Schuhfabrikant und Finanzrevolutionär
Heini Staudinger, Geschäftsführer der GEA Waldviertler. Ein Portrait.
Dieses Wochenende durfte ich das Pfingstsymposium STAUNEN - DENKEN – TUN in Schrems moderieren. Neben zahlreichen anderen Inspirationen dieser denkwürdigen Veranstaltung lernte ich einen Unternehmer der Extraklasse kennen: Heini Staudinger, den Geschäftsführer der GEA Waldviertler. All seine Verdienste und Schelmenstreiche aufzuzählen sprengt hier den Rahmen. Deshalb konzentriere ich mich an dieser Stelle auf seine Verdienste in Sachen Finanzwirtschaft und insbesondere die Finanzierung von Firmen, Genossenschaften und Alternativprojekten.
2005 initiiert Staudinger die alternative Währung „Waldviertler" und befasst sich mit der Idee, sein Unternehmen in eine Genossenschaft zu überführen. 2006 besucht er die baskische Mondragón Corporación Cooperativa, und nach dem Vorbild des Genossenschaftsmodells der taz gründete er die „RÜCKENWIND.coop" als „Förderungs- und Prüfungsverein gemeinwohlorientierter Genossenschaften".
Der Fall Staudinger
Berühmtheit erlangte der Rebell durch den „Kreditfall Staudinger", mit dem er 2012 zur Staatsaffäre wurde und internationale Aufmerksamkeit erhielt. Weil er von seiner Hausbank keinen Kredit mehr bekam, lieh er mit einer Art Crowdfunding Geld von seinen Freunden und Kunden. Daraufhin wurde von der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA ein Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn eröffnet. Der Vorwurf: Die Vergabe von Krediten sei ein unerlaubtes Bankgeschäft. Auf einer Demonstration vor dem Wiener Parlament am 7. Dezember 2012 bekräftigte Heini Staudinger seinen Entschluss, die von der FMA geforderte erste Strafe in Höhe von 2.000 Euro nicht zahlen zu wollen und sich notfalls einsperren zu lassen.
2013 schrieb er unbeirrt die Erweiterung der Solaranlage auf seinen Firmendächern aus, wiederum finanziert mit der Ausgabe von GEA „Sonnengutscheinen". „Die FMA (Finanzmarktaufsicht) reagierte darauf noch schärfer und gab am 17. Januar 2014 eine letzte Gerichtsentscheidung gegen Heini Staudinger bekannt. „Nach dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) bestätigte auch der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) die Rechtsmeinung der Finanzmarktaufsicht. Bis Ende Januar 2014 gewährt die FMA Staudinger eine Nachfrist, um entweder das ausgeborgte Geld zurückzuzahlen oder alternative Lösungen vorzulegen. Staudinger hatte 3 Mio. Euro zur Finanzierung einer Photovoltaikanlage und einer Lagerhalle bei Privatleuten eingesammelt. Die FMA wurde in ihrer Rechtsmeinung bestätigt, dass es sich dabei um ein Bankgeschäft handle, wofür er eine Bankkonzession brauchen würde. Doch Staudinger blieb unbeugsam und erfocht letztlich eine Veränderung der Gesetzeslage. Die „Waldviertler" haben damit einiges bewirkt. Ihr Kampf um die Legalisierung des eigenen Finanzierungsmodells hat in der Bevölkerung und Politik Bewusstsein für die Problematik geschaffen. Dank des inzwischen neu verabschiedeten Crowdfunding-Gesetzes ist es nun um vieles einfacher, Geld von Privatpersonen zu leihen.
Alleine, dass die Firma trotz der widrigen Umstände immer noch existiert, könnte man bereits als Erfolg werten. Sie schreibt zudem schwarze Zahlen und bilden neue Lehrlinge in einer konjunkturschwachen Grenzregion aus, um das Aussterben der Schuhproduktion in Europa zu verhindern.
Prinzipien und Firmengrundsätze des Rebellen von Schrems
Staudinger ist davon überzeugt, dass man die wirklichen Prinzipien des Lebens das Leben selber schreiben lassen müsse und er erklärt: „Da es in unserem Leben ganz wesentlich ist, ob wir in unseren Angelegenheiten von Angst getrieben oder mutige Gestalter sind, ob wir klug oder blöd sind und ob wir uns von der Liebe leiten lassen oder vom Geld, handeln unsere Firmenprinzipien von diesen wesentlichen Haltungen im Leben. ... Sehr gerne diskutiere ich mit meinen Neffen und Nichten im Alter von 3 bis 14 Jahren über unsere Firmengrundsätze:
1. Scheiß di ned au! (Hab keine Angst, sorge Dich nicht)
2. Bitte, sei ned so deppat! (Bitte sei nicht so unklug)
... mit großer Ernsthaftigkeit, und vertrete dabei den Grundsatz, dass nichts im Leben uns mehr hindert als die Angst. Dass es aber genug Situationen im Leben gibt, wo Mut alleine nicht genügt. Und darum ist unser zweiter Grundsatz auch sehr wichtig, nämlich nicht deppat zu sein, sondern klug. Eines Abends ... diskutierten wir wieder über unsere Grundsätze, da fragte mich die kleine Rosi: ‚Heini, habt ihr nicht auch noch einen dritten Firmengrundsatz?‘ Ich dachte bis dahin, dass diese zwei Grundsätze genug wären. Ich wollte sie aber nicht enttäuschen, darum sagte ich: ‚Ja, freilich haben wir noch einen dritten Grundsatz.‘ Und während Rosi noch fragte: ‚Und wie heißt der?‘, dachte ich mir, mutig und klug sind Einbrecher auch, jedoch fehlt ihnen die sinnvolle Orientierung. Und so sagte ich zu Rosi: ‚Unser dritter Grundsatz ist der allerwichtigste, und er heißt: Orientiere dich an der Liebe!‘"
Kontakt: www.gea.at
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 12.06.2019
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