Fritz Lietsch

Spurensuche

Markierte Baumwolle revolutioniert Branchenstandard

Die lückenlose Rückverfolgbarkeit innerhalb der Wertschöpfungskette ist ein elementares Thema für die gesamte Textilbranche. Erst dadurch lassen sich für Unternehmen relevante Aussagen zum „Sourcing" der Rohstoffe und den Arbeitsbedingungen in den einzelnen Verarbeitungsschritten treffen.
 
Die Markierung der Baumwolle ist so individuell wie ein genetischer Fingerabdruck. Ist der Rohstoff einmal mit dem Pulver versehen, kann durch Auslesen der Markierung jeder Produktionsschritt in Echtzeit mitverfolgt werden. © TailorluxVerbrauchern und Produzenten sollte klar werden, dass der bisherige Weg in der Textilindustrie in einer Sackgasse endet. Perspektivisch muss es weg von der Fast Fashion und hin zu einem nachhaltigeren und bewussteren Textilsektor gehen. Und das aus verschiedenen Gründen.
 
Ethische Gründe: Es ist klar, dass ein T-Shirt für 2 Euro nicht unter akzeptablen sozialen und umweltverträglichen Bedingungen hergestellt werden kann. Bedenkt man zudem, dass Fast Fashion-Ketten daran noch Geld verdienen, wird nur zu deutlich, dass die Marge auf Kosten der Umwelt und der Arbeitskräfte in den Herkunftsländern geht. Dem muss schon aus ethischen Gründen Einhalt geboten werden.
 
Umweltaspekte am Beispiel Baumwolle: Für die Produktion eines einzelnen T-Shirts werden – bei konventionellem Baumwollanbau – neben Unmengen an Pestiziden und Herbiziden rund 2.700 Liter Trinkwasser verbraucht. Zusätzlich verschwenden wir Baumwolle als Rohstoff in großem Stil: Jedes Jahr wird Kleidung im Wert von 400 Milliarden Euro vernichtet – das ist ein Müll-LKW pro Sekunde. Insgesamt 83 Millionen Tonnen Textilien werden jedes Jahr deponiert oder verbrannt. 2014 wurde im Vergleich zum Jahr 2000 60 Prozent mehr Kleidung gekauft, aber nur halb so lang getragen und behalten. 
 
In Folge der Katastrophe von Rana Plaza, bei der über 1.000 Menschen ihr Leben verloren, haben sich viele Bündnisse gebildet und allseits war von Selbstverpflichtungen zu hören, die Textilherstellung nachhaltiger zu gestalten. Das Bedürfnis nach Klarheit hat der Siegelbranche Aufwind beschert. So sehr, dass inzwischen von einer regelrechten Siegelflut zu sprechen ist. Allerdings ist den Verbrauchern nicht immer klar, was die einzelnen Siegel bedeuten und wie sie zu bewerten sind. Zudem sind die Methoden der Prüfung teils bloß stichprobenartig und nur mäßig zuverlässig.
 
Benötigt wird eine eindeutige und endgültige Lösung für eine bessere Transparenz in der Lieferkette. Denn der Endkunde hat, wie auch beispielsweise bei Hühnereiern, ein Recht darauf, zu erfahren, woher die Produkte stammen, die er kauft (oder nicht) und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Problematisch ist dabei die Zersplitterung der textilen Wertschöpfungskette, da häufig mehrere Produzenten aus verschiedenen Ländern an ein und demselben Textil beteiligt sind.
 
Die Baumwolle wird noch vor dem ersten Verarbeitungsschritt, dem Fräsen, markiert und erst dann zum Garn gesponnen. Bis zum fertigen Kleidungsstück erfolgen noch zahlreiche Produktionsschritte. Jeder wird begleitet durch die kontinuierliche Sensormessung. © Tailorlux
Spuren hinterlassen
Die Antwort auf dieses Dilemma liegt in der zuverlässigen Markierung der eingesetzten Rohstoffe. Die Firma Tailorlux aus Münster wartet mit einer Lösung für genau diese Problematik auf und hat sie bereits mit Dibella, einem Vorreiter aus der Textilbranche, erfolgreich umgesetzt. In der von Dibella bereitgestellten Bio-Baumwolle der indischen Kooperative Chetna Organic Farmer Association (COFA) werden in der Baumwollentkörnung, dem ersten Schritt, gleich nach der Ente der Baumwolle, über ein patentiertes Verfahren sogenannte Lumineszenz-Pigmente direkt in die Fasern eingebracht. Die dabei verwendeten Stoffe ändern die Qualität und Materialeigenschaften nicht, sind ungiftig und chemisch inert. Das bedeutet, sie reagieren nicht mit anderen chemischen Stoffen und sind dadurch selbst nach dem Bleichen, Färben und mehrfachen industriellen Waschprozessen in der Faser erkennbar.
 
