‘Liebe, Respekt und Zusammenhalt sind mir wichtig. Denn gemeinsam können wir Berge versetzen.’
Interview mit der Ärztin und Menschenrechtsaktivistin Monika Hauser
200 Frauen – berührende Antworten auf fünf einfache Fragen
Liebe, Respekt und Zusammenhalt sind mir wichtig. Denn
gemeinsam – mit der gebündelten Kraft Gleichgesinnter – können wir Berge
versetzen. Wir können die Institutionen loswerden, die das Fortbestehen
sexualisierter Gewalt zulassen, und können traumatisierte Frauen bei ihrer
Genesung unterstützen und sie ermutigen, sich an unserer Arbeit zu beteiligen.
Diese Arbeit geht uns alle an. Als ich von dem Trauma, das meine Familie
während des Zweiten Weltkriegs erlitten hatte, und der sexualisierten Gewalt,
der einige Familienmitglieder ausgesetzt waren, erfuhr, wurde ich mir zum
ersten Mal meiner Verantwortung bewusst. Dann zeigte mir die Gewalt gegen
Frauen im Bosnienkrieg, dass ich unbedingt etwas unternehmen musste.
Solidarität, Verbundenheit und der Wille, mich gemeinsam mit anderen für ein
Leben in Würde starkzumachen, waren mein Motor – also gründete ich medica
mondiale.
Was macht Sie glücklich?
Mich lebendig fühlen zu können und in gutem Kontakt mit mir
zu sein. Meine innere Stärke spüren. Oder wenn ich mit meinem Mann und unserem
Hund über eine sonnige Blumenwiese laufe – das gibt mir neue Kraft.
Was empfinden Sie als tiefstes Leid?
Sexualisierte Gewalt und ihre zerstörerischen Konsequenzen:
Sie beeinflussen unsere gesamte Gesellschaft über Generationen hinweg.
Ignorante PolitikerInnen, die ausweglose Situationen schaffen, ohne dafür
strafrechtlich belangt zu werden, die ihr Handeln nicht präventiv ausrichten
und nicht alles dafür tun, sexualisierte Gewalt, Kriege und Konflikte zu
vermeiden, machen mich wahnsinnig wütend.
Was würden Sie in der Welt verändern, wenn Sie könnten?
Ich ändere gerade etwas. Meine Kolleginnen und ich setzen
unsere Kompetenzen, Fähigkeiten und Stärken dazu ein, Strukturen zu
zerschlagen, die Geschlechterungleichheit begünstigen. Uns trägt die
Überzeugung, dass wir gemeinsam stark sind. Überlebende werden von uns
medizinisch, psychologisch und rechtlich unterstützt. Durch Einkommen schaff
ende Projekte tragen wir dazu bei, dass sie eigenes Geld verdienen und somit
Abhängigkeitsbeziehungen vermeiden können. Ich will, dass Frauen und Mädchen
sich wehren können gegen Gewalt. Es ist an uns, die Vision einer gerechteren
Gesellschaft zu formulieren. Wir als Zivilgesellschaft tragen nicht die
Verantwortung für falsche Politik. Aber wir tragen die Verantwortung dafür, ob
wir uns ganz persönlich im Rahmen unserer Kräfte für Veränderungen einsetzen, für
die Würde der überlebenden Frauen und Mädchen – und für unsere eigene Würde.
Ich habe vor Kurzem eine unserer ersten Klientinnen wiedergetroffen. Als ich
sie damals kennenlernte, wollte sie ihr Leben beenden. Heute hat sie in ihrem
Dorf eine Selbsthilfegruppe für Frauen gegründet, die keine Hilfe von außen
bekommen, und ist nun eine tolle, starke Frau. Sie möchte etwas zurückgeben,
das berührt mich und macht Mut.
Wählen Sie ein Wort, das Sie beschreibt.
Beharrlichkeit.
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