wollen?
In unserem Fuhrpark sind noch ein paar alte Automodelle, die wir schrittweise auf rein elektrisch betriebene und Hybrid-Fahrzeuge umstellen wollen. Was den Betriebsbus angeht, planen wir derzeit eine Verbesserung, denn die Auslastung der Busse ist in den Sommermonaten sehr gering, da viele Mitarbeiter mit dem Rad zur Arbeit kommen. Die geringe Auslastung entspricht nicht unserem Anspruch an Nachhaltigkeit und rechtfertigt auch nicht die Kosten. Wir haben uns deshalb für das Konzept „Regio9er" entschieden. Dieses bietet immer 5 bis maximal 9 Personen die Möglichkeit, fixe, selbst organisierte Fahrgemeinschaften zu bilden, für die Fahrzeuge aus dem Firmenpool zur Verfügung gestellt werden. Pro Fahrgemeinschaft gibt es einen fixen Fahrer. Die Fahrzeuge werden nur morgens und abends für den Arbeitsweg genutzt und stehen tagsüber für die Nutzung durch die Firma zur Verfügung. Nach Feierabend oder an den Wochenenden können dann die Fahrzeuge wieder gegen eine Kilometerpauschale privat genutzt werden. Insbesondere für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit denselben Arbeitszeiten bietet sich diese Alternative zum Busverkehr an und schafft zusätzliche Flexibilität.
 
Wie schafft man es, dass die Leute nicht in der Routine des Alltags doch wieder umsteigen?
Durch regelmäßige Anreize schafft man es, die Begeisterung zu erhalten. Wir loben z.B. diverse Wettbewerbe aus, etwa über die Anzahl der Fahrten zur Arbeit oder die meisten Gesamtkilometer. Als Hauptpreis wird die Leasingrate der drei besten Fahrer dieser beiden Kategorien sogar komplett von der Firma übernommen. Diese Wettbewerbe, sowie jährliche gemeinsame Fahrradausflüge, sorgen ganz nebenbei für gute Stimmung und Motivation unter den Radfahrern und fördern das Wir-Gefühl im Betrieb.
 
Herr Schneider wir wünschen weiterhin viel Erfolg und danken für das Gespräch. 
von Fritz Lietsch
 
Die Schneider Schreibgeräte GmbH wurde 1938 von Christian Schneider gegründet und wird heute in dritter Generation vom gleichnamigen Enkel geführt. Dieser hat nach Studium und Auslandsaufenthalten in China, Uganda, Brasilien und den USA zunächst Berufserfahrung im e-Commerce gesammelt, bevor er 2010 die Firma von seinem Vater übernahm. 

Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.

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