Spuren verfolgen
Die Daten der ausgelesenen Markierung werden in der Cloud gespeichert und sind sofort verfügbar. Das bietet eine nie dagewesene Flexibilität, in die einzelnen Produktionsschritte einzugreifen und schafft absolute Transparenz. © TailorluxDiese Pigmente können mit internet-fähigen Miniatur-Spektrometern jederzeit wiedererkannt werden, entlang der gesamten Produktionskette. Damit lässt sich eindeutig, in Sekundenschnelle und ohne aufwändige Laborprüfung verifizieren, woher der jeweilige Rohstoff kommt. Millionen von spezifischen Leucht-Signaturen können erstellt werden, vergleichbar mit einem individuellen Fingerabdruck. Das ermöglicht, einzelne Baumwoll-Chargen zurückzuverfolgen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Bei einem konsequenten Einsatz wird die nachhaltige textile Lieferkette für Produzenten und Verbraucher vollkommen transparent. Und bietet die Sicherheit: Nur wo „grün" drauf steht ist auch „grün" drin.
 
Durch die gesteigerte Transparenz können Textilproduzenten nicht nur der Verpflichtung dem Verbraucher und der eigenen sozialen Verantwortung gegenüber gerecht werden. Der Rohstofffluss wird über die Sensoren genau dokumentiert und prompt digital verarbeitet. Jeder Einschnitt in der Lieferkette (etwa eine stillstehende Maschine oder eine falsch eingesetzte Charge) wird in Echtzeit erkannt und es bietet sich somit die Möglichkeit, rechtzeitig zu reagieren. Durch den Einsatz eines Systems, das den (markierten) Rohstoff verfolgt, wird eine sonst örtlich und zeitlich zersplitterte Lieferkette vollständig erfasst.
 
Theorie und Praxis gehen Hand in Hand
Dibella longlife textiles, Lieferant von Objekttextilien (Textilien für gewerbliche Unternehmen, wie zum Beispiel Bettwäsche, Bademäntel, Tischdecken) für den Textilservice, ist das erste Unternehmen, das auf eine Baumwollmarkierung in seinen Produkten setzt. Die im Rahmen dieses Projekts produzierte Bio-Baumwolle kann mit einer ganzen Reihe von Vorteilen aufwarten, darunter der Verzicht auf künstliche Bewässerung. Die Bio-Fairtrade zertifizierten Kleinstbauernflächen werden allein durch den Monsunregen bewässert und verschwenden damit keine wertvollen Trinkwasser-Ressourcen.
 
From Greenwashing to Green
Worten können Unternehmen dann auch Taten folgen lassen, indem sie ihren Kunden und Partnern Unternehmerreisen anbieten und die positiven Wirkungen einer komplett transparent gestalteten Lieferkette live erlebbar machen: „Einmal das Leben der Bio-Baumwollfarmer in den Dorfgemeinschaften hautnah begleiten zu können, die sozialen und ökologischen Errungenschaften mit eigenen Augen zu sehen und mit den eigenen Händen Bio-Baumwolle auf einem Feld zu pflücken, lässt unsere Kunden einen anderen Blick für die Produkte bekommen", berichtet Ralf Hellmann, Geschäftsführer von Dibella, begeistert von derartigen Reisen. „Sie begreifen im wahrsten Sinne des Wortes den Mehrwert der lückenlos zurückverfolgbaren textilen Produkte." Für das nachhaltige Engagement erhielt das als Textilpionier in der Branche bekannte Unternehmen mehrfache und internationale Auszeichnungen.
 
Mehr Einsicht und Entscheidungskraft für den Verbraucher
Verbraucher sollten ihrerseits durch Nachfragen Klarheit über das Sourcing verlangen. Leider kommt dies durch die Komplexität der textilen Lieferkette oft zu kurz und auch hier wäre es notwendig, ein eindeutiges System zu etablieren, das in der Anwendung simpel und dessen Informationsgehalt reichhaltig ist. Den Verbrauchern sollte vor Augen geführt werden, dass sie mit tatsächlich nachhaltig produzierter Baumwolle nicht nur soziale Projekte unterstützen, sondern dass die Baumwolle auch eine höhere Qualität besitzt und langlebiger ist. Wem die positiven ethischen, sozialen und Umweltschutz-Aspekte nicht genügen, der wird also mit qualitativ höherwertigen Produkten belohnt. Oder wie das Sprichwort sagt: Wer billig kauft, kauft zweimal.
 

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.

